8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Paradies für Streuobst liegt in Bad Nauheim
Streuobstgruppe pflegt über 400 Bäume
Ein ewiger Kampf ist es für Naturschützer, Flächen zu erhalten, für die sich keiner so richtig zuständig fühlt. Darunter sind oft auch Streuobstwiesen. Fatal für die Artenvielfalt, denn Streuobstbestände muss man pflegen, damit sie richtig alt werden.
Die Bestände in Bad Nauheim haben Glück, denn Mirko Franz kümmert sich um sie. Der 44-jährige Baumpfleger koordiniert seit acht Jahren als Teil des Vorstandes die Streuobstgruppe, mit Pflegeeinsätzen und Erhalt der Flächen. Schon länger mit dabei sind die „alten Hasen“: Ottmar Russ (85) schneidet seit 25 Jahren die Bäume der Streuobstwiese „Am Steinweg“, Gertrud Walenda (85) hat diese Streuobstwiese kartiert, kennt über 70 Sorten beim Namen und organisiert die Obstbaumbestell- und Pflanzaktion sowie die Apfelausstellung beim Streuobstfest. „Solange es noch geht“, sagt sie strahlend, würde sie weiter mitmachen, auch wenn sie in diesem Jahr den Vorstand des NABU Bad Nauheim verlassen hat. Ebenfalls mit dabei ist Gerhard Hecker. Er mäht mit dem Freischneider aufkommende Verbuschung, schärft Werkzeuge, repariert beschädigte Schilder – kurzum, er macht das, was sonst tendenziell liegen bleibt. Stefan Peuser, Lucy Hykes-Hesse und Peter Klinkerfuß helfen und unterstützen, wo sie können, zum Beispiel bei der Reinigung der Nistkästen oder beim Altbaumschnitt.
Die Wiese „Am Steinweg“ ist die größte zusammenhängende Fläche, drei weitere werden von der NABU-Gruppe betreut. An diesem warmen Juni-Samstag sind alle hier zum Arbeitseinsatz zusammengekommen. Die Kirschen müssen gepflückt werden, Verbissschutz angebracht und die Kirschbäume geschnitten werden. Auf der Wiese weiden zweimal im Jahr für je zwei Wochen Schafe, und nach mehreren Versuchen sei jetzt der perfekte Verbissschutz gefunden, erklärt Gertrud Walenda. Sie ist seit der Gründung des NABU in Bad Nauheim 1989 dabei und machte 1990 ihre erste Baumschnittschulung. „Ab 1998 haben wir angefangen, neue Bäume zu pflanzen, jedes Jahr wurden dann zwischen zwei und zwanzig neu gesetzt“, erzählt sie.
Kronenaufbau geht vor Ertrag
Die Jungbäume kämen jetzt langsam in den Ertrag, sagt Mirko Franz. „In der Jugendzeit des Baums will man ja noch keine Früchte, denn dann sind die Äste zu dünn. Wir schneiden die Bäume, bis sie sieben oder zehn Jahre alt sind, jährlich, damit sich eine Krone entwickeln kann. Kronenaufbau geht vor Ertrag.“ Haben die Bäume das richtige Alter erreicht, werde nur noch alle drei Jahre geschnitten – das sei zumindest erstrebenswert. „Besser öfter und weniger als zu lange Abstände und dann Radikalschnitt“, so Franz.
Und Obstbaumschnitt will gelernt sein. Nur die wenigsten würden gut schneiden, denn dafür brauche man viel Übung. „Es gibt einige, die machen vielleicht mal einen Schnittkurs, aber dann merken sie, wie zeitaufwendig das Schneiden bei den Einsätzen ist, und geben es schnell wieder auf“, erzählt Franz. Bei den Arbeitseinsätzen, die immer am ersten Samstag im Monat – während der Erntezeit jeden Samstag – stattfinden, kommen maximal 15 Leute. Bäume schneiden können die wenigsten. Zum Einsatz heute sind zehn Helfer gekommen. Die meisten hacken Baumscheiben – das ist die bewuchsfreie Fläche rund um einen Obstbaum – oder pflücken Kirschen. Zwei Sorten werden heute geerntet: die Regina und Schneiders Späte. Mirko Franz seilt sich in den großen Kirschbaum und schneidet Äste zurück. Er arbeitet auch hauptberuflich als Baumpfleger und muss sich daher seine Zeit gut einteilen. Franz wirkt wie jemand, der sich nicht kleinkriegen lässt und den eine große Leidenschaft antreibt. Der Einsatz der Gruppe wurde daher auch 2016 vom NABU als „Naturschutzmacher mit Herz für Streuobst“ ausgezeichnet.
Wissen über Sorten geht verloren
Imposant ist die Sortenvielfalt: Gertrud Walenda zeigt begeistert auf ihrer Kartierungskarte die 70 Apfel-, 17 Birnen- und fünf Kirschsorten. Drei bis vier Apfelsorten konnte die Gruppe bislang noch nicht bestimmen, auch der Pomologenverein Hessen wusste nicht weiter. „Das wird leider auch nicht besser werden. Das Wissen um die Streuobstsorten geht immer mehr verloren“, sagt Walenda. Erst bei einem Obstkundlertreffen mit Teilnehmern aus der ehemaligen DDR konnte der Apfel aus Lunow bestimmt werden. Den gibt es auch auf der Wiese „Am Steinweg“. In einem guten Jahr erntet die Gruppe vier bis fünf Tonnen Äpfel. Diese werden an die Kleinkelterei Rote Pumpe verkauft. Das Geld fließe dann in NABU-Projekte. „Eigenvermarktung – das schaffen wir zeitlich nicht“, so Mirko Franz. Die anderen Obstsorten wie Quitten, Birnen, Mirabellen und Kirschen werden für den Privatbedarf von den Aktiven geerntet.
Im Herbst findet die jährliche Obstbaumpflanzaktion statt. Besitzer oder Pächter von Obstwiesen in den Gemarkungen von Bad Nauheim und seiner Stadtteile haben die Möglichkeit, sehr günstig hochstämmige Obstbäume über den NABU Bad Nauheim zu beziehen. Angeboten werden Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Mirabellen-, Pflaumen- und Quittenbäume in sehr vielen Sorten, bei der Auswahl berät der NABU Bad Nauheim die Käufer. Die Stadt Bad Nauheim beteiligt sich zur Hälfte an den Kosten für die Bäume. Voraussetzung für den Zuschuss ist die Angabe der Flur- und Flurstücknummer. Bei Pflanzung in Privatgärten ist der Preis höher. Die Bezieher der Obstbäume verpflichten sich, die Bäume auf das angegebene Grundstück zu pflanzen und diese auf Dauer zu pflegen und zu erhalten.
Und danach geht es schon wieder los mit dem Obstbaumschnitt. Wer Naturschützer ist, hat immer etwas zu tun.
Nicole Flöper
Weitere Infos unter: www.nabu-bad-nauheim.de
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Die Anfänge des Obstbaus reichen in die Urzeit zurück, als Wildformen von Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume und Walnuss genutzt wurden. Die Römer brachten den Obstbau vor 2000 Jahren mit Kulturformen nach Deutschland. Damals entstanden erste Obstgärten am Rande der römischen Villen. Mehr →