8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Düngegesetze in Deutschland – immer zu wenig, immer zu spät
Problem muss endlich an der Wurzel gepackt werden
Die Düngegesetzgebung in Deutschland ist hauptsächlich auf die Umsetzung der Nitratrichtlinie der EU, zum Schutz von Gewässern zurückzuführen. Seit mehr als 30 Jahren wird nun schon über die „richtige“ Umsetzung gestritten. Eine an den Pflanzenbedarf angepasste Düngung ist nicht nur für den Gewässerschutz entscheidend, auch der Verlust von Artenvielfalt und die Klimakrise wird maßgeblich durch die übermäßige Düngung befeuert.
Deswegen braucht es einen konsistenten rechtlichen Rahmen für die Düngung, der den Gewässerschutz gewährleistet, die Artenvielfalt nicht weiter gefährdet, Klimaschutz mitdenkt und den Landwirt*innen endlich Planungssicherheit gibt. Die Hängepartie ums Düngerecht ist nicht zu akzeptieren und muss endlich ein Ende haben.
Nitrat im Wasser: Folgen für unsere Gesundheit und die Natur
50 Milligramm pro Liter Wasser – das ist der Grenzwert für Nitrat im Grund- und Oberflächenwasser in Europa. In Deutschland überschreiten jedoch über ein Viertel der Messstellen diesen Wert. Gelangt Nitrat in unser Trinkwasser, kann dies zum einen die Gesundheit schädigen, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Zum anderen haben zu hohe Mengen an Nitrat im Wasser gravierende Auswirkungen auf die Natur.
Fast die Hälfte aller Ökosysteme ist in Deutschland mittlerweile von Eutrophierung und Versauerung betroffen. Denn durch den eingetragenen Stickstoff werden die meist stickstoffarmen Ökosysteme in Deutschland überdüngt. Ihre ursprünglichen Pflanzenarten werden durch stickstoffliebende Arten verdrängt, die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften gerät aus dem Gleichgewicht und in der Folge sinkt die Artenvielfalt. Mehr als 70 Prozent der Pflanzenarten, die in Deutschland in der Roten Liste aufgeführt sind, gehören zu Arten nährstoffarmer Standorte.
Daher muss das Problem endlich an den Wurzeln gepackt werden und ihm durch einen intelligenten Instrumentenmix, bestehend aus einem konsistenten Rechtsrahmen und ergänzenden marktbasierten Maßnahmen, begegnet werden.
Deutschland verschleppt Bemühungen der EU
Die Europäische Union hat bereits im Jahr 1991 mit der Nitratrichtlinie dafür sorgen wollen, dass die Nitratüberschüsse wirksam begrenzt werden. Doch Deutschland hat eine konsequente Umsetzung der Richtlinie seit über drei Jahrzehnten immer wieder verschleppt, verzögert und verkompliziert.
Die nationale Umsetzung der Nitratrichtlinie ist die Deutsche Düngeverordnung, die um Jahre verspätet eingeführt wurde. Sie war jedoch von Beginn an ein unzureichendes Instrument, um die Nitratbelastungen effektiv zu begrenzen.
Das Ergebnis: 2003 erhielt Deutschland die erste Abmahnung durch die EU. Erst 2006 wurde die Düngeverordnung endlich angepasst. Doch nur ungenügend, befand die EU-Kommission und schickte 2012 ein weiteres Mahnschreiben. 2013 leitete sie schließlich ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie und steigenden Nitratwerten in Grund- und Oberflächenwasser ein. Und wieder dauerte es etliche Jahre, bis Deutschland sich 2017 zu einer Novellierung der Düngeverordnung bequemte. Doch auch dieses novellierte Gesetz fiel beim Europäischen Gerichtshof durch: 2018 wurde Deutschland letztlich verurteilt.
Es drohten Vertragsstrafen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag (!). Aufgrund erneuter Änderungen der Düngeverordnung im Jahr 2020 und des Versprechens der Bundesregierung nach weiteren Anpassungen im Düngerecht, wie der Einführung eines flächendeckenden Monitorings, wurde das Verfahren jedoch 2023 vorerst eingestellt. Doch die versprochenen Änderungen der Düngegesetzgebung hängen weiter in der Luft, bei einer weiteren Verzögerung und angesichts des noch immer schlechten Zustands der Gewässer, wie aus dem Nitratbericht (2024) der Bundesregierung hervorgeht, könnte nun ein weiteres Verfahren drohen.
Doch statt das Problem endlich grundlegend zu bekämpfen, dreht sich die Debatte seit über 30 Jahren nahezu ausschließlich um die Frage, welcher Minimalkompromiss unbedingt nötig wäre, um die Erfordernisse des EU-Rechts zu erfüllen und einer Verurteilung sowie horrenden Strafzahlungen zu entgehen. Die eigentliche Frage sollte aber sein, wie die Nitratüberschüsse am besten und vor allem auch verursachergerecht reduziert werden können.
Klar ist: Technische Maßnahmen allein werden nicht ausreichen, um die Nitratbelastung dauerhaft zu senken. Wir müssen das Übel an der Wurzel packen und durch ein Umsteuern in der Agrarpolitik die systematische Überdüngung in der Landwirtschaft wie auch die viel zu hohe Tierdichte, die für diese verantwortlich ist, stoppen.
Forderungen des NABU
Um die Nitratgehalte im Grund- und Oberflächenwasser nachhaltig zu senken, dürfen wir nicht lediglich die Symptome durch modernere Ausbringungstechniken bekämpfen, sondern müssen an der Ursache des Problems ansetzen. Ziel muss es sein, Nitratüberschüsse aus der Landwirtschaft langfristig und dauerhaft zu minimieren.
1. Flächengebundene Tierhaltung
Ursächlich für die Überdüngung in vielen Gebieten ist die zu hohe Tierdichte. Besonders in den Regionen mit intensiver und flächenungebundener Tierhaltung, wie im Münsterland und in großen Teilen Niedersachsens, führt der hohe Viehbesatz pro Hektar zu einer systematischen Überdüngung. Um die Probleme hier zu reduzieren, ist eine flächengebundene Tierhaltung mit maximal 1,8 GVE (Großvieheinheiten) pro Hektar notwendig. Eine sogenannte Großvieheinheit entspricht einer ausgewachsenen Milchkuh oder etwa sieben Mastschweinen. Eine Begrenzung der Viehdichte in dieser Höhe würde in den intensiven Tierhaltungsgebieten in vielen Fällen eine Abstockung der Tierbestände notwendig machen.
2. GAP-Reform: naturverträgliche Landwirtschaft honorieren statt pauschaler Direktzahlungen
Statt weiterhin den überwiegenden Teil der Subventionen über die pauschalen Direktzahlungen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, sollten die Gelder der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) für eine naturverträgliche Bewirtschaftung reserviert werden.
3. Effizientes Monitoring und wirksame Nährstoffbilanzierung
Das Problem der Überdüngung ist vor allem ein Problem fehlgeleiteter Stoffströme. Deshalb ist es wichtig, diese belegbasiert zu erfassen und anfallende Überschüsse klar zu begrenzen. Ein solches System könnte mittelfristig die Düngeverordnung ersetzen und so wirksam und bürokratiearm dem Problem begegnen. Ein Monitoring über die Wirkungsweise der Düngeverordnung bzw. Nährstoffverordnung, wie bereits an die EU versprochen, muss zudem endlich eingeführt werden.
4. Ausreichende Gewässerabstände einhalten
Um Gewässer vor Überdüngung zu schützen, sollten Abstände von mindestens zehn Metern zum Gewässerrand eingehalten werden. Von einigen Bundesländern wird das bereits umgesetzt. Doch sind die Regelungen zu Randstreifen häufig kompliziert und unübersichtlich, deswegen fordert der NABU eine bundesweit einheitliche Regelung von einem Mindestabstand von zehn Metern. Denn die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Meter bieten keinen ausreichenden Schutz vor einer Auswaschung der Nährstoffe. Eine bundesweit einheitliche Regelung zu Gewässerrandstreifen für Dünge- und Pflanzenschutzmittel stellt zudem eine enorme Vereinfachung für die Landwirtschaft dar.
Gewässerrandstreifen müssen mit einer standortangepassten Saumvegetation bewachsen sein, die die Auswaschung von Nitrat und Phosphatdüngern in die Oberflächengewässer verhindert.
5. Düngung standort- und kulturartenspezifisch gestalten
Die aktuelle Düngeverordnung erlaubt eine Düngeobergrenze von bis zu 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr. Die Düngung sollte jedoch standortbezogen und an den Bedarf der jeweiligen Kultur angepasst sein, statt sich an zu hohen und starren Obergrenzen auszurichten.
Durch die Berechnungsgrundlage des Stickstoffbedarfs sind in der aktuellen Düngeverordnung teilweise höhere Stickstoffgaben als zuvor möglich. Bei Mais sind dies bis zu 40 Kilogramm Stickstoff und bei Weizen bis zu 30 Kilogramm. Diese Stickstoffgaben richten sich nicht nach dem Bedarf der Pflanze.
Maßnahmen zum Humusaufbau, die dem Bodenschutz und der Wasserhaltekapazität von Böden dienen, wie zum Beispiel der Einsatz von Kompost oder Festmist und die dafür benötigten entsprechenden Düngermengen, sind anzurechnen, soweit sie nicht zur Überdüngung beitragen.
6. Mineraldünger vollständig in die Stickstoffbilanz einbeziehen
Auch mineralische Düngemittel sind vollständig in die Gesamtstickstoffbilanz einzubeziehen. Aufgrund ihrer hohen Löslichkeit tragen sie weit stärker zu Nitratauswaschungen in Oberflächen- und Grundwasser bei als langsam verfügbare Wirtschaftsdünger wie Kompost und Festmist. Daher sollte eine grundsätzliche Trennung von synthetischen Mineraldüngern, Gülle und Gärresten sowie Kompost und Festmist vorgenommen werden.
7. Düngung von Phosphat auf den Pflanzenbedarf begrenzen
Phosphat ist ein endlicher Rohstoff, der zurzeit hauptsächlich aus Lagerstätten in Marokko und China abgebaut wird und häufig radioaktiv belastet ist. Zudem sind in den intensiven Tierhaltungsregionen die Böden meist mit Phosphat gesättigt.
Die Düngeverordnung erlaubt bislang eine Phosphatdüngung, die bis zu zehn Kilogramm über dem Bedarf der Pflanze liegt. Vor allem für die Überdüngung der Gewässer ist Phosphat kritisch, da es für die meisten Pflanzen ein Mangelelement ist und bei einer übermäßigen Zufuhr auch die Nutzung von zu viel Stickstoff im Wasser möglich macht. Das führt zu unerwünschtem, weil übermäßigem Pflanzenwachstum im Wasser (Algenblüten, sauerstoffarme Todeszonen). Aus diesem Grund darf Phosphat nur in der Höhe des tatsächlichen Pflanzenbedarfs gedüngt werden. Dieser Bedarf ist standort- und kulturartenspezifisch zu ermitteln.
8. Keine Düngung von Zwischenfrüchten
Eine Düngung von Zwischenfrüchten sollte grundsätzlich verboten werden. Häufig werden als Zwischenfrüchte Leguminosen angebaut, die durch ihre Symbiose mit den Knöllchenbakterien in der Lage sind, Luftstickstoff zu binden. Diese Fixierung des Luftstickstoffs wird durch eine zusätzliche Düngung gemindert.
9. Das Ordnungsrecht ergänzende Maßnahmen
Das komplizierte, bundesweit einheitliche Düngerecht kann allein dem massiven Problem der Nährstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft nicht gerecht werden, deswegen braucht es ergänzend Anreizinstrumente sowie eine flächendeckende ökologische Betriebsberatung und landesrechtliche bzw. kommunale Konkretisierungen des Düngerechts. Anreize können z. B. Steuern auf Handelsdünger und betriebsexterne Futtermittel oder Abgaben auf Stickstoffüberschüsse sein.
Chronologie der Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland
Eine unendliche Geschichte
1991
Die EU verabschiedet die europäische Nitratrichtlinie. Diese Richtlinie zählt zu den ersten Dokumenten der EU-Umweltschutzgesetzgebung und soll die Wasserqualität in Europa sichern. Sie zielt auf eine Verringerung und Vermeidung von Belastungen durch Nährstoffeinträge seitens der Landwirtschaft und verpflichtet die Mitgliedstaaten, Regeln guter fachlicher Praxis der Düngung aufzustellen und diese gegebenenfalls zu fördern. Außerdem ermöglicht die Richtlinie, besonders gefährdete Gebiete auszuweisen, für die Aktionsprogramme mit konkreten Maßnahmen aufzustellen und durchzuführen sind.
1993
Die Nitratrichtlinie soll in diesem Jahr in allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt sein.
1996
Mit einer Verzögerung von drei Jahren wird in Deutschland die Düngeverordnung verabschiedet.
Deutschland entschied sich damals allerdings gegen die Aufstellung regionsspezifischer Aktionsprogramme – zum Beispiel für das Münsterland oder Südoldenburg. Alle Düngegesetze und -verordnungen gelten seitdem für die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland.
2003
Im Dezember 2003 übermittelt die EU-Kommission Deutschland eine letzte schriftliche Mahnung, weil insbesondere die in der Düngeverordnung festgelegten Grenzwerte von 210 Kilogramm Stickstoff pro Hektar gegen die Nitratrichtlinie verstoßen. Die EU-Kommission beschließt, Deutschland beim Europäischen Gerichtshof zu verklagen.
2006
Das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren zwingt die Bundesregierung zum Handeln – Anfang des Jahres wird die novellierte Düngeverordnung verabschiedet.
Nichtsdestotrotz werden in der Düngeverordnung manche Regelungen nicht verschärft, wie zu erwarten gewesen wäre, sondern im Gegenteil aufgeweicht: So wird zum Beispiel die Hoftorbilanz gänzlich abgeschafft, zahlreiche Ausnahmen von Grundregeln zugelassen – wie etwa Sperren für die Gülleausbringung im Winter – und die wachsende Nährstoffmenge aus Biogasanlagen ignoriert, die bis heute nicht vollständig von den Betrieben dokumentiert werden muss.
2012
Die novellierte Verordnung erreicht die versprochenen Ziele nicht. Das ergeben die Überprüfung durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe und der deutsche Nitratbericht des Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministeriums. Stattdessen weisen beide Berichte auf einen erheblichen Anpassungsbedarf der Düngeverordnung hin.
2013
In einer Kurzstellungnahme plädieren die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik (WBA) und für Düngungsfragen (WBD) des Bundeslandwirtschaftsministeriums sowie der Sachverständigenrat für Umweltfragen für eine ambitionierte Reform der Düngeverordung.
Gleichzeitig leitet die EU-Kommission gegen die Bundesregierung ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren wegen der unzureichenden Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ein. Aus Sicht der EU-Kommission hätte die Bundesregierung angesichts der Ergebnisse des vorgelegten Nitratberichts 2012 umgehend tätig werden müssen.
2012 bis 2017
Der nächste Verhandlungs- und Streitmarathon beginnt. In den nächsten fünf Jahren sind folgende Themen- und Regelungsbereiche agrar- und umweltpolitisch besonders umstritten:
- Hoftorbilanz (Nährstoffbilanz)
- Einarbeitungszeit für Wirtschaftsdünger/Gülle
- Pufferstreifen zu Gewässern
- Kontrollwerte: erlaubte Überdüngung von Stickstoff und Phosphat
- Düngekataster: Datenbereitstellung
Es stehen sich Parteien mit sehr unterschiedlichen Interessen gegenüber. Auf der einen Seite Vertreter*innen des Bauernverbands und der Agrarwirtschaft, der CDU/CSU in der Bundesregierung, des Parlaments und des Agrarausschuss sowie die CDU-regierten Bundesländer. Von dieser Seite gibt es wenig Interesse und Aktivitäten, grundlegende Veränderungen an der bestehenden Düngeverordnung vorzunehmen.
„Die deutsche Düngeverordnung hat sich bewährt und wird auch in Zukunft für weitere Verbesserungen im Gewässerschutz sorgen. Das Düngerecht mit der zuletzt geschaffenen Verbringensverordnung entfaltet derzeit seine volle Wirkung. Deshalb ist für die Landwirte die Forderung nach einer grundlegenden Novellierung der Düngeverordnung nicht nachvollziehbar.“
DBV - Deutscher Bauernverband, 2014
Auf der anderen Seite agiert ein breites Spektrum von Vertreter*innen aus der EU-Kommission, den Grünen und der SPD im Bundesumweltministerium, des Parlaments und des Agrarausschusses sowie die SPD-regierten Bundesländern und solche mit grün geführten Agrarministerien. Hinzu kommen Vertreter*innen der Wissenschaft (Beiräte), der Umweltverbände und der Wasserwirtschaft.
„Aus Sicht des WBA trägt die unzureichende Durchsetzung und Kontrolle der Düngeverordnung wesentlich zu einem der zentralen Umweltprobleme der Tierhaltung bei.“
Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMEL, 2015
2016
Im Herbst reicht die EU-Kommission Klage gegen Deutschland ein. Der Druck auf die Bundesregierung wächst und führt zu einem weiteren Anpassungsprozess der Düngegesetzgebung in Deutschland.
2017
Im Laufe des Jahres werden die einzelnen Teile des Düngepakets im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium und teilweise mit Zustimmung des Bundesrats im Bundestag beschlossen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium erhofft sich mit dem Düngepaket eine Signalwirkung in Richtung EU-Kommission und dem noch anhängigen Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof. Die Befürworter glauben, ausreichende Maßnahmen zur zukünftigen Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie getroffen zu haben.
Das Düngepaket besteht aus folgenden Regelungen: dem Düngegesetz (DüngG), der Düngeverordnung (DüV), der Stoffstrombilanzverordnung (StoffBilV) und der Verbringens-Verordnung (WDüngV).
Kritische Bewertung des Düngepakets der Bundesregierung
Bei der Bewertung besonders der neuen Düngeverordnung und Stoffbilanzverordnung überwiegen die kritischen Stimmen. Eine Vielzahl an getroffenen Regelungspunkten wird – trotz einiger erzielter Erfolge – von der Wissenschaft und den Umweltverbänden als unzureichend eingestuft:
- zu lange Übergangsfristen
- zu großzügige Einarbeitungszeit und zu hohe Mengen an anrechenbaren Ausbringungsverlusten bei organischem Dünger (Wirtschaftsdünger/Gülle)
- zu hohe Obergrenzen bei organischem Dünger (170 Kilogramm pro Hektar), insbesondere in den sogenannten gefährdeten Gebieten
- nicht ausreichende Abstandregelungen/Pufferstreifen zu Gewässern
- zu hohe Berücksichtigung von Futterverlusten
- zu hoch angesetzte Düngebedarfe
- weiterhin zulässige Nährstoffüberschüsse sowie fehlende Begrenzung der Phosphatdüngung auf überversorgten Böden
- weiterhin mögliche Ausnahmen für Ausbringung von Gärresten
- fehlendes wirksames Düngekataster, da die Aufzeichnungspflicht der tatsächlichen Stickstoff- und Phosphatdüngung nicht eingeführt wurde
- unzureichende Regeln zur Stoffstrombilanz
- zu viele Freiheiten für die Bundesländer, in den gefährdeten Gebieten weitergehende Maßnahmen anzuordnen
- begrenzte Kontrollier- und Sanktionierbarkeit von Verstößen
„Daher ist sehr fraglich, ob die verabschiedete Regelung die Grundlage liefert, um die Nitrateinträge in die Gewässer zu reduzieren und den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter im Grundwasser zu erreichen.“
Verband kommunaler Unternehmen, 2017
„Deutschland muss jetzt die Kurve kriegen und die Düngevorgaben derart verschärfen, dass eine massive Überdüngung künftig verhindert wird. Mit den jetzt vorgesehenen Regelungen nimmt die Politik in Kauf, dass unsere Böden weiter mit Unmengen an Nitrat belastet werden und sich die Qualität unserer Gewässer stetig verschlechtert. “
Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, 2017
„ (…) das neue Düngerecht wird keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser erzielen. Der Hauptgrund hierfür ist die weitgehende Missachtung aller agrar- und umweltwissenschaftlichen Fachempfehlungen (…).“
Prof. Dr. Friedhelm Taube, Universität Kiel, 2018
2018
Im Juni 2018 wird Deutschland vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Das Urteil bezieht sich zwar auf die alte Düngeverordnung aus dem Jahr 2006, aber aus der EU-Kommission wird wiederholt signalisiert, dass auch die Veränderungen in der 2017 verabschiedeten Neufassung nicht zur Umsetzung der Nitratrichtlinie ausreichen.
2019
Seit Anfang 2019 ist bekannt, dass die EU-Kommission auch das neue Düngepaket für nicht ausreichend hält. Die Bundesregierung steht nun erneut unter Druck, die Düngeverordnung von 2017 nachzubessern. Schafft sie es nicht, bis zum Frühsommer 2020 effiziente Maßnahmen zur Einhaltung der Nitratgrenzwerte zu ergreifen, drohen Vertragsstrafen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag.
Das traurige Schauspiel nimmt also einfach kein Ende. Im Juni einigt sich die Bundesregierung auf eine weitere Veränderung der Düngeverordnung, doch wieder einmal springt sie nicht weiter als sie muss, der NABU kritisiert insbesondere die geplanten Ausnahmeregelungen bei Grünland, die aufgrund des schlechten Zustands des Grünlands unverständlich sind.
2020
Im Januar wird der Entwurf des Bundeslandwirtschaftmisteriums zur Änderung der Düngeverordnung im Kabinett vorgestellt. Die Umweltverbände kommentieren hier.
Im März werden weitere Änderungen an der Düngeverordnung beschlossen, diese greifen jedoch zu kurz. Inhalt der Änderung sind vor allem weitere Maßnahmen, insbesondere in den mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten, den sogenannten “roten Gebieten”. Doch ein weiteres Mal wurde die Chance verpasst, das Problem endlich an der Wurzel zu packen. Zum Beschluss äußert sich NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
„Hoffentlich ist dieses Kapitel einer jahrzehntelangen Hängepartie nun endlich beendet. Wenn auch noch unzureichend aus Umweltsicht. Bund und Länder springen mit den Verschärfungen gerade so weit, dass die millionenschweren Strafzahlungen an Brüssel abgewendet werden.
Was sie jedoch verpassen, ist die Chance, das Problem der Überdüngung an der Wurzel zu packen: Die in Teilen Deutschlands zu intensive Tierhaltung muss verringert werden. Entscheidend ist, die Zahl der gehaltenen Schweine, Hühner und anderer Tiere pro Hektar klar zu begrenzen, mit zusätzlichen Obergrenzen für jeden Landkreis. Zusätzlich muss eine Hoftor-Bilanz für jeden Betrieb kommen, die klar macht, wie viele Nährstoffe in einen Betrieb hineingehen und wie viele ihn verlassen – ohne Bilanzierungs-Tricks.
Wir müssen jetzt den Diskurs führen, wie eine zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland aussehen muss – mit fairen, ehrlichen Lösungen nach dem Verursacherprinzip sowie Planungssicherheit für alle Landwirte. Das Ende der Nitrat-Krise, die unser Grundwasser gefährdet und schwere Schäden in der Pflanzen- und Tierwelt hinterlässt, ist seit zwei Jahrzehnten überfällig.“
2021
Die EU-Kommission hält die Ausweisung der roten Gebiete für unzureichend, die entsprechende Verordnung muss nachgebessert werden. Dies betrifft vor allem die Größe der mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebiete, in denen strengere Anforderungen an die Düngung gelten.
2022
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausweisung der roten Gebiete sowie die Grundwasserverordnung werden nochmals überarbeitet.
2023
Das Kabinett beschließt am 31. Mai eine Änderung des Düngegesetzes. Damit soll die Rechtsgrundlage zum mit der EU vereinbarten Wirkungsmonitoring zur Düngeverordnung geschaffen werden und die Rechtsgrundlage für die vorgesehene Weiterentwicklung der Stoffstrombilanzverordnung geschaffen werden.
Am 1. Juni stellt die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ein. Die Voraussetzung: Deutschland führt ein flächendeckendes Monitoring ein. Und schafft es endlich, die Nitratproblematik in den Griff zu bekommen.
2024
Über ein Jahr kann im Bundestag keine Einigung zu den Änderungen des Düngegesetzes gefunden werden, vor allem die Nährstoffbilanz wird von der FDP und CDU abgelehnt. Nachdem im Bundestag ein Kompromiss gefunden wurde, blockiert nun der Bundesrat die notwendigen Änderungen. Wird das Gesetz nicht bald umgesetzt, droht ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren. Ein Armutszeugnis für die deutsche Politik.
Im Juli wird der neue Nitratbericht veröffentlicht, er zeigt die weiterhin hohe Belastung der Gewässer auf.
Download
In Deutschland werden immer mehr Felder überdüngt, wodurch sich massive Probleme für Mensch und Umwelt ergeben. Die Ursache liegt in der Massentierhaltung: Die hohe Anzahl an landwirtschaftlichen Nutztieren produziert zu viel Gülle. Mehr →
Böden und ihre Biodiversität spielen in landwirtschaftlichen und politischen Debatten bisher nur eine geringe Rolle. Der NABU zeigt in einer neuen Studie mit der Boston Consulting Group, warum sich dies dringend ändern sollte und wie das erreicht werden kann. Mehr →
Die Regenerative Landwirtschaft wird in Deutschland in der landwirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Debatte bisher kaum behandelt. Der NABU zeigt in einer neuen Studie mit der Boston Consulting Group auf, warum und wie sich dies schleunigst ändern muss. Mehr →