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Die Phosphor-Krise
Kostbarer Nährstoff wird knapper
Phosphor, unersetzlicher Grundstoff jeglichen Lebens, geht zur Neige. Die Prognosen, wann die weltweiten Vorräte erschöpft sein werden, schwanken zwischen 100 und 300 Jahren. Klar ist, dass der Hunger einer stetig wachsenden Weltbevölkerung die Nachfrage nach dem kostbaren Nährstoff, der in nahezu jedem Mehrkomponenten-Dünger steckt, weiter anheizen wird. Insbesondere für Länder wie Deutschland, die keine eigenen Vorkommen haben, könnte es dann schwer werden, den Bedarf zu decken.
Von den weltweit abgebauten 190 Millionen Tonnen Rohphosphor pro Jahr werden 80 Prozent zu Dünger verarbeitet. Denn vor allem der Fleischhunger der westlichen Welt und der neue Wohlstand in aufstrebenden Ländern wie Indien und China treiben die Nachfrage nach Dünger für Futtermittel in die Höhe. Ein Blick auf die Weltmarktpreise zeigt, wie knapp der Nährstoff geworden ist. Im Jahr 2008 versechsfachte sich der Preis innerhalb weniger Monate; heute ist die Tonne Rohphosphor mit 115 US-Dollar etwa zweieinhalb Mal teurer als noch vor zehn Jahren. Von 1990 bis 2005 lag der Preis zwischen 30 und 40 US-Dollar die Tonne. Seitdem sind die Preise stark angestiegen und schwanken auf hohem Niveau, 2021 lag der Preis bei 120 US-Dollar die Tonne.
Info: Phosphor
Ob Menschen, Tiere oder Pflanzen – jedes Lebewesen auf der Erde benötigt Phosphor. Pflanzen brauchen Phosphor, um wachsen und gedeihen zu können. Indem sie den Stoff aus dem Erdreich aufnehmen, bringen sie ihn in die Nahrungskette, wo er über Zwischenstationen schließlich auch den Menschen erreicht. Erwachsene benötigen täglich 0,75 Gramm der Substanz, die vor allem in Brot, Fleisch, Milchprodukten und Hülsenfrüchten steckt, sonst drohen Mangelerscheinungen. Phosphorverbindungen versorgen unter anderem die Muskeln mit Energie, stabilisieren Zähne und Knochen und geben der Erbsubstanz DNA Struktur.
Großtechnische Kreislaufwirtschaft
Angesichts der essenziellen Bedeutung von Phosphor ist es nur schwer nachvollziehbar, warum die Menschheit so verschwenderisch damit umgeht – zum Beispiel beim Düngen. Ackerpflanzen nehmen den ihnen zugedachten Phosphatdünger oftmals nur zu einem Bruchteil auf, denn das Gros der Bauern düngt nach dem Grundsatz „Viel hilft viel“. Den Überschuss spült der Regen in das nächstgelegene Gewässer, wo der sonst so segensreiche Stoff zur tödlichen Gefahr für Wassertiere und -pflanzen wird. Noch weit größere Verluste verursacht jedoch die menschliche Verdauung. Etwa 1,8 Gramm Phosphor scheidet jeder Mensch pro Tag aus. Über die Toilette gelangt dieser in die Kläranlagen, wird dort aus dem Abwasser herausgeholt und endet im Klärschlamm, der heutzutage oft verbrannt und deponiert wird – mitsamt dem kostbaren Nährstoff.
Noch bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts verfuhr man ganz anders. Damals galt Klärschlamm, eine Jauche aus Fest- und Flüssigstoffen, die neben Phosphor auch Stickstoff und andere Nährstoffe enthält, als wertvoller Dünger, in dem alles steckt, was Pflanzen zum Wachsen und Gedeihen brauchen. Ein Stoff also, der wie geschaffen schien, das Urmodell der kleinbäuerlichen Kreislaufwirtschaft auf industrielle Größenordnungen zu übertragen. Klärschlamm düngte die Äcker, deren Feldfrüchte die Menschen verspeisten. Waren diese verdaut, rauschten die Überreste via Toilette in die Kläranlage und wurden dort wieder zu Klärschlamm – der Kreislauf war geschlossen.
Schwermetalle und Chemikalien
Das ging gut, bis man feststellte, dass im Klärschlamm nicht nur nährende Substanzen stecken, sondern auch Giftstoffe. Denn neben dem Bodensatz aus Toilettenabwasser enthält er auch einen Chemiecocktail aus häuslichen und gewerblichen Abwässern. Man fand giftige Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber; Stoffe also, die auf Äckern, deren Früchte als Nahrung dienen sollen, nichts zu suchen haben. Heute regeln Düngemittel- und Klärschlammverordnung, wie stark Klärschlammdünger belastet sein darf. Seitdem ist der Schwermetall-Gehalt laut Bundesumweltministerium um über 90 Prozent gesunken. Erst kürzlich wurde die Klärschlammverordnung nochmals verschärft.
Trotzdem will die Bundesregierung das Düngen mit Klärschlamm bis 2025 ganz verbieten. Die Risiken umwelt- und gesundheitsgefährdender Stoffe seien nicht absehbar, sagt Andrea Roskosch vom Umweltbundesamt (UBA). Neben Schwermetallen und Chemikalien enthalte Klärschlamm auch Mikroplastik, Krankheitserreger, Arzneimittelrückstände und anderes mehr: „Manches davon wird weder von der Düngemittel- noch von der Klärschlammverordnung erfasst“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Es bestehe die Gefahr, dass solche Stoffe sich im Boden anreicherten und über die Pflanzen in die Nahrungskette gelangten.
Recycling in der Kläranlage
Stattdessen soll recycelt werden. In den 1,8 Millionen Tonnen Klärschlamm, die pro Jahr in kommunalen Kläranlagen anfallen, steckt genug Phosphor, um den Mineraldüngerbedarf Deutschlands zur Hälfte zu decken, hat das UBA errechnet. Um den Nährstoff zurückzugewinnen, gibt es im Wesentlichen zwei Wege: Entweder man holt ihn direkt aus dem Schlamm oder – nach dessen Verbrennung – aus der Asche. Welche Methode sich durchsetzen wird, ist offen. In Deutschland laufen schon seit einigen Jahren Versuchsanlagen. Einige davon seien bereits über das Pilotstadium hinaus und produzierten Recyclingphosphor im großtechnischen Maßstab, sagt Andrea Roskosch.
Seit Inkrafttreten der neuen Klärschlamm-verordnung läuft für Städte und Gemeinden der Countdown. Für solche mit 100.000 und mehr Einwohnern wird die Rückgewinnung ab 2029 verpflichtend; für kleinere ab 50.000 Einwohnern drei Jahre später. Ob bis dahin die Preise für Recyclingphosphor auf dem Weltmarkt mithalten können, steht in den Sternen. Solange das nicht der Fall ist, wird sich die Mineraldüngerindustrie weiterhin der natürlichen Quellen bedienen. Die Crux dabei: Die meisten der weltweiten Phosphorvorkommen sind mit Uran und Cadmium verunreinigt. In Rohphosphat aus Marokko beispielsweise, das über ein Drittel der nutzbaren Weltvorräte stellt, wurden Urangehalte von 71 bis 245 mg/kg gemessen.
Hartmut Netz
Kommentar von NABU-Ressourcenexperte Dr. Benjamin Bongardt
„Klärschlamm: eklig, aber wertvoll ‒ diese Bewertung ist überholt. Seit vielen Jahren ist unser Abwasser Senke für Haushaltschemikalien, Mikroplastik sowie Ausscheidungen mit Hormon- und Medikamentenrückständen. Die Qualität des eigentlich wertvollen Düngers nimmt in unserer Industriegesellschaft immer weiter ab. Gut, dass mit der neuen Klärschlammverordnung der Einstieg in die Schadstoffentfrachtung geschafft werden kann – schlimm, dass die Mitverbrennung in breitem Ausmaß erlaubt bleibt. Denn Klärschlammaschen können als Dünger genutzt werden, eine Mischung aus Rückständen verbrannter Kohle und Abfälle aber ist wertlos, eventuell gefährlich und verschwendet unnötig die natürlichen Ressourcen, die in unserem Abwasser stecken. Dass die Übergangszeiten gesetzlich großzügig ausgestaltet sind, sollte die Kommunen nicht zum Zurücklehnen verführen. Im Gegenteil, sie sollten den Spielraum nutzen, kluge gemeinwohlorientierte und ressourcenschonende Verwertungspfade aufzubauen.“
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