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Für mehr Artenvielfalt auf Wiesen und Weiden
Grünland ist einer der artenreichsten Lebensräume in Deutschland, aber er ist bedroht. In Deutschland ist Grünland, also Wiesen und Weiden, fast immer durch die Nutzung des Menschen entstanden und muss genutzt werden, um erhalten werden zu können.
Weltweit werden 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen als Grünland zur Produktion von Gras und anderen Pflanzen als Nahrung für Rinder, Schafe, Ziegen und weitere Tiere genutzt. In Deutschland liegt dieser Anteil bei 28,5 Prozent.
Seit Jahren nimmt die Vielfalt der Arten im Grünland ab, blühende Wiesen voller Bienen und Schmetterlinge und artenreiche Weiden mit Kühen und Staren verschwinden. Der NABU fasst deshalb in seinem Grünland-Positionspapier Forderungen an eine naturverträgliche Grünlandnutzung zusammen und stellt dar, warum sich das Grünland in einem schlechten Zustand befindet und welches Potenzial es hat.
Verschlechterung des Zustands von Wiesen und Weiden
Die Situation des Grünlands in Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren deutlich verschlechtert. Zwischen 1990 und 2013 hat die Grünlandfläche durch Umwandlung in Ackerland und Bebauung um fast 600.000 Hektar abgenommen und stagniert seitdem auf niedrigem Niveau (4,73 Millionen Hektar, Stand 2021, das sind elf Prozent weniger als 1991). Dennoch wird nach wie vor wertvolles Grünland in Ackerland umgewandelt oder es fallen Wiesen und Weiden der Versiegelung zum Opfer. Die Erstaufforstungsprämie der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU verschärft diese Problematik noch, da vor allem extensive, ertragsarme Grünlandstandorte für die Aufforstung genutzt werden.
Die ökologische Qualität des Grünlands verschlechtert sich dabei weiter. Weniger als zehn Prozent der EU-rechtlich geschützten Grünland-Lebensraumtypen sind in einem günstigen Zustand, 75 Prozent weisen negative Trends auf. Auch die Grünlandbiotoptypen sind zu über 80 Prozent in einem schlechten Zustand, 30 Prozent gelten sogar als von vollständiger Vernichtung bedroht. Die EU-Kommission hat deshalb 2019 aufgrund einer NABU-Beschwerde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
NABU-Kurs
"Extensives Grünland fördern und bewirtschaften – Basiswissen"
Naturverträglich bewirtschaftetes Grünland verschwindet immer mehr und damit eines der artenreichsten Ökosysteme in Mitteleuropa. Hier erfährst du, was Grünland genau ist und was die Unterschiede zwischen Intensiv-, Extensivgrünland und Brachen sind. Du erhältst Informationen zur Förderung und Bewirtschaftung des Extensivgrünlands. In diesem Kurs lernst du außerdem, was du (z.B. in einer NABU-Gruppe) tun kannst, um Extensivgrünland zu erhalten. Schwerpunkt des Kurses ist die Mahd, also das Mähen des Grünlandes. Daneben lernst du aber auch erste wichtige Eckpunkte zur naturverträglichen Beweidung kennen.
Zum NABU-KursGründe für den schlechten Zustand
Der schlechte Zustand des Grünlands geht meist auf eine zu intensive Nutzung mit häufiger, meist großflächiger, Mahd ohne Ruheintervalle zurück. Dazu kommen die Entwässerung von Moorgrünland, intensive Düngung, fehlende Strukturen wie Altgrasflächen und andere Rückzugsräume in immer mehr „vereinheitlichten“ Flächen sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Belastung durch Medikamente aus der Tierhaltung.
Auf Flächen, auf denen eine Grünlandnutzung nicht rentabel ist oder sich die Landwirtschaft ganz zurückzieht, kommt es zur Verbuschung, mit entsprechendem Rückgang der grünlandtypischen Artenvielfalt. Ein entscheidender Faktor ist auch der Rückgang der Weidehaltung, besonders in den für den Naturschutz besonders günstigen Ausprägungen.
Leitbild des NABU für das Grünland der Zukunft
Unser Ziel ist ein Grünland, das in seiner Zusammensetzung aus Pflanzen- und Tierarten dem nahe kommt, was am jeweiligen Standort auf Grund der Geologie, des Bodens, der Wasserverhältnisse, des Lokalklimas und anderer abiotischer Bedingungen ursprünglich zu erwarten ist. Alle EU-rechtlich geschützten Lebensraumtypen und Arten des Grünlands wären so in einem günstigen Erhaltungszustand.
Unser Grünland der Zukunft ist in seiner vertikalen und horizontalen Strukturierung vielfältig: überständige Gräser und Stauden aus vorangegangenen Vegetationsperioden und Bereiche mit unterschiedlich hohem Bewuchs bieten Kleinstlebewesen Lebensraum und Nahrung. Vögel wie das Braunkehlchen finden Singwarten.
Die Grünlandbiotope in Deutschland sind in unserem Leitbild miteinander vernetzt. Insbesondere entlang von Fließgewässern sichert der Biotopverbund die Stabilität von Populationen.
Weidetiere wie Auerochsen und Wisente oder heute verbreitete Rinder, Hauspferde und Schafe gehören zu den Ökosystemen des Grünlands. Ihr Dung bildet die unverzichtbare Basis der Nahrungskette für zahlreiche angepasste Arten, die wiederum ihrerseits für teilweise stark spezialisierte, aber auch für weit verbreitete Arten die Nahrungsgrundlage bilden.
Weidetiere erhalten die Möglichkeit zum Weidegang. Zur Gewinnung von Winterfutter ist eine faunaschonende Mahd mit Ruheintervallen zur Entwicklung von Bodenbrütern notwendig. Die Mahd findet kleinräumig und gestaffelt statt, sodass ein Mosaik unterschiedlicher Nutzungen entsteht.
Neben der Biodiversität liefert unser „Grünland der Zukunft“ eine Vielzahl verschiedener Umweltleistungen: Die meisten Moorböden in Deutschland wurden durch Wiedervernässung von Quellen wieder zu Kohlenstoffsenken. Wiesen und Weiden entziehen der Atmosphäre Treibhausgase und speichern sie in Form von Humus, sie kühlen und schützen die Böden und stabilisieren den Wasserhaushalt.
Von diesem idealen Zielbild sind wir jedoch noch weit entfernt. Doch es besteht durchaus die Möglichkeit, die großen Potenziale des Grünlands zu heben und uns diesem Leitbild in den nächsten Jahren mit großen Schritten zu nähern.
Potenziale des Grünlandes
Extensiv genutzte Wiesen und Weiden können „Hot-Spots“ der Biodiversität sein: Mehr als die Hälfte aller höheren Pflanzenarten in Deutschland leben auf Wiesen und Weiden, mehr als die Hälfte der Insekten sind an das Offenland angepasst und somit direkt oder indirekt an Wiesen und Weiden gebunden. Auch Wiesenvögel wie Uferschnepfe, Wachtelkönig, Schafstelze und Kiebitz benötigen das Grünland als Lebensraum.
Grünland kann zudem vor den Auswirkungen von Extremereignissen der Klimakrise schützen, indem es Hochwasser abmildert und die Auswirkungen von Dürreperioden abpuffert. Es filtert Wasser und schützt den Boden vor Erosion. Und Grünland ist Klimaschützer: unter Grünland wird deutlich mehr Kohlenstoff gespeichert als unter Ackerland.
Grünland als Klimaschützer
Grünland kann durch Kohlenstoffspeicherung zum natürlichen Klimaschutz beitragen – und wurde dabei lange unterschätzt. Auf mineralischen Böden dient Grünland dem Klimaschutz, weil es durch die intensive Durchwurzelung und die geringere Bodenbearbeitung eine höhere Humusschicht unter der Grasnarbe bildet und deshalb Kohlenstoff speichern kann – und zwar mehr als Ackerland. Grünland auf organischen Böden verliert hingegen durch die (Teil-)Entwässerung, die für die Nutzung als Grünland oder Ackerland notwendig ist, Kohlenstoff. Werden entwässerte Moorböden wieder vernässt, wird dadurch die Freisetzung von Klimagasen aus dem Abbau des Torfkörpers verhindert. Wenn es gelingt, dass wieder organischer Masse aufgebaut wird, werden diese Böden wie das Grünland auf mineralischen Böden zu sehr wichtigen Klimaschützern.
Der Bodenbericht des Thünen-Instituts (2018) zeigt, dass Böden in Deutschland unter Ackerland im Schnitt 100 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, unter Grünland das Doppelte (200 Tonnen Kohlenstoff mit Moorböden, ansonsten 140 Tonnen) speichern. Die Modelle zeigen keinen Verlust des organischen Kohlenstoffs in mineralischen Böden unter Grünland im Gegensatz zu Ackerland. Zur zusätzlichen Speicherung von Kohlenstoff im Boden wird nachhaltig bewirtschaftetes Grünland benötigt, besonders eine mittlere Nutzungsintensität trägt zur Anreicherung von Kohlenstoff bei.
Das Grünland auf mineralischen Böden ist also einer der großen terrestrischen Kohlenstoffspeicher und kann in vielen Fällen als Kohlenstoffsenke dienen. Eine Umwandlung von Ackerland in Grünland kann langfristig 730 Kilogramm organischen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr aufbauen und ist somit eine effektive Klimaschutzmaßnahme.
Eine besonders hohe Kohlenstoffspeicherung findet übrigens in der Agroforstwirtschaft statt, vor allem in den Streuobstwiesen mit ihren teils weit über 100-jährigen Bäumen.
Die Wurzeln von heute sind der Humus von morgen
Im Dauergrünland sind mindestens 80 Prozent des Humus wurzelbürtig – er stammt aus Wurzelexsudaten und Verrottung von Wurzeln durch die Arbeit von (Mikro)-Organismen. Das Potenzial zur Humusbildung hängt wesentlich davon ab, wie lange Böden während eines Jahres von Pflanzen bewachsen werden, von der Länge der Vegetationsperiode und von der Wurzelqualität der Pflanzen. Deshalb ist besonders das Dauergrünland zur Humusbildung geeignet, denn es bedeckt den Boden dauerhaft und verfügt über eine lange Vegetationsperiode. Hinzu kommt die Qualität seiner Wurzeln.
Das hohe Bodenbildungspotenzial von Dauergrünland liegt nicht nur an der schieren Biomasse seiner Wurzeln, sondern entscheidend an deren Qualität: Gräser haben überwiegend die besonders zur Bodenbildung beitragenden Feinwurzeln. Insbesondere für das Dauergrünland gilt deshalb zusammengefasst: „Die Wurzeln von heute sind der Humus von morgen“. Im artenreichen Grünland ist die Biomasse der Feinwurzeln höher als in artenarmen Beständen.
Die ökologische Bedeutung von Beweidung
Biotopflege und Förderung der Artenvielfalt:
Weidetiere verhindern Verbuschung und tragen somit zur Offenhaltung der Landschaft und damit zu einem artenreichen Lebensraum bei. Für Magerrasen oder Heiden sind zum Beispiel Schafe wichtige Weidetiere und gleichzeitig effektive Samenausbreiter.
Der Tritt der Weidetiere, besonders von Rindern und Pferden, und die Bereitstellung von Offenboden durch Wälzen oder Trittwege, fördert bei angepasster Besatzdichte die Artenvielfalt. Durch die Verletzungen der Grasnarbe entstehen Mikrohabitate, die von Pionierarten und weiteren Arten, wie zum Beispiel typischen Auenwiesenarten, besiedelt werden können.
Weidetiere verbeißen bei passender Besatzsichte und einem artenreichen Pflanzenangebot selektiv, sodass anderen, zu diesem Zeitpunkt verschmähten Pflanzen, mehr Licht verschafft wird. Eine weitere Mikrostrukturierung einer Weide erfolgt durch Effekte, die Mikroorganismen im Speichel sowie die Zunge der Weidetiere bei den abgefressenen Pflanzen auslösen, zum Beispiel die Anregung des Wachstums von Gräsern.
Nahrung und Energie:
Unverzichtbar ist zudem der (von Antibiotika und Entwurmungsmittel unbelastete) Dung der Weidetiere für Nahrungsketten: Die Fladen einer einzelnen Kuh bieten pro Jahr Futter für über 100 kg Insektenbiomasse und tragen damit zum Überleben von Vögeln und weiteren Tieren in der Nahrungskette bei.
Genetische Vielfalt und Ausbreitung:
Alle Weidetiere sind – mehr oder weniger – natürlicherweise wandernde Tiere. Damit ist ihre Bedeutung als natürlicher Ausbreitungsvektor für Pflanzensamen (Zoochorie) verbunden. Neben dem reinen Transport durch Anhaftung auf ihrer Körperoberfläche (Epizoochorie) ist für manche Pflanzensamen die Darmpassage die Voraussetzung für ihre Keimung (Endozoochorie) und der mitausgeschiedene Kot dann häufig ihr Dünger. Durch eine Wanderung der Tiere können auch Habitate wie Feldraine, die nicht zum Grünland gehören, miteinander vernetzt werden. Bei Schafen spielt bis heute, im Gegensatz zu vielen anderen Arten, die Wanderhaltung noch eine Rolle.
Forderungen des NABU
Um die Potenziale des Grünlands für den Natur- und Klimaschutz ausschöpfen zu können, muss die Grünlandfläche in Deutschland wieder erhöht werden. Wir benötigen flurnahe Wasserstände auf Moorstandorten, wo immer das möglich ist. Wir brauchen eine Beweidung, bei der die Anzahl der Tiere, aber auch das Weidemanagement (also Standort, Beweidungszeitpunkt, Beweidungsdauer, Besatzdichte, Tierarten) an die vorhandene Grünlandfläche angepasst sind. Mahd muss im Sinne der Biodiversität und faunaschonend erfolgen.
Die Politik muss für diese „Grünlandwende“ die richtigen Rahmenbedingungen setzen und Anreize dafür bieten, dass sich wieder eine größere Vielfalt von unterschiedlichen Nutzungsarten entwickeln kann.
Im Grünland-Positionspapier werden in diesem Zusammenhang eine Reihe von zentralen Forderungen an EU, Bund und Länder dargestellt. Diese basieren auf vier Kernforderungen:
-
Förderpolitik attraktiv gestalten:
Attraktive finanzielle Anreize zum Schutz von Wiesen und Weiden schaffen, die auch auf naturschutzfachlich wertvollen Flächen Wertschöpfung ermöglichen. -
Ordnungsrecht entwickeln und Vollzugsdefizit beheben:
Ökologische Mindeststandards für das Grünland und Durchsetzung des EU-Rechts (Verbesserung des Erhaltungszustands von Arten und Lebensraumtypen) sowie eine gesetzliche Festlegung einer flächengebundenen Tierhaltung. -
Naturverträgliche Beweidung ausweiten:
Entwicklung, Erprobung und Förderung angepasster Weidesysteme. -
Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren zügig umsetzen:
Durch einen Instrumentenmix aus Förderung der nassen Bewirtschaftung, Flächenkauf und Entwicklung neuer Absatzmöglichkeiten für Produkte aus der nassen Bewirtschaftung.
Das Positionspapier zum Download
Acker und Grünland sind wichtige Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen. Doch die Qualität dieser Lebensräume hat sich massiv verschlechtert. Schuld daran ist die anhaltende Intensivierung der Landwirtschaft, die nur noch wenigen Arten Platz bietet. Mehr →
Eine Beweidung und die damit einhergehende Offenhaltung von Flächen ist vielerorts Voraussetzung dafür, dass sich bestimmte Arten ansiedeln und überleben. Sie wiederum fördern die Qualität des Grünlandes. Mehr →
In einem mehrjährigen Projekt haben sich Wissenschaftler Vegetationsaufnahmen aus den 1950ern und 1960ern vorgenommen und rund 1.000 Flächen neu untersucht. Dabei stellten sie fest, dass artenreiches Grünland auf frischen bis feuchten Böden um 85 Prozent abgenommen hat. Heute dominieren artenarme, intensiv gedüngte Grünländer. Mehr →