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Mit gezielten Maßnahmen ließe sich der Artenschwund in der Agrarlandschaft aufhalten
Das klingt erst mal gewöhnungsbedürftig: Getreide wird mit mindestens 30 Zentimeter Reihenabstand angebaut – das ist das Zwei- bis Dreifache wie üblich. Zwischen die Getreidereihen kommt eine blühende Untersaat aus stickstoffsammelnden Leguminosen wie Inkarnatklee oder Hornklee, dazu einige weitere Arten wie etwa Ringelblumen. Die Grundidee nennt sich „Weite-Reihe-Getreide mit blühender Untersaat“ und wurde vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität zusammen mit dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft erprobt.
Für Feldhase und Rebhuhn
Der NABU hat daraus nun eine von sieben Maßnahmenvorschläge zum „extensiven Ackerbau für die Biodiversität“ entwickelt, die hohe Steigerungen der Artenvielfalt mit guten wirtschaftlichen Perspektiven verbinden. Zum Einsatz sollen diese im Rahmen sogenannter Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) kommen, die die Bundesländer zur Umsetzung der EU-Agrarpolitik einführen müssen. Landwirt*innen werden für die Teilnahme an AUKM finanziell gefördert.
Ziel des Weite-Reihe-Getreide ist es, mit dem Blühangebot Offenlandvogelarten wie Feldlerche und Rebhuhn zu helfen. Auch wird damit Nahrung und Deckung für überwinternde Tiere wie Feldhasen geschaffen, erläutert NABU-Landwirtschaftsexperte Pierre Johannes. Die Untersaat wirkt keimhemmend, verhindert also das Aufkommen unerwünschter Unkräuter. Sie ersetzt zudem den Umbruch und die Ansaat der Zwischenfrucht im Herbst. Der Getreideertrag liegt nach Auswertung erster Versuche bei etwa 80 Prozent von Normalsaaten, wobei die Untersaat zusätzliche Erträge von einer bis zwei Tonnen pro Hektar bringt.
Artenschwund im Eiltempo
Notwendig sind solche Überlegungen, weil die „gute fachliche Praxis“ der modernen Landwirtschaft die Artenvielfalt und die Bestände vieler Tier- und Pflanzenarten immer weiter schrumpfen lässt. Viele Arten haben sich erst durch die Landwirtschaft früherer Jahrhunderte und die dadurch entstandenen offenen und halboffenen Landschaften bei uns ausbreiten können. Doch inzwischen passiert genau das Gegenteil, noch dazu wie im Zeitraffer.
In den Worten der von der Bundesregierung eingesetzten Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL): „Die Landbewirtschaftung hat zur Diversifizierung von Lebensräumen und damit zur Entstehung komplexer Agrarökosysteme beigetragen. Ihre moderne beziehungsweise hoch technisierte Ausprägung hat durch die Vergrößerung landwirtschaftlicher Bewirtschaftungseinheiten jedoch zum Verlust von Strukturen und Lebensräumen – zum Beispiel Hecken, Säume, Feldgehölze – und so zur Monotonisierung ganzer Landschaften mit erheblichen Auswirkungen auf Biodiversität, Naturhaushalt und Landschaftsbild geführt.“
Erhöhte Bewirtschaftungsintensität
Die ZKL weiter: „In Kombination mit einem steigenden Intensitätsniveau der Bewirtschaftung, mit Nährstoffeinträgen und Pflanzenschutzmitteleinsatz, mit der Umwandlung oder der erhöhten Bewirtschaftungsintensität von Grünland, mit der Aufgabe von ungünstigen Standorten führt diese Verarmung – im Widerspruch zu allen Arten- und Naturschutzzielsetzungen – zu teilweise dramatischen Verlusten bei biologischen Arten und Populationen.“
Am besten untersucht ist das bei Insekten und Vögeln. Über den Absturz von Kiebitz – um unglaubliche 93 Prozent in nur 40 Jahren – oder Rebhuhn haben wir in dieser Zeitschrift schon öfter berichtet. Dieser Trend ist leider ungebrochen. Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gibt es bereits seit einiger Zeit, aber unterm Strich sind sie bisher zu schwach ausgestattet, um mehr als punktuelle Wirkungen zu erzielen.
Am Rand des Aussterbens
„Wiesenvogelarten, wie Bekassine, Uferschnepfe oder Brachvogel, die früher ganze Landstriche charakterisierten, sind heute ausnahmslos ‚Vom Aussterben bedroht‘ “, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer bei der Vorstellung der neuen Roten Liste der Brutvögel. Mit der Sperbergrasmücke, Feldschwirl und Rotschenkel sind weitere Arten dieser Lebensräume in der Roten Liste hochgestuft worden. Viele Arten erleiden in der Agrarlandschaft, die annähernd die Hälfte der Fläche Deutschlands ausmacht, massive Bestandsrückgänge, die sich noch gar nicht in der Liste abbilden. So sind die Bestände vieler ehemals sehr häufiger Vogelarten, wie Star oder Feldlerche, massiv zurückgegangen.
„Gemäß den Zielen der neue EU-Biodiversitätsstrategie sollen 30 Prozent aller gefährdeten Arten bis 2030 in einen guten Erhaltungszustand gebracht werden. Ähnliche Ziele gab es bereits für 2010 und 2020 und wurden glatt verfehlt“, mahnt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Angesichts vielfältiger Gefährdungsursachen muss ein ganzes Bündel von Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Neben einer Verringerung von Dünger- und Pestizideinsatz ist der Wiederaufbau von Landschaftsstrukturen entscheidend. Das schließt auch den Ökolandbau ein. Der Artenvielfalt nutzt es nur begrenzt, wenn auf hundert Hektar großen Ackerschlägen zwar kein Gift gespritzt wird, aber ein Netz von Hecken, Rainen und Kleingewässern fehlt.
Lebenswichtige Strukturvielfalt
Von den bewirtschafteten Flächen kann vor allem Grünland, also Wiesen und Weiden, einen hohen Naturschutzwert haben. Insgesamt kommt es aber hauptsächlich auf die ungenutzten Flächen an. Wo konventionell gearbeitet wird, muss es zudem Pufferflächen geben. So zeigt eine NABU-Studie, dass Gewässerrandstreifen möglichst 20 Meter breit sein müssen, um etwa für Insekten volle Wirkung zu erzielen. Zehn Meter als Pufferstreifen wegen des Eintrags von Nähr- und Schadstoffen und weitere zehn Meter als unbelasteter Lebensraum. Während Larven von Libellen, Eintagsfliegen oder Köcherfliegen im Wasser selbst vorkommen, bietet der Uferbereich den ausgewachsenen Exemplaren dieser Gruppen Lebensraum. Sind Gewässerrandstreifen ausreichend begrünt, finden auch viele ausschließliche Landbewohner wie Laufkäfer, Ameisen oder Blattkäfer hier ein Zuhause.
Wie komplex die Ansprüche vieler Arten sind, auch über die Agrarbiotope hinaus, zeigt die Turteltaube, deren Zahl um 90 Prozent abgenommen hat. Die Turteltaube ernährt sich fast ausschließlich pflanzlich und muss täglich trinken. Der Vogel des Jahres 2020 mag Lebensräume mit einem häufigen Wechsel von Wald und Offenlandschaft, in der er Wildkräutersamen und Gewässer findet. Ihr Nest baut die Turteltaube gern an Waldrändern. Wichtig sind eine hohe Dichte an Wildkräutern, Baumstrukturen und Zugang zu Wasser.
Für die Turteltaube maßgeschneidert
Auch für die Turteltaube hat der NABU eine AUKM entwickelt (PDF). Dabei sind im Rahmen einer fünfjährigen Verpflichtung mehrjährige Schonstreifen zwischen 6 und 30 Metern Breite an Waldrändern oder Feldgehölzen anzulegen und nach bestimmten Bedingungen – keine Pestizide, keine Düngung, vorgegebener Bewuchs – zu bewirtschaften. Falls sich in 300 Metern Umkreis keine Wasserstelle befindet, sollen nach Möglichkeit zusätzlich Kleingewässer angelegt werden.
Das ist ganz schön viel Aufwand, der entsprechend vergütet werden muss. Dafür profitieren aber ebenso Feldvogelarten wie Ortolan, Goldammer, Grauammer, Heidelerche oder Rotmilan. Der vorgeschriebene hohe Anteil offener Bodenflächen in den Schonstreifen kommt zudem Wildbienenarten, Solitärwespen, Ameisen und Laufkäfern zugute.
Das wichtigste Ergebnis einer neuen Literaturstudie im Auftrag des NABU: Entscheidend für die Artenvielfalt der Insekten und die Leistung als Pufferzone zum Gewässer ist die Breite der Gewässerrandstreifen. Mindestens 20 Meter sind für einen effektiven Insektenschutz notwendig. Mehr →
In einem mehrjährigen Projekt haben sich Wissenschaftler Vegetationsaufnahmen aus den 1950ern und 1960ern vorgenommen und rund 1.000 Flächen neu untersucht. Dabei stellten sie fest, dass artenreiches Grünland auf frischen bis feuchten Böden um 85 Prozent abgenommen hat. Heute dominieren artenarme, intensiv gedüngte Grünländer. Mehr →
Die schlechte Nachricht der Studie des Dachverbands Deutscher Avifaunisten ist schon lange bekannt: Die Agrarvogelbestände sinken dramatisch. Die neue und gute Nachricht ist: Mit mehr Brachflächen und mehr Grünland könnten sich die Bestände unserer Feldvögel wieder erholen. Mehr →
Durch Ackerbau und Beweidung schufen Landwirte über Jahrhunderte eine Kulturlandschaft, die einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen Lebensraum zur Verfügung stellte. Die heutige Intensivierung der Landwirtschaft gefährdet dieses Erbe. Mehr →