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Jetzt spenden!Europäischer Gerichtshof: Deutschland wird verurteilt
Zu wenig Schutz für artenreiche Wiesen
14. November 2024 - Der Zustand des artenreichen Grünlands im Natura-2000-Schutzgebietsnetz verschlechtert sich bundesweit immer weiter. Daher wurde Deutschland heute vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verurteilt. Die Klage geht auf eine NABU-Beschwerde aus dem Jahr 2014 zurück.
Die Richter*innen begründen ihr Urteil damit, dass hierzulande keine effektiven Schutzmaßnahmen getroffen werden, um diese Verschlechterung abzuwenden. Durch die Umwandlung von Grünland in Acker sowie zu starke Düngung und häufiges Mähen sind seit 2006 etliche Flachland- und Berg-Mähwiesen verloren gegangen. Laut Urteil muss Deutschland jetzt glaubhaft nachweisen, wie es diese Wiesen zukünftig besser schützen will. Andernfalls drohen empfindliche Geldstrafen. Bereits im September 2023 wurde Deutschland in einem anderen Fall vom EuGH verurteilt, da es in seinen Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebieten gegen EU-Naturschutzrecht verstoßen hat.
Es ist ein alarmierender Weckruf für den Naturschutz hierzulande, der weit über den konkreten Fall hinausgeht. Wo sollen gefährdete Arten überleben und bedrohte Lebensräume erhalten werden, wenn nicht in unseren Schutzgebieten?
Jörg-Andreas Krüger
NABU-Präsident
„Wieder wird Deutschland vor dem EuGH verurteilt, weil es seine Schutzgebiete dramatisch vernachlässigt. Es ist ein alarmierender Weckruf für den Naturschutz hierzulande, der weit über den konkreten Fall hinausgeht”, betont NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Denn wo sollten gefährdete Arten überleben und bedrohte Lebensräume erhalten werden, wenn nicht in unseren Schutzgebieten? Die Mängel seien bekannt, die notwendigen und rechtlich gebotenen Maßnahmen klar. „Jetzt braucht es den nötigen Mut und Willen, die für unser Überleben wichtigen Lebensräume zu schützen.”
Der NABU fordert Bund und Länder auf, dem Artenverlust in Schutzgebieten in Deutschland entschieden entgegenzutreten. Konkret fordert er einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura 2000-Gebiete. Hierfür müssen Bund und Länder die notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Für die Agrarlandschaft ist deswegen auch in der EU-Agrarpolitik eine attraktive Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen wie dem Schutz von artenreichen Wiesen dringend nötig.
Es braucht besseren Schutz für artenreiches Grünland
Hintergrund dieser Klage war der unzureichende Erhalt von artenreichen Mähwiesen in Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH), die Teil des EU-Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind. Nach EU-Recht darf sich der Zustand der geschützten Arten und Lebensräume in diesen Gebieten nicht verschlechtern. In den deutschen FFH-Gebieten sind jedoch rund 18.000 Hektar Mähwiesen verschwunden. Schuld daran sind die intensive Nutzung, die Umwandlung von Grünland in Acker sowie Überdüngung und Pestizideinsatz.
Mähwiesen sind mit ihrer Vielzahl an Kräutern und blühenden Pflanzen ein wichtiger Lebensraum bedrohter Tierarten, wie zum Beispiel den Schmetterlingen Schwalbenschwanz und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Der NABU drängt seit Jahren darauf, artenreiches Grünland besser zu schützen und dafür eine ausreichende Honorierung für Landwirt*innen bereitzustellen.
In den letzten Jahrzehnten sind viele wertvolle Mähwiesen jedoch komplett verloren gegangen oder ihr Zustand hat sich so stark verschlechtert, dass die typischen Pflanzenarten nicht mehr zu finden sind. Immer wieder sitzt Deutschland wegen dem unzureichenden Schutz der Natura-2000-Gebiete auf der Anklagebank.
NABU-Forderungen
Es braucht:
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Einen durch den Bund koordinierten Aktionsplan Schutzgebiete mit verbindlichen und spezifischen Zielen und Maßnahmen für alle Natura-2000-Gebiete.
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Für Mähwiesen bedeutet das klare Bewirtschaftungsvorschriften, die bei Bedarf durch die untere Naturschutzbehörde an regionale Gegebenheiten angepasst werden können.
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Obergrenzen für Düngemengen und Mahdhäufigkeit auf Grundlage der für Mähwiesen empfohlenen Bewirtschaftung
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Für die gemeinsame Umsetzung mit der Landwirtschaft, sowie die Kontrolle braucht es vor allem genügend Fach- und Verwaltungspersonal in den zuständigen Behörden und durchführenden Institutionen. Dafür braucht es eine Qualifizierungsoffensive.
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Nachvollziehbare und mit quantitativen Daten hinterlegte, regelmäßige Erfassung von Grünlandlebensräumen mit dem Fokus auf Mähwiesen als Grundlage für effektives Monitoring.
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Die gezielte Ausweitung von wirksamer Agrarförderung (Ökoregelungen und AUKM) zur Finanzierung. Dies können zuum Beispiel ergebnisorientierte Maßnahmen wie ambitionierte Kennartenprogramme sein.
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Konsequente Ausrichtung der agrarpolitischen Rahmenbedingungen auf den Erhalt und die Wiederherstellung der Lebensräume durch:
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Ein wirksames Düngerecht, welches sich an der Vermeidung von Überschüssen orientiert.
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Eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die sich an den gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft orientiert und nachhaltige Nutzung honoriert.
Die rechtlichen Schritte seitens der EU
September 2024: Drohende EuGH-Verurteilung: Artenverlust in Schutzgebieten kommt uns teuer zu stehen
05. September 2024 – Durch den Schlussantrag des Generalanwalts rückt die Verurteilung Deutschlands immer näher. Der Generalanwalt empfiehlt dem Gericht festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland allgemein und strukturell gegen die Habitatrichtlinie verstoßen hat. Und somit im Allgemeinen nicht genügend Maßnahmen ergreift, um artenreiches Grünland adäquat zu schützen. Damit steigt der Druck, endlich verbindliche Maßnahmen einzuführen und zu vollziehen.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger betont: „Seit mehr als 30 Jahren vernetzt Natura-2000 Schutzgebiete in ganz Europa und garantiert so den Austausch unserer vielfältigen Arten. Doch hierzulande weist das Netz etliche Löcher auf. Es wäre ein Armutszeugnis, sollte Deutschland nun erneut vor dem EuGH verurteilt werden.“ Die Mängel seien bekannt, die notwendigen Maßnahmen klar. Jetzt brauche es den nötigen Mut und Willen, unsere wertvollen Lebensräume zu schützen. „Wir können es uns nicht länger leisten, dem Verlust unserer Arten und Ökosysteme tatenlos zuzusehen. Denn mit jeder verlorenen Fläche verschwinden auch immer mehr heimische Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Dieser Verlust kommt unserer Natur und damit uns selbst teuer zu stehen. Nicht zuletzt sind es deutsche Steuergelder, die zur Strafe gezahlt werden müssen, wenn Deutschland seine Versäumnisse nicht zügig nachholt.“
Oktober 2020: EU-Kommission mahnt Deutschland wegen Grünlandverlust ab
30. Oktober 2020 – Heute hat die EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des Verlusts von EU-weit geschütztem artenreichen Grünland in Natura-2000-Gebieten den Druck erhöht. Diese sogenannte „Begründete Stellungnahme“ zeigt, dass die EU-Kommission die bisherigen Bemühungen Deutschlands zum Schutz dieser Gebiete für absolut unzureichend hält. Das Schreiben ist der letzte Schritt, bevor das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof gehen kann. Der NABU hatte 2014 eine entsprechende Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller kommentiert: „Deutschland gibt sich gerne als Musterschüler, was die Umsetzung von EU-Recht angeht. Hier zeigt sich erneut, dass die Bundes- und Landesregierungen ihre Hausaufgaben nicht einmal ansatzweise erledigen. Und das, obwohl Deutschland wegen der EU-Ratspräsidentschaft von ganz Europa besonders beobachtet wird. Der deutschen Landwirtschaft droht nach dem Desaster im Düngerecht ein weiteres schmerzhaftes, aber leider gerechtfertigtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Wir brauchen eine Wiederherstellung der verlorengegangenen Grünland-Flächen sowie eine angepasste Bewirtschaftung mit reduzierter Mahd und weniger Düngemitteln. Das muss verbindlich geregelt und kontrollierbar umgesetzt werden.
Damit die Misere der Artenvielfalt nicht zur Misere vieler Betriebe wird, muss Angela Merkel in den laufenden EU-Haushaltsverhandlungen darauf bestehen, dass zehn Prozent aller Mittel für die Wiederherstellung der Biodiversität reserviert werden. Dies ist umso wichtiger, als es derzeit nicht nach einem grundlegenden Systemwandel bei der GAP aussieht, um hierüber betroffene Betriebe zielgerichtet zu unterstützen.“
Juli 2019: EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren ein
25. Juli 2019 - Am heutigen Donnerstag hat die EU-Kommission ein offizielles Vertragsverletzungverfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet. Und damit die Beschwerde des NABU aus dem Jahr 2014 bestätigt. Grund ist der katastrophale ökologische Zustand unserer Wiesen und Weiden. Vor allem die artenreichen Teile des so genannten Grünlands verschwinden hierzulande in rasantem Tempo. 80 Prozent der Lebensräume auf Wiesen und Weiden sind in Gefahr, 35 Prozent sogar von vollständiger Vernichtung bedroht. Die Folge: Das Insektensterben wird massiv angeheizt.
Wiesen und Weiden machen fast 14 Prozent der deutschen Landesfläche aus. Mehr als zehn Prozent von ihnen sind europarechtlich geschützt. Als Kohlenstoffspeicher sind sie im Kampf gegen die Klimakrise unerlässlich, hier leben zudem 40 Prozent aller in Deutschland auf der Roten Liste stehenden Arten. Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, in Brüssel konkrete Lösungen für den besseren Grünlandschutz auf den Tisch zu legen. Andernfalls droht im schlimmsten Fall die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof – und mögliche Strafzahlungen in Milliardenhöhe, wie aktuell beim Düngerecht.
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Acker und Grünland sind wichtige Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen. Doch die Qualität dieser Lebensräume hat sich massiv verschlechtert. Schuld daran ist die anhaltende Intensivierung der Landwirtschaft, die nur noch wenigen Arten Platz bietet. Mehr →
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