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Extensive Beweidung steigert die Artenvielfalt
Rinder und Schafe schaffen Lebensraum für Insekten und Vögel
Seit Beginn der Landwirtschaft in Europa hat der Mensch Flächen als Weiden genutzt. Viele Tiere wurden auch zur Beweidung in den Wald getrieben und haben somit das Ökosystem dort weiter offen gehalten. Die Beweidung hat auch heute noch einen entscheidenden Einfluss auf die Offenhaltung vieler Gebiete und prägt gerade in Norddeutschland mit ihren schwarzbunten Rindern das Landschaftsbild.
Beweidung und Artenvielfalt sind keine Gegensätze
Durch die Beweidung entstehen in vielen Gebieten kurzrasige Flächen, die gerne von Vögeln zur Nahrungssuche genutzt werden. So ist zum Beispiel der Star, Vogel des Jahres 2018, auf solche Flächen zur Nahrungssuche angewiesen. Aber auch andere typische Wiesenarten, wie Bachstelzen und Kiebitze bevorzugen diese Flächen. Auch der mittlerweile seltene Steinkauz benötigt nicht nur Bruthöhlen in alten Weiden oder Streuobstbäumen, sondern Flächen mit niedriger Vegetation zur Nahrungssuche.
Aber auch bestimmte Laufkäfer und Heuschrecken nutzen gern intensiv beweidete Flächen. Eine intensive Beweidung mit Schafen wirkt sich auch positiv auf die Qualität des Grünlands aus. So führt eine Beweidung mit Schafen im Frühjahr dazu, dass sich artenreichere Bestände bilden, die produktiver sind als artenarme Bestände.
Häufig entsteht durch die Beweidung ein Mosaik aus unterschiedlich intensiv genutzten Flächen, so dass es kurzrasige und langrasigen Anteile in der Weide gibt. Viele, besonders extensive genutzte, Flächen und Weiden wimmeln auch von Insekten. So konnte der Göttinger Forscher Dr. Herbert Nickel 2015 bei Untersuchungen nachweisen, dass besonders auf alten Weiden eine Unzahl an Zikadenarten zu finden ist. Dies liegt daran, dass durch die Beweidung der Aufwuchs nicht auf einen Schlag entfernt wird, sondern immer noch genug Pflanzenmaterial als Nahrung und Rückzugsraum für die Zikaden vorhanden ist. Durch die Beweidung von Ufern und Röhrichten erwärmt sich das Wasser im Frühjahr zur Laichzeit stärker. Dadurch können sich Larven und Laich schneller entwickeln. Bei einem ausreichenden Beweidungsdruck an Gewässerrändern findet zum Beispiel auch die Gelbauchunke einen Lebensraum.
Grünland-Qualität profitiert von Beweidung
Der Dung von Weidetieren ist entscheidend für das Leben auf den Weiden. Heutezutage werden viele Weidetiere aus hygienischen und tierschutzrechtlichen Gründen mit Wurmmitteln behandelt. Leider haben diese den Nebeneffekt, dass sie es kotfressenden Insekten unmöglich machen den Kot zu nutzen. Bei einem geringeren Einsatz oder sogar Verzicht auf die Medikamente entwickelt sich jedoch einen ganze Gemeinschaft von angepassten Insekten, mit Mist- und Dungkäfern als die bekanntesten Vertreter, die wiederum als Futtergrundlage für Vögel und Fledermäuse dienen. Als Kompromiss gibt es die Möglichkeit die Tiere nach der Entwurmung einige Zeit im Stall zu halten. Dies verringert auch den Parasitendruck auf der Weide und trägt zur Tiergesundheit bei. Durch die Tritte der Tiere entstehen kleinräumige Störungen und somit Lebensräume für Arten, die auf diese Störungen angewiesen sind. Dazu gehören zum Beispiel auch temporäre Gewässer, in denen sich viele Amphibien wie Kreuzkröten und Kammmolche wohlfühlen.
Hinzu kommt, dass mit Hilfe der Beweidung sensible Habitate, die maschinell nur schlecht offen gehalten werden können, pflegbar sind. So können zum Beispiel Kühe, die gerade keine Milch geben (Trockensteller), auf Feuchtgrünland weiden. Studien weisen darauf hin, dass dies sogar gesünder für sie ist und sie seltener Milchfieber bekommen. Heiden und Trockenrasen können mit Schafen und Ziegen offen gehalten werden. Durch die Beweidung in Form von Wanderschäferei, können die Schafe auch zur Vernetzung von Lebensräumen beitragen, da sich in ihrer Wolle Samen und kleine Tiere verfangen, die dann weiter transportiert werden. Durch die Nutzung angepasster alter Rassen, können diese erhalten werden und Landwirte können ein Nischenprodukt produzieren.
Deutschland mit Nachholbedarf
Heute werden vor allem Naturschutzgebiete mit Hilfe großer Weidetiere offen gehalten. Dadurch entsteht eine parkähnliche halboffene Weidelandschaft, die sehr artenreich ist und vielen bedrohten Arten einen Lebensraum bietet. Durch die extensive Beweidung entsteht ein Mosaik aus kurzrasigen Flächen, aber auch Flächen mit Stauden oder offenen Sand- und Bodenflächen. In den Niederlanden werden heute zahlreiche Schutzgebiete beweidet, insgesamt 45.000 Hektar. Auch Großbritannien, Frankreich und Spanien setzen auf dieses Naturschutzinstrument. In Deutschland gibt es inzwischen ebenfalls zahlreiche Beweidungsprojekte, darunter viele vom NABU getragene vom Geltinger Birk im Norden bis zum Bodensee im Süden. In der Fläche aber hinken wir der Entwicklung noch um Jahre hinterher. Durch diese Vielzahl von Habitaten findet sich in diesen Gebieten oft auch einen Vielzahl von Arten. Kiebitze nutzen die Flächen gerne zur Brut, Braun- und Schwarzkehlchen profitieren von höheren Grashalmen als Ansitzwarten.
Grünlandnutzung trägt außerdem zum Klimaschutz bei und in Überschwemmungsgebieten wird das Grundwasser geschont, wenn die angrenzenden Flächen als Grünland genutzt werden. Durch alle diese Leistungen fördern Weidetiere den Erhalt bedrohter Arten. Außerdem prägen sie in vielen Gegenden das Landschaftsbild und sorgen dafür, dass die Bewohner sich mit der Region identifizieren.
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