Visualisierung von verschiedenen Landschaftselementen. - Grafik: Magdalena Michalka
Was der Natur hilft, nützt auch der Landwirtschaft
Biodiversität stärken und landwirtschaftliche Produktion sichern
Die Naturkrise schreitet immer weiter voran und zeigt sich im Verlust der biologischen Vielfalt und der Belastung unserer natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und Luft. Dies hat immense Auswirkungen auf unsere Agrarökosysteme, denn sie sind auf Bestäubung, Nützlinge und Bodenfruchtbarkeit angewiesen.
In der EU-Biodiversitätsstrategie wird der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme bis 2030 festgelegt. Eine Maßnahme, um dieses Ziel zu erreichen, ist, auf mindestens zehn Prozent der Agrarlandschaft Landschaftselemente zu erhalten beziehungsweise zu etablieren.
Landschaftselemente sind Lebensräume für viele Arten wie Hecken, Brachen, Blühstreifen, Kleingewässer oder Steinhaufen.
Mehr Landschaftselemente, weniger negative Auswirkungen auf Produktion
Fachlich begründete politische Ziele, wie das Ziel zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für Landschaftselemente mit großer Vielfalt vorzuhalten, können allerdings ohne realistische Umsetzungsmethoden nicht erreicht werden. Hierfür hat der NABU-Bundesverband beim Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Darin wird in anhand des Beispiels Brandenburg ein Verfahren vorgeschlagen, mit dem der Anteil von Landschaftselementen in einer Agrarlandschaft erhöht und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion minimiert werden können.
Der methodische Ansatz der Studie integriert die landwirtschaftlichen Belange in die naturschutzfachliche Planung zur Erhöhung des Anteils an Landschaftselementen. So kann Naturschutz und landwirtschaftliche Praxis zusammen funktionieren.
Linn Schaan, Autorin der ZALF-Studie
Die Studie belegt erneut den Nutzen von Landschaftselementen: Auch wenn die reine landwirtschaftliche Produktionsfläche durch neu angelegte Landschaftselemente abnimmt, werden die landwirtschaftlichen Erträge durch die Erhöhung der Ökosystemleistungen mittel- bis langfristig gesichert.
Um das Ziel von zehn Prozent Landschaftselementen zu erreichen, ist es wichtig, eine klare und einheitliche Definition zu haben, was genau ein Landschaftselement ist. Nur dadurch können wir ein System entwickeln, das die Berichterstattung, Überwachung und Honorierung ermöglicht und für die erfolgreiche Umsetzung unerlässlich ist. Aktuell gibt es noch keine einheitliche Definition dafür.
In der Studie wird folgende Definition favorisiert:
Darüber hinaus schlagen die Autor*innen die ZALF-Studie eine intelligente Priorisierung und Standortwahl für Landschaftselemente vor. Als Grundlage werden Kriterien herangezogen, die sich zum einem aus der Perspektive der landwirtschaftlichen Produktion ergeben und zum anderen die ökologischen Erfordernisse zur Wiederherstellung und dem Erhalt der Artenvielfalt berücksichtigen. Somit wird der ökologische Nutzen maximiert und Einschränkungen der betrieblichen Produktion minimiert. Gleichzeitig lässt sich so öffentliche Förderung effektiver einsetzen.
Durch das Anlegen von Hecken kann ich die Erosion auf meinen Flächen deutlich reduzieren. Der Boden ist mein wichtigstes Produktionsgut und der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit durch Hecken oder Brachen ist für mich von herausragender Bedeutung. Auch sehe ich es als meine gesellschaftliche Verantwortung an, meinen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.
Lars-Andreas Sieh, Landwirt
Methodischer Ansatz
Zunächst wird für – aus ökologischer Sicht – besonders strukturarme Gemeinden der Begriff „Coldspots“ eingeführt, als Gegenstück zu Biodiversitäts-Hotspots. Diese Gemeinden werden für Brandenburg ermittelt. Hier können Landschaftselemente schnell besonders große positive Wirkung erzielen.
Im zweiten Schritt wird an einem Beispiel einer „Coldspot“-Gemeinde gezeigt, wie sich mit einfachen Kriterien bei der Auswahl von Landschaftselementen das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimieren lässt. Dadurch können diese an geeigneten Standorten vor Erosion schützen und bei Beachtung des Ertragsniveaus der Flächen dieses nur geringfügig beeinträchtigen.
Der Ansatz der Studie ist auch auf andere Regionen übertragbar und kann somit als Vorschlag für eine praxisorientierte Umsetzung des Zehn-Prozent-Ziels wirken.
Die Studie entwickelt nun ein tragfähiges Konzept für Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen: Es ermittelt, wo die ökonomischen Einbußen am geringsten und der Nutzen von Ökosystemleistungen am höchsten ist. Zugleich zeigen die Ergebnisse ganz konkret, wie das von der Wissenschaft geforderte Ziel von zehn Prozent Landschaftselementen Realität werden kann. Nun ist die Politik gefragt: Sie muss schnellstmöglich die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident
Der NABU fordert für die konsequente Umsetzung des Zehn-Prozent-Ziels
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Die Etablierung einer einheitlichen Definition von Landschaftselemente.
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Ein abgestimmtes Verhältnis von Ordnungs- und Förderrecht, welches ein sinnvolles Verhältnis von zeitweisen und dauerhaften Strukturen unterstützt.
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Ausreichende Finanzierung für das Anlegen und die Pflege von Landschaftselementen.
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Eine geeignete Methode zur Priorisierung des Zehn-Prozent-Ziels wie in der Studie vorgeschlagen.
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Flächendeckende Naturschutzberatung und das Etablieren von Agrar-Umweltkooperativen für eine angepasste Umsetzung vor Ort.
Download Broschüre und Studie
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