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Lufthoheit für Biobauern
Obstanbau in Südtirol
Für Franz-Josef Innerhofer ist sein Hof ein lebendiger Organismus: Mensch, Pflanze, Tier und Boden wirken zusammen, jedes dieser Organe braucht das andere. „Chemisch-synthetische Pestizide haben hier nichts verloren, sie würden den Organismus stören“, sagt der Bioapfelbauer aus dem Vinschgau in Südtirol. Stattdessen nutzt er ausschließlich die vom Demeter-Verband erlaubten Pflanzenpflege- und Düngemittel sowie die selbst hergestellten Präparate Hornmist und Hornkiesel. Auch natürliche Schädlingsfeinde wie Raubmilben, Marienkäfer oder Schlupfwespen helfen Innerhofer, zur Harmonisierung nutzt er außerdem Brennnesseljauche und Schachtelhalmtee. Dass die EU Ende 2018 die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat erneut um fünf Jahre verlängert hat und Deutschland rund 100 weitere Pestizide ohne Prüfung vorerst auf dem Markt lässt, findet Innerhofer tragisch und unverständlich. „Wir Biobauern machen doch schon seit Jahrzehnten vor, dass es auch ohne geht.“
Kreislaufwirtschaft auf dem Bauernhof
Seit 1995 bewirtschaftet Franz-Josef Innerhofer die Wiesen rund um das Schloss der Grafen Trapp am westlichen Vinschger Sonnenberg nach biologisch-dynamischen und anthroposophischen Grundsätzen des Bioverbands Demeter. „Mit dieser Art von Landwirtschaft kann ich positive Veränderungen schaffen: fruchtbarere Böden, ökologische Vielfalt, gesündere Lebensmittel.“ Innerhofer baut vor allem Äpfel an. Aber auch Tafeltrauben, alte Birnensorten und Gemüse wachsen auf seinen Wiesen. Zusätzlich hält er Hühner und drei Bienenvölker. „Ich denke außerdem über ein paar Schafe oder andere Wiederkäuer nach.“ Die Vielfalt gehört zum Leitbild von Demeter und entspricht der Idee der Kreislaufwirtschaft, bei der die Anzahl der Tiere und die Ackerflächen im Idealfall harmonisch aufeinander abgestimmt sind: Der Mist der Tiere macht die Böden fruchtbar und dient den Pflanzen als Dünger. Die Tiere wiederum bekommen Futter vom Hof. Und die Menschen können Lebensmittel genießen, die frei von Chemie und Giftstoffen sind.
Der Schlosshof liegt oberhalb der Gemeinde Schluderns. „In tausend Meter Höhe und auf der Sonnenseite, also ideal für den Obstanbau“, sagt Innerhofer. Der 52-Jährige lebt hier mit seiner Frau und den drei Kindern. Seine insgesamt acht Hektar Land bestehen größtenteils aus einer großen zusammenhängenden Fläche. Nur zwei kleinere Areale befinden sich etwas entfernt. „Dadurch kommen meine Obstwiesen kaum in Berührung mit den Ländereien von konventionell wirtschaftenden Bauern aus der Umgebung. Ich muss deshalb weniger befürchten, dass chemische Pflanzenschutzmittel von ihnen zu mir hinüberwehen.“ Da, wo sein Land doch an deren Flächen grenzt, dienen dreieinhalb Meter hohe Hecken als Schutz. „In meiner direkten Umgebung leben zudem viele Grünland-Bauern, die keine Pestizide verwenden.“ Die Erzeugerkooperative VI.P (Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse), zu der auch Innerhofer gehört, führt regelmäßig Rückstandsanalysen durch und sorgt zudem für ein umfangreiches Randreihenmanagement. Dazu gehören beispielsweise Vereinbarungen mit konventionellen Nachbarbauern, erst ab der dritten Feldreihe in Richtung eines Biobauern zu spritzen.
Pestizidland Südtirol?
Gerade in Europas größter Obstbauregion Südtirol schlägt das Thema Pestizide immer wieder hohe Wellen. Das Umweltinstitut München stellte jüngst bei Messungen im Vinschgau fest, dass sich Ackergifte selbst über weite Strecken unkontrolliert über die Luft verbreiten. Auf über 1.600 Höhenmetern und mehrere Kilometer von den nächsten Obstplantagen entfernt wurden noch sechs Wirkstoffe identifiziert. „Das Zulassungssystem der EU macht unrealistische Annahmen über deren Verbreitung und ignoriert die Dauerbelastung sowie den sogenannten Cocktaileffekt, durch den eine Kombination verschiedener Substanzen gefährlicher sein kann als der jeweilige Einzelwirkstoff“, kritisiert Karl Bär, Referent für Agrarpolitik beim Umweltinstitut. Die Münchner unterstützen auch die „Pestizid-Rebellen“ aus Mals.
Das 5.000-Einwohner-Dorf liegt etwa fünf Kilometer von Schluderns und Biobauer Innerhofer entfernt. 2014 hatte die Malser Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 76 Prozent dafür gestimmt, chemisch-synthetische Pestizide auf dem gesamten Gemeindegebiet zu verbieten. „Die Region Trentino/Südtirol ist im Vergleich zu anderen Regionen Italiens leider mit großem Abstand an erster Stelle, was den Einsatz von Pestiziden pro Hektar betrifft. Das muss sich dringend ändern, und dafür setzen wir uns seit Jahren ein“, sagt Mals Bürgermeister Ulrich Veith und verweist auf zahlreiche Studien zur gesundheitsgefährdenden Wirkung von Pestiziden. Rund 40 Landwirte aus Mals befürchten hingegen, dass das Spritzmittelverbot ihre Ernte gefährdet. 2018 beantragten sie deshalb dessen Aussetzung. Das Verwaltungsgericht Bozen stimmte ihnen vorerst zu und verhandelte am 9. Januar 2019 erneut über das Pestizid-Verbot. Das Urteil steht noch aus.
Auch in Mals hatte das Umweltinstitut übrigens einen Messpunkt in einem gut geschützten Garten mitten im Ort. Hier konnte es zwölf verschiedene Wirkstoffe nachweisen, darunter gesundheitsgefährdende Stoffe wie Captan oder Thiacloprid.
Kristina Simons
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