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Viel Geld für Boden
Großinvestoren werden zu Konkurrenten für Bauern
Boden ist ein knappes Gut – und landwirtschaftliche Fläche auch bei Großinvestoren begehrt. Kleine und mittlere Betriebe haben im Wettbewerb oft das Nachsehen. In den vergangenen fünf Jahren sind die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland stark gestiegen. Das wirkt sich auch auf den ökologischen Anbau aus: 2010 wurden 5,9 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet, seit 2013 stagniert der Anteil bei 6,3 Prozent. „Bestehende Betriebe haben keine Wachstumsperspektive oder verlieren sogar Pachtland“, sagt Gerald Wehde vom Erzeugerverband Bioland. Wenn Boden für bäuerliche Landwirte unbezahlbar wird, kann das die Existenz bedrohen.
Spekulative Bodengeschäfte
So erging es Stefan Palme, Geschäftsführer des Bioland-Betriebs Gut Wilmersdorf. Im Biosphärenreservat Schorfheide in der Uckermark bewirtschaftet er eine Fläche von 1.100 Hektar. Den Großteil hatte Palme von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) gepachtet. Die BVVG verwaltet und verkauft ehemalige volkseigene Flächen der DDR. Mit Auslaufen des Pachtvertrags sollten die Flächen meistbietend veräußert werden. Für Palme hätte das den Verlust seines Ackerlandes bedeutet. „Großinvestoren zahlen Höchstpreise, die weit über dem Verkehrswert liegen“, sagt der Landwirt. Einen Grund für die gestiegenen Preise sieht Palme in spekulativen Bodengeschäften: Investoren mit Geld von außerhalb der Landwirtschaft kaufen Fläche zu hohen Preisen und hoffen auf Wertsteigerung. Mit dem Ertragswert – also dem, was ein Landwirt mit dem Boden erwirtschaften kann – haben diese Preise oft nichts mehr zu tun.
Niedrige Zinsen und die Suche nach vermeintlich sicheren Geldanlagen sind ein Grund für die steigenden Bodenpreise – aber längst nicht der einzige. Insbesondere die Biogaserzeugung verschärft die Konkurrenz um landwirtschaftliche Fläche. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) von 2009 machte Strom aus Biogas rentabel. Mit der EEG-Novelle von 2012 ist der Bau neuer Anlagen zwar weniger lukrativ geworden, die vorhandenen Anlagen genießen aber einen 20-jährigen Bestandsschutz. Die Anbaufläche für Mais zur Biogaserzeugung nahm in den vergangenen fünf Jahren weiter zu. Auch die intensive Tierhaltung heizt den Wettbewerb an: Für den Futteranbau, vor allem aber, um die anfallende Gülle zu entsorgen, brauchen die tierhaltenden Betriebe Fläche. Damit wird es auf dem Bodenmarkt enger: Kauf- und Pachtpreise steigen. Zu den Leidtragenden dieser Entwicklung gehört auch der Naturschutz, da eine extensive Bewirtschaftung unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig ist.
Investoren mit industriellem Hintergrund
Doch nicht jeder, der Geld anlegen will, kann einfach landwirtschaftliche Flächen erwerben. Das Grundstücksverkehrsgesetz räumt Landwirten ein Vorkaufsrecht ein und regelt auch, dass der Kaufpreis den Verkehrswert nicht um mehr als 50 Prozent übersteigen darf. Doch das Gesetz gilt nicht für den Kauf von landwirtschaftlichen Unternehmen oder Unternehmensanteilen. In den ostdeutschen Bundesländern sind viele Betriebe rechtlich in Form von Gesellschaften organisiert, beispielsweise als GmbHs. Anteile an solchen Unternehmen darf prinzipiell jeder kaufen. So erwarb das chinesische Unternehmen Fosun über eine Tochtergesellschaft jüngst Aktienanteile der KTG Agrar SE. Dem Agrarkonzern gehören zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe in Ostdeutschland und Litauen. Auch branchenfremde Unternehmen wie der Möbelkonzern Steinhoff sind über den Kauf zahlreicher Betriebe in die Landwirtschaft eingestiegen. Der Agrarökonom Andreas Tietz und seine Kollegen vom Braunschweiger Thünen-Institut haben die Aktivitäten nichtlandwirtschaftlicher Investoren auf dem Bodenmarkt in zwei Studien anhand von Fallbespielen untersucht. Rein spekulative Motive sieht Tietz bei den landwirtschaftsfremden Investoren nicht. Vielmehr gehe es den Unternehmen darum, langfristig in der Landwirtschaft erfolgreich zu sein.
Biogas, Ackerbau, Rinder- und Schweinehaltung – Investoren mit industriellem Hintergrund finden sich in nahezu allen landwirtschaftlichen Bereichen. Einige setzen auch auf ökologischen Anbau, wie der Sonderpostenhändler Thomas Philipps. Er hat in verschiedenen Regionen Ostdeutschlands ganze Betriebe aufgekauft und lässt dort Rinder nach ökologischen Standards halten. Auch KTG Agrar hat ein eigenes Bio-Segment.
Ob Bio oder nicht – für Landwirte wie Stefan Palme sind Großinvestoren eine Konkurrenz, gegen die sie im Wettbewerb um den Boden kaum eine Chance haben. Doch Palme und seine ökologisch wirtschaftenden Nachbarn fanden einen eigenen Weg: Seit 2010 profitieren auch sie von landwirtschaftsfremdem Kapital. Allerdings stammt das nicht von Großinvestoren, sondern wurde von der gemeinnützigen GLS Bank über einen Bio-Bodenfonds eingesammelt. Mit dem Geld der Anleger kaufte die Bank von der BVVG 2.550 Hektar Land in der Schorfheide und verpachtete es an die Bio-Landwirte. Die Anleger haben Genussscheine mit einer unbefristeten Laufzeit gezeichnet; die Geldanlage kann also nicht gekündigt werden. Das verhindert die Spekulation auf Bodenpreise und ermöglicht es den Landwirten, langfristig zu planen.
Ann-Kathrin Marr
Man braucht einen Bauernhof, mehrere Mitstreiter, die ihn finanzieren und diese erhalten im Gegenzug Obst, Gemüse und andere Lebensmittel - nachhaltig und regional erzeugt. Die Idee nennt sich Solidarische Landwirtschaft. Mehr →