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Folgen des Ukraine-Kriegs für Ernährung und Landwirtschaft
Eigentlich schien alles auf gutem Weg: Zahlreiche Demos, Volksbegehren und Proteste aus der Zivilgesellschaft, aber auch seitens der Landwirtschaft hatten zur Einberufung der Zukunftskommission Landwirtschaft durch die Bundesregierung geführt. Dieses Gremium, das die Breite der Landwirtschaft, Industrie, Gesellschaft und Wissenschaft abbildet, bekräftigte: „Weiter so“ ist keine Option.
Vor allem eine weitere Intensivierung der Tierhaltung und des Ackerbaus sind weder ökologisch noch wirtschaftlich nachhaltig, ein Umbau in der Agrar- und Ernährungswirtschaft ist dringend nötig. Der Auftrag an die Politik konnte klarer nicht sein.
Ändert der Krieg alles?
Auch auf EU-Ebene sind Weichen gestellt worden: Der Green Deal der EU mit seiner Farm-to-Fork-Strategie und Biodiversitätsstrategie weist den Weg zur ökologischen Transformation. Die neue, ab Januar 2023 beginnende Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) verspricht – wenn auch nur bescheidene – Fortschritte auf Äckern, Wiesen und Weiden im Vergleich zum Status Quo.
Und dann ein Krieg. Mitten in Europa. Im Nu wurden Stimmen laut, die die ökologische Transformation in Frage stellen, ein Aufweichen oder Verschieben von Maßnahmen zum Klima-, Umwelt- und Naturschutz fordern. Um der globalen Ernährungskrise zu begegnen, müsse die hiesige Produktion weiter intensiviert werden, heißt es da von einigen Vertreter*innen der Agrarwirtschaft. Dass wir damit das Insektensterben weiter antreiben, unseren Agrarvögeln Lebensräume wegnehmen, wird unter den Teppich gekehrt.
Es wäre genug für alle da
Es ist wahr: Der Krieg in der Ukraine verschärft die globale Ernährungskrise. Schon im letzten Jahr stiegen die Preise für Energie. Kunstdünger etwa wird unter hohem Energieaufwand hergestellt und so verteuern sich Getreide oder Raps- und Sonnenblumenöl, aber auch Fleisch, Milch und Eier, weil die Tierhaltung wiederum auf Futter vom Acker angewiesen ist. Das wirkt sich am Ende auf die Preise an der Supermarktkasse aus.
In einigen Regionen der Welt sorgen diese Preissteigerungen für Hunger. Nun brechen auch noch Getreideexporte aus der Kriegsregion weg. Für zahlreiche Länder Nordafrikas oder den Libanon und die Türkei wird es sehr teuer, ihr Getreide aus anderen Ländern zu beziehen. Das Ganze ist in erster Linie ein Kosten- und Verteilungsproblem, bislang aber kein Verfügbarkeitsproblem. Es geht vor allem darum, dass zum Beispiel das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen mit ausreichend Geld ausgestattet wird, um Grundnahrungsmittel kaufen und verteilen zu können.
Getreideanbau auf Brachen?
Dennoch gibt es die Forderung, die Agrarproduktion in der EU weiter zu intensivieren und auf Flächen auszudehnen, die vornehmlich der Natur und der Stärkung von Ökosystemen gewidmet sind. So wurde Anfang April im Bundesrat auf Antrag der CDU/CSU darüber abgestimmt, ob die aktuell gesetzlich vorgeschriebenen Brachen zur Nahrungsmittelproduktion inklusive Pestizid- und Düngemitteleinsatz freigegeben werden sollten. Und das, obwohl eine solche Produktion auf Brachen die Getreideernten global gesehen gerade einmal im Promillebereich steigern würden, folglich kaum zur Hungerbekämpfung beitragen könnte.
Wenig wirkungsvoll also – aber teuer erkauft. Es ist noch gar nicht so lange her, da zahlte die EU Stilllegungsprämien an die Landwirt*innen. Durchschnittlich zehn Prozent der Fläche jedes Betriebes wurden aus der Nutzung genommen und standen der Natur zur Verfügung. Als diese Praxis 2008 beendet und die Äcker wieder in Bewirtschaftung genommen wurden, hatte dies dramatische Auswirkungen auf die Insekten und Vögel der Agrarlandschaft. Rebhuhn, Kiebitz oder Feldlerche erlebten einen massiven Rückgang in ihren Beständen.
60 Prozent des Getreides werden verfüttert
Es ist auch ein Erfolg des NABU, dass der Bundesratsantrag von CDU und CSU keine Mehrheit gefunden hat. In Deutschland sind zurzeit ungefähr ein bis zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Brachen. Diese sind unverzichtbar für das Bremsen des Artensterbens. Viele Studien zeigen, dass dazu mindestens zehn Prozent der Fläche notwendig wären. Es ist also wichtig, den Anteil an Brachen, Hecken und Blühstreifen weiter auszubauen.
Die Debatte um die Brachen steht stellvertretend für eine grundsätzliche Infragestellung der Ökologisierung des Sektors. So wird in manchem EU-Mitgliedsstaat der Ruf nach einer Aufweichung des Umbruchverbots von Wiesen und Weiden laut. Dabei macht ein Blick auf die Flächennutzung in Deutschland deutlich: Nur knapp ein Viertel der Agrarfläche dient unserer direkten pflanzlichen Ernährung. Rund 60 Prozent des erzeugten Getreides wird dagegen an Schweine, Hühner und Rinder verfüttert. Und auf immerhin gut 15 Prozent der Fläche wachsen Energiepflanzen.
Auf den Teller statt in den Tank
Klar ist auch: Eine weniger intensive und naturfreundlichere Landwirtschaft wird mit Ertragseinbußen einhergehen. Was wir brauchen, sind daher mehr Flächen für die Ernährungssicherung. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Nutzung neu ausbalancieren.
Ein wichtiger Hebel wäre, die Produktion von Biosprit einzuschränken. Ganz kurzfristig könnte man so auch beispielsweise Getreide, das als Ethanol dem Benzin beigemischt wird, zur Abmilderung der globalen Ernährungskrise zur Verfügung stellen.
Auf längere Sicht liegt der größte Hebel jedoch im Umbau der Tierhaltung und der Verringerung des Fleischkonsums. Wir brauchen einen Abbau und eine räumliche Entzerrung der Tierhaltung, damit eine auf Kreisläufen beruhende Landwirtschaft und die flächendeckende Beweidung des Grünlands möglich sind. So können wir vitale Populationen und leistungsfähige Ökosysteme stärken. Und nur dies erhält langfristig die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft.
Pierre Johannes
Naturschutz heute 02/2022
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