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Stellungnahme des NABU
Unterstützt von: Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd Norddeutschland (ANJN), Bund gegen den Missbrauch der Tiere (BMT), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA), Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G), Deutscher Rat für Vogelschutz (DRV), Deutscher Tierschutzbund (DTschB), Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) und Ökologischer Jagdverband (ÖJV).
Die Art und Weise, wie die Jagd derzeit von vielen Jägern in unserem Land ausgeübt wird, wird in der öffentlichen Meinung zunehmend kritisiert. Jäger suchen daher Verbündete, besonders bei den Artenschützern, mit den Argumenten, die Bejagung bestimmter Arten diene hauptsächlich der Aufrechterhaltung des biologischen Gleichgewichtes bzw. hebe die Chancenungleichheit unter "Gewinnern und Verlierern" der anthropogenen Umgestaltung unserer Kulturlandschaft auf. Dieser wissenschaftlich (längst) enttarnte Irrglaube findet sich in nahezu allen Aussagen der Jägerschaft als Begründung für ihr Jagdrecht, ja sogar für eine Notwendigkeit zur Bejagung von Beutegreifern und auch Rabenvögeln.
Es gehört demgegenüber aber bereits seit langem zum ökologischen Allgemeinwissen, dass nur eine Abkehr von der modernen, intensiven und industrialisierten Landwirtschaft zu einer höheren Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und damit zu einer lebenswerteren Umwelt für uns Menschen führen kann, mit mehr Raum für alle wildlebenden Tiere.
Der NABU hat in den gemeinsam mit dem Deutschen Jagdschutzverband (DJV) verabschiedeten "Gemeinsamen Empfehlungen zum Schutz der biologischen Vielfalt" vom 7. März 1998 klargestellt, dass er die Berechtigung der Jagd als traditionelle Form der Landnutzung, also der Nutzung natürlicher Ressourcen anerkennt, solange sie den Grundsätzen moderner, naturverträglicher Wildhege und der nachhaltigen Nutzung entspricht und nicht den ethischen und rechtlichen Grundsätzen des Tierschutzes widerspricht.
Jagdliche Belange, die diesen Zielen auch aus wissenschaftlicher Sicht nicht entsprechen oder ihnen entgegenstehen, werden dagegen vom NABU nach wie vor abgelehnt. Der NABU spricht sich daher gegen die Aufnahme der Rabenvögel, also Eichelhäher (Garrulus glandarius), Elster (Pica pica) und Aaskrähe (Raben- und Nebelkrähe, Corvus corone) in die Liste der bundesweit jagdbaren Tierarten aus, da die Jagd auf Rabenvögel sowohl den Prinzipien der nachhaltigen Nutzung als auch allen seriösen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht.
Auch wenn die Bedeutung und Notwendigkeit jagdlicher Eingriffe zwischen Tier- und Naturschutzorganisationen teilweise unterschiedlich bewertet wird, besteht eindeutiger Konsens darin, dass die Bejagung von Rabenvögeln aus ökologischen, naturschutzfachlichen und nicht zuletzt aus ethischen Gründen abzulehnen ist.
Rechtlicher Hintergrund
Der Kolkrabe (Corvus corax) unterliegt bereits seit Inkrafttreten des Reichsjagdgesetzes (RJG) 1935 dem Jagdrecht; er wurde in Fortführung des RJG in die Liste der jagdbaren Arten gemäß § 2, Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) von 1976 aufgenommen. Die Europäische Union stellte mit der EG-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) von 1979 alle Singvogelarten, und damit auch Elster, Rabenkrähe und Eichelhäher, unter Vollschutz. Die Unterschutzstellung von Elster, Aaskrähe und Eichelhäher im deutschen Recht wurde erst 1987 in Anpassung an die EG-Vogelschutzrichtlinie vollzogen. Der NABU (Naturschutzbund Deutschland) - damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV) - hat, wie auch die anderen deutschen Naturschutzverbände, diesen Schritt seinerzeit begrüßt (z.B. DBV 1987, DBV 1990) und steht aus den dargelegten Gründen auch heute noch dazu.
Trotz dieser klaren Rechtslage bezüglich der Rabenvögel und ihres Schutzes wurden die heftigen Diskussionen seit 1986 zwischen Naturschutz, Tierschutz und Jagd weitergeführt, dabei spielten fast ausschließlich interessengesteuerte Fehlinterpretationen des Artenschwundes in der Kulturlandschaft eine Rolle.
Zwischenzeitlich wurde der Rechtsschutz der Arten allerdings wieder geändert. Im Jahr 1994 wurden die drei genannten Rabenvogel-Arten auf massiven Druck aus der Jägerschaft (federführend: Deutschland und Bayern im "Ausschuss der Regionen") in Anhang II/2 der EG-Vogelschutzrichtlinie aufgenommen. In Deutschland können seither, wie in den anderen EU-Mitgliedstaaten, für die Arten Eichelhäher (Garrulus glandarius), Elster (Pica pica) und Aaskrähe (Corvus corone) Jagdzeiten erlassen werden.
Im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedstaaten hat Deutschland von dieser Möglichkeit bislang bundesgesetzlich keinen Gebrauch gemacht. Die drei Arten unterliegen damit in Deutschland nach wie vor dem Naturschutz- und nicht dem Jagdrecht. Die Naturschutzbehörden können aber gemäß Art. 9 der EG-Vogelschutzrichtlinie und § 20 g, Abs. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) "zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- und sonstiger gemeinwirtschaftlicher Schäden" sowie "zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt" und für "Zwecke der Forschung, Lehre, Zucht..." Ausnahmen zum Abschuss oder Fang zulassen. Auch diese Ausnahmen sind jedoch gemäß Art. 7 der EG-Vogelschutzrichtlinie eingeschränkt: die Arten dürfen durch Fang oder Abschuss nicht in ihrem Bestand gefährdet werden, die Jagd darf nicht in der Brutzeit ausgeübt werden, und die Vermarktung der Vögel ist verboten.
Auch bei diesen Ausnahmeregelungen gilt jedoch u.a., dass das Töten der Tiere nicht in der Brutzeit erfolgen darf, und dass das Töten der Tiere gemäß § 17 Ziffer 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) aus einem "vernünftigen Grund" erfolgen muss.
Aktuelle Situation
In der derzeitigen Praxis können die drei Rabenvogel-Arten bis auf wenige Ausnahmen in allen Bundesländern, zum Teil beschränkt auf bestimmte Arten, unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. außerhalb der Brutzeit) "reguliert", also getötet oder bejagt werden. Diese Maßnahmen werden in der Regel bisher ohne Nachweis meist pauschal mit dem Schutz der heimischen Tierwelt und der Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden begründet. Weder ließen sich die angeblichen Schäden wissenschaftlich nachweisen, noch wurde ein "Erfolg" im Sinne einer zunehmenden Artenvielfalt anderer Singvögel nach erfolgtem Töten oder Bejagen der Rabenvögel festgestellt (z.B. Mäck u.a. 1999, Mäck & Jürgens 1999, Haupt 2000).
Rechtlich werden nach derzeitigem Stand (Mäck & Jürgens 1999) in den einzelnen Bundesländern folgende Wege bei der "Bekämpfung" der Rabenvögel begangen:
1. Erlass einer Länderverordnung nach § 20g Abs. 6 BNatSchG, mit der allgemein durch Rechtsverordnung - generelle Abschusserlaubnis - Ausnahmen von den Rechtsvorschriften erlassen werden: Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen;
2. Aufnahme von Arten in einer Landesverordnung zum Landesjagdrecht, mit der bestimmte Arten im Rahmen der Jagdzeit bejagt werden dürfen: Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen;
3. Einzelfallausnahmen nach § 20g Abs. 6 BNatSchG, nach der die zuständige Landesbehörde im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 20f Abs. 1 BNatSchG zulassen kann: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein.
Nicht nur die Verordnungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen, die keine Vermarktungsverbote enthalten, sondern auch die Überstellung der nach BNatSchG geschützten Arten in Länderjagdgesetze, sowie auch die Zulassung "genereller Ausnahmeregelungen" ohne Einzelfallregelung oder gar Schadensnachweis unter Bezug auf die dementsprechende Möglichkeit des BNatSchG widersprechen nach Auffassung des NABU und vieler Rechtsexperten eklatant der EG-Vogelschutzrichtlinie (EG-VSchRL) und geltendem Bundesrecht. Folgerichtig wurde daher Anfang Februar 2000 in Rheinland-Pfalz eine Verfassungsklage von Bündnis 90/Die Grünen gegen die dort im Frühjahr 1999 erlassene Überstellung von Elster und Rabenkrähe ins Jagdrecht eingereicht.
Auch die (ab Sommer: 16.7. oder 1.8.) teils bis in die Brutzeit reichenden Jagdzeiten (Niedersachsen: bis 30. April, in den meisten Ländern bis 15. oder 31. (NRW) März) widersprechen nach Auffassung des NABU eklatant der EG-VSchRL. Von der Europäischen Kommission wurde daher bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Die Aufnahme der Rabenvögel in die Liste der jagdbaren Tierarten auf Bundesebene wird aus Jagdkreisen immer wieder gefordert. Der Bundesumweltminister lehnt jedoch eine Ausgliederung der Rabenvögel aus dem Naturschutzrecht entschieden ab. Er ließ darüber hinaus verlautbaren, dass er in diesem Sinne die Länder zur Rücknahme ihrer widerrechtlichen und gegen Bundesrecht verstoßenden Länderverordnungen auffordern wird.
Die pauschalen Ausnahmegenehmigungen und Jagdregelungen, die entgegen gültigem Bundesrecht seit vielen Jahren vom Gesetzgeber geduldet werden, kosten de facto viele hunderttausend Rabenvögel das Leben. Alleine in NRW wurden nach Angaben des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) im Jagdjahr 1995/96 4.603 Eichelhäher, 58.688 Elstern und 55.458 Rabenkrähen geschossen, im Jagdjahr 1997/98 4.398 Eichelhäher, 61.015 Elstern und 65.020 Rabenkrähen.
In Rheinland-Pfalz wurden allein in den ersten zwei Monaten nach Inkrafttreten der neuen Jagdregelung 5.034 Rabenkrähen und 6.133 Elstern geschossen. Damit wurde - auf ein Jahr hochgerechnet - die Abschussquote verdreifacht. Gegenüber dem Verbotszeitraum wurde die Abschussquote bei Rabenkrähen sogar verzwanzigfacht; bei Elstern stieg sie in nur zwei Monaten Jagdzeit um mehr als das Zweihundertfache gegenüber den vorangegangenen zwei Monaten (Pressemeldung von Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz vom 3.12.1999). Und dies, obwohl ein eigens von der Landesregierung in Auftrag gegebenes mehrjähriges Gutachten der Universitäten Kaiserslautern und Mainz zweifelsfrei nachgewiesen hatte, dass auch in Rheinland-Pfalz von den Rabenvögeln weder eine Gefährdung des Niederwildes noch eine andere Schadwirkung ausgeht (Martens & Helb 1998).
Fachliche Bewertung
Eine wesentliche und grundlegende Voraussetzung jeglicher Jagd muss es sein, die Beute der menschlichen Verwertung zuzuführen. Rabenvögel werden nicht verwertet; eine nachhaltige Nutzung findet damit nicht statt. Moderne, "nachhaltige" Jagd kommt ohne die angeblich notwendige Regulierung von Prädatoren, z.B. zum Zwecke der Erhöhung der Nutzung jagdlich "gewünschter" Arten, aus (NABU Baden-Württemberg 1999).
Die als Begründung für einen Abschuss immer wieder zitierten Argumente einer angeblichen Gefährdung anderer Singvogelarten, von Niederwild oder erheblicher Schäden in der Landwirtschaft sind nach allen seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht haltbar und mehrfach widerlegt worden. Stellvertretend seien hier nur die Untersuchungen von Kooiker, das allgemein verständliche wissenschaftliche Werk von Epple (1997) sowie die umfassende Dissertation von Mäck (1998) genannt. Diese Ergebnisse werden auch von regionalen Studien bestätigt (z.B. Bellebaum u.a. 1998, Knief u.a. 1993). Darüber hinaus ergaben auch die Untersuchungen der Universitäten von Mainz (Prof. Dr. Martens) und Kaiserslautern (PD Dr. H.-W. Helb) im Rahmen des "Rabenvogel-Gutachtens" von 1998 (vgl. Helb 1999) sowie ein aktueller Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) an das Bundesumweltministerium (Mäck & Jürgens 1999), dass eine flächendeckende Bejagung von Elstern, Eichelhähern und Rabenkrähen weder fachlich oder juristisch zu begründen, noch ethisch-moralisch zu rechtfertigen ist.
Auch die in Jagdkreisen immer wieder angeführten, angeblich im Sinne der Wiederherstellung von Artenvielfalt erfolgreichen "Räuber-Ausschluss-Versuche" halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand (vgl. Newton 1998). Kurzfristig lassen sich nach Eliminierung aller Beutegreifer natürlich höhere Herbstbestände der Beutearten erzielen, doch mit einer langfristig wirksamen Populationszunahme hat dieser Effekt keinen Zusammenhang; schon gar nicht mit der Wiederherstellung einer früheren Artenvielfalt, zumal am Anfang eine brutale Artenverminderung durch Abschuss steht. Darüber hinaus werden in einer künstlich prädatoren-freien "Natur" für natürliche Verhältnisse völlig lebensuntüchtige Beutetiere "herangezüchtet" die in dieser Zahl gar keinen Platz im Lebensraum finden.
Auch die seinerzeit von der EG herangezogenen Daten Hermann Ellenbergs lassen jetzt nach Jahren der Beobachtung erkennen, dass seine Prognose, Rabenvögel könnten durch Abschuss nicht in ihrem Bestand gefährdet werden, zu optimistisch war. Darüber hinaus wurden die zugrundeliegenden Annahmen Ellenbergs bezüglich der Produktivität und darauf basierend die Annahmen bezüglich der möglichen Jagdstrecken in der Dissertation von Mäck (1998) - zumindest bei der Elster - als um Größenordnungen fehlerhaft widerlegt. In weiten Teilen der Feldflur außerhalb befriedeter Grundstücke werden bereits nur noch wenige oder gar keine Feldelstern mehr angetroffen.
Der aktuelle Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (Mäck & Jürgens 1999) kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die Elster zwar noch lokale Zunahmen in Siedlungsgebieten zeigt, während in der Feldflur, ähnlich wie bei der Aaskrähe, drastische Bestandseinbrüche zu verzeichnen sind. Vom Eichelhäher gibt es wesentlich weniger Daten zur Populationsentwicklung, doch kehrt sich sein Einwandern in städtische Bereiche bereits wieder um und die großflächigen Fichtenaufforstungen der Vergangenheit beraubten ihn grundsätzlich eines Großteils seines ursprünglichen Lebensraumes.
Juristische Bewertung
Die EG-VSchRL von 1979 hätte von den einzelnen Mitgliedstaaten der EG binnen zwei Jahren in nationales Recht überführt werden müssen. Die BRD kam dem mit fast zehn Jahren Verspätung durch die Anpassung des BNatSchG und der BArtSchV am 1.1.1987 nach. Die spätere, auf Druck der Jagdlobby zustande gekommenen Änderung der EG-VSchRL mit der europaweiten Lockerung des Schutzes der Rabenvögel kann von den Mitgliedstaaten übernommen werden, sie muss es aber nicht.
Deutschland ist der wissenschaftlichen Fachmeinung gefolgt und hat trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung des BNatSchG am Schutzstatus der Rabenvögel nichts verändert. Auf Bundesebene wurde eine entsprechende Änderung der BArtSchV auch bei der letzten Novelle im Jahr 1998 abgelehnt. Daher sind Elstern, Eichelhäher und Rabenkrähen weiterhin bundesweit geschützte Arten.
Grundsätzlich ist das BJagdG dem BNatSchG gleichgestellt, doch ist das BNatSchG bei weitem das modernere Recht. So sind z.B. die beiden Hauptinteressen des BJagdG, der Schutz jagdlicher Privilegien und der Schutz hoher Wilddichten mit dem Hegeziel großer Trophäen, wie seit Jahrhunderten auch heute noch bestimmend. Jagdbar sind nur solche Arten, die im BJagdG aufgeführt sind; dies sind außer dem Kolkraben keine anderen Rabenvogelarten. Nach Überführung der Vorgaben der EG-VSchRL in das BNatSchG wurden mit Inkrafttreten der BArtSchV 1986 neben einer Vielzahl von Tieren auch Elster, Eichelhäher und Aaskrähe unter Schutz gestellt. Seither können die Bundesländer nicht mehr so wie früher, als diese Vogelarten nicht dem BNatSchG unterstellt waren, eine Bejagung nach Länderrecht gestatten. Die Vorgaben der EG-VSchRL sind für beide Rechtskreise bindend. Der Bundes-Artenschutz erstreckt sich somit seit 1986 auf nach manchem Landesrecht vormals jagdbare Tierarten (vgl. Mäck & Jürgens 1999).
Zudem fordert das Tierschutzgesetz in § 1 und 17 einen vernünftigen Grund für das Töten von Tieren. Alle seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass es diesen vernünftigen Grund für das Töten von Rabenvögeln nicht gibt (vgl. Mäck & Jürgens 1999).
Forderungen des NABU
· Die Rabenvögel müssen im Schutz des Naturschutzrechts verbleiben, da es keinen sachlichen Grund gibt, sie daraus zu entlassen oder pauschale Regelungen für ihre Entnahme aus der Natur zu treffen. Die auf falschen Annahmen begründete Überstellung in den Anhang II/2 der EG-VSchRL ist zurückzunehmen.
· Eine flächendeckende Bejagung oder Tötung von Rabenvögeln ist naturschutzfachlich nicht sinnvoll und dient nicht der Erhaltung der biologischen Vielfalt; sie ist daher umgehend einzustellen.
· Begründeten Anträgen auf Tötung von Rabenvögeln kann im Rahmen des BNatSchG in Ausnahmefällen stattgegeben werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die zuständigen Naturschutzbehörden erst dann eine Ausnahmegenehmigung erteilen dürfen, wenn aktuelle und aussagekräftige Bestandserhebungen vorliegen, Schäden nachprüfbar nachgewiesen wurden, diese ein zumutbares Maß überschreiten, keine Alternativmethoden (z.B. Vergrämung oder geänderte Bewirtschaftungspraxis) bestehen, die Bestände der betroffenen Populationen nicht nachteilig beeinflusst werden und wissenschaftlich abgesichert zielorientierte Erfolgsaussichten bestehen. Die ordnungsgemäße Durchführung des Eingriffes muss kontrolliert werden, wobei Erfolg bzw. Misserfolg zu dokumentieren sind. Die Maßnahmen müssen lokal und zeitlich begrenzt sein und in ihrer Wirkung überprüft werden.
· Allerdings dürfen diese Ausnahmegenehmigungen nicht von der Unteren Naturschutzbehörde erteilt werden, da nachgewiesen wurde, dass zuverlässige Kontrollen durch diese Behörden vielerorts nicht durchgeführt wurden und Bestandserhebungen einer Ausnahmegenehmigung nicht vorgeschaltet wurden.
· Bestandsermittlungen bei Rabenvögeln sind mit standardisierten Methoden durchzuführen; populationsbiologische Arbeiten sind wissenschaftlich abzusichern, bevor allgemeingültige Schlüsse daraus gezogen werden können. Ebenso müssen politische Entscheidungen über ein Bestandsmanagement bei Rabenvögeln wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen.
· Eine Verfolgung von Beutegreifern und Rabenvögeln zugunsten einer jagdlichen Ertragssteigerung z.B. beim Niederwild ist eine reine "Symptombekämpfung" (z.B. Mooij 1998). Das Verfolgen und Töten lässt sich daher mit dem Tierschutzrecht nicht vereinbaren, da kein vernünftiger Grund vorliegt.
· Rabenvögel dürfen nicht nach antiquierten Nützlichkeits- und Schädlichkeitsgesichtspunkten beurteilt werden. Sie dürfen auch nicht einem auf irrigen Annahmen beruhenden Ertragsdenken von Jägern geopfert werden.
· Die Rolle der Rabenvögel im Naturhaushalt als Aasvertilger, Nestbauer, Waldbegründer, teilweise auch als Prädator muss in Aufklärungs- und Informationskampagnen der breiten Öffentlichkeit erklärt werden; die Naturschutzverbände fordern hierbei den Gesetzgeber zur Unterstützung auf.
· Der NABU tritt folglich nach wie vor entschieden und kompromisslos für den besonderen Schutz von Rabenkrähe, Eichelhäher und Elster ein.
· Der NABU fordert zudem die Streichung des Kolkraben aus § 2, 1 BJagdG; sowie die Streichung des § 2, 2 BJagdG.
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Rabenvögel: Gute Vögel - schlechte Vögel? - NABU-Hintergrundpapier
Literatur
Bellebaum, J. & K. Nottmeyer-Linden (1998): Gibt es "Überpopulationen" von Elster, Rabenkrähe und Eichelhäher in Nordrhein-Westfalen? LÖBF-Mitteilungen 1998, Heft 1: 29-34.
DBV (Hrsg.) (1987): Schutz der Rabenvögel. Stellungnahme des Deutschen Bundes für Vogelschutz. Broschüre, Bonn, 28 Seiten.
DBV (Hrsg.) (1990): Schutz der Elster. Neue Rechtslage im Artenschutz - alle Rabenvögel sind besonders geschützt. DBV-Info, Bonn, 4 Seiten.
Epple, W. (1997 a): Rabenvögel. Göttervögel, Galgenvögel, Ein Plädoyer im Rabenvogelstreit. Verlag G. Braun, Karlsruhe.
Epple, W. (1997 b): Zum Schutz der Rabenvögel. Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen, Heft 5/97.
Haupt, H. (2000): Welche Gründe gibt es für eine landesweite Jagd auf Rabenkrähe und Elster? Charadrius 36: 101-103.
Helb, H.-W. (1999): Wissenschaftliche Begleituntersuchungen an Elster (Pica pica) und Rabenkrähe (Corvus c. corone) in Rheinland-Pfalz. Pollichia-Kurier 15 (1): 6-10.
Knief, W. & P. Borkenhagen (1993): Ist eine Bestandsregulierung von Rabenkrähen und Elstern erforderlich? Ein Untersuchungsbeispiel aus Schleswig-Holstein. Natur und Landschaft 68: 102-107.
Kooiker, G. (1991): Untersuchungen zum Einfluss der Elster Pica pica auf ausgewählte Stadtvogelarten in Osnabrück. Vogelwelt 112: 225-236.
Kooiker, G. (1994): Weitere Ergebnisse zum Einfluss der Elster Pica pica auf Stadtvogelarten in Osnabrück. Vogelwelt 115: 39-44.
Kooiker, G. & C.V. Buckow (1999): Die Elster. Ein Rabenvogel im Visier. Aula-Verlag, Sammlung Vogelkunde. 144 Seiten.
Mäck, U. (1998): Populationsbiologie und Raumnutzung der Elster in einem urbanen Raum. Ökologie der Vögel, Band 20, Heft 1, 215 Seiten.
Mäck, U., M.-E. Jürgens, P. Boye & H. Haupt (1999): Aaskrähe (Corvus corone), Elster (Pica pica) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) in Deutschland. Betrachtungen zu ihrer Rolle im Naturhaushalt sowie zur Notwendigkeit eines Bestandsmanagements. Natur und Landschaft 74: 485-493.
Mäck, U. & M.-E. Jürgens (1999): Aaskrähe, Elster und Eichelhäher in Deutschland. Bericht über den Kenntnisstand und die Diskussionen zur Rolle von Aaskrähe (Corvus corone), Elster (Pica pica) und Eichelhäher (Garrulus glandarius) im Naturhaushalt sowie die Notwendigkeit eines Bestandsmanagements. BfN-Schriftenreihe, Bonn-Bad Godesberg, 252 Seiten.
NABU Baden-Württemberg (1999): Jagd als naturnahe Landnutzung. Wege zu einer zeitgemäßen Jagdpraxis. Broschüre, Stuttgart, 61 Seiten.
Mooij, J. (1998): Zum Einfluss von Biotopeignung und Prädatoren auf die Bestände einiger Niederwildarten. Beiträge zur Jagd- und Wildforschung, Bd. 23: 161-178.
Newton, I. (1998): Population limitation in birds. London (Academic Press), 597 Seiten.
Witt, K. (1989): Haben Elstern (Pica pica) einen Einfluss auf die Kleinvogelwelt einer Großstadt? Vogelwelt 110: 142-150.
Text: NABU-AG Rabenvögel, Redaktion: Claus Mayr, Helmut Opitz
Stand: November 2000
Anmerkung 2011: Die Klassifizierung von Rabenkrähe und Nebelkrähe als Unterart einer Superspezies Askrähe gilt als überholt. Rabenkrähe (Corvus corone) und Nebelkrähe (Corvus cornix) werden inzwischen als eigenständige Arten betrachtet.