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Vorsicht vor bleibelastetem Wildfleisch
Frisches Wildfleisch gehört zu den besonderen Genüssen, die die Küche zu bieten hat. Schließlich handelt es sich zumeist um äußerst hochwertiges Fleisch: mager, feinfaserig und ohne Hormonbehandlung oder Antibiotika erzeugt. Gerade die Lebensmittelskandale der letzten Jahre, die Hausschweine, Rinder und Geflügel betrafen, haben die Nachfrage nach Wildbret steigen lassen.
Ganz risikofrei ist der Verzehr von Wildfleisch nicht. Dass zum Beispiel Wildschweine in manchen Regionen als Folge der Tschernobyl-Katastrophe noch mit radioaktivem Cäsium belastet sind, ist weithin bekannt. Doch Untersuchungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) weisen auf eine weitere Gefahr hin: Ebenfalls in Wildschweinproben hat das BVL teils extrem hohe Bleikonzentrationen gemessen. Ursache: bleihaltige Munition, wie sie bei vielen Jägern immer noch im Einsatz ist.
Tote Seeadler mahnen
Dass hier ein ernstes Problem vorliegt, zeigen immer wieder mit Vergiftungserscheinungen aufgefundene Seeadler. Besonders in den Wintermonaten hatten diese Greife vermehrt Wildkadaver gefressen und sich an den Geschossresten vergiftet. Über lange Zeit wurde diese Wirkung in Abrede gestellt, doch mittlerweile ist es Konsens bei Jagdverbänden, Munitionsindustrie und Forstämtern, dass bleihaltige Munition Gesundheitsrisiken für Mensch und Natur birgt.
Inzwischen geht der Umstieg auf bleifreie Alternativgeschosse zwar voran. Noch geschieht er aber meist freiwillig. Auch hat die Munitionsindustrie lange gezögert, bleifreie Geschosstypen zu entwickeln. Dank wachsender Nachfrage stieg jedoch in den letzten Jahren die Anzahl der bleifrei verfügbaren Kaliber, die in der Praxis zuverlässige Ergebnisse liefern.
Leider hilft diese Entwicklung dem Kunden beim Wildfleischkauf noch nicht weiter. Immer noch kann er nicht sicher sein, dass er ein einwandfreies Lebensmittel erhält. Dass Menschen mit dem Verzehr von Wildfleisch gleichzeitig auch eine gesundheitsgefährdende Menge des Nervengiftes Blei zu sich nehmen, wird in der Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen.
Grenzwerte überschritten
Bereits in den 1990er Jahren, wiederholt in den Jahren 2007 und 2010, stieß das BVL im Rahmen seines Lebensmittelmonitorings auf Wildfleischproben, die den zulässigen Grenzwert von 0,25 Milligramm Blei je Kilo Fleisch um ein Vielfaches überschritten. Selbst die Mittelwerte aller Proben lagen deutlich höher als bei anderen untersuchten Schwermetallen und wesentlich über den Grenzwerten für andere Fleischsorten.
Die staatlichen Verbraucherschützer empfahlen zunächst, das Fleisch um den Einschusskanal herum herauszuschneiden. Im Bericht von 2007 hieß es dann: „Offenbar dringen einzelne Geschosspartikel tief ins Fleisch ein und sind kaum erkennbar, so dass die empfohlene großzügige Entfernung des Fleisches um den Einschusskanal nicht immer ausreicht, um partielle hohe Kontaminationen zu vermeiden.“
Das ebenfalls mit der Untersuchung beschäftigte Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfiehlt bei empfindlichen Verbrauchergruppen, wie Schwangeren, Stillenden und Kleinkindern, die Bleiexposition durch Wildfleisch zu reduzieren. Außerdem wird empfohlen, bei der Jagd Munition zu verwenden, deren Geschosse kein Blei in das gewonnene Wildbret abgeben.
Internationales Problem
Dass es sich dabei nicht um ein ausschließlich auf Deutschland beschränktes Problem handelt, zeigte bereits 2008 eine internationale Tagung in den USA. „Es wurde gezeigt, dass schädliche Folgen von Blei Erwachsene und Kinder schon in geringerer Konzentration betreffen als bisher angenommen und als von den aktuellen rechtlichen Vorschriften berücksichtigt wird“, fasste dort Professor Ian Newton vom britischen Natural Environment Research Council zusammen. „Erhöhte Bleiwerte, die in menschlichem Blut gemessen wurden, sind auf den Verzehr von mit bleihaltiger Munition erlegtem Wild zurückgeführt worden. Diese Ergebnisse beweisen, dass ein größeres durch Blei verursachtes Gesundheitsproblem existiert als bisher gedacht.“
Blei in Nahrungsmitteln, Trinkwasser oder Luft kann akute oder chronische Vergiftungen hervorrufen. Auch wenn der Verzehr von Wildfleisch in der deutschen Durchschnittsbevölkerung nicht besonders weit verbreitet ist, bleibt seine Giftigkeit unumstritten. Doch bislang blieben selbst die Messungen der beschriebenen Extremwerte folgenlos. Derzeit ist es der Gesetzgebung der Bundesländer und der Einstellung der Landeigentümer überlassen, ob sie die Jagd mit bleihaltiger Munition unterbinden, um spätere Abnehmer von Wildfleisch vor gesundheitlichen Risiken zu schützen.
Bleimunition verbieten
Der NABU setzt sich seit Jahren dafür ein, dass bleihaltige Munition endlich bundesweit verboten wird. Munitionsindustrie, Jägerschaft und Politik dürfen diese Gesundheitsgefährdung nicht länger zulassen. So lange es nicht zu einem Verbot kommt, bleibt den Verbrauchern indes nur, beim Kauf von Wildbret nachdrücklich zu fragen, ob bleifreie Munition verwendet wurde oder nicht.
Von Anja Sorges
Verwendete Quellen:
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.): Bericht zur Lebensmittelsicherheit 2007.
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.): Bericht zur Lebensmittelsicherheit 2010.
- Bundesamt für Risikobewertung (2011): Fragen und Antworten zum Verzehr von Wild, das mit bleihaltiger Munition geschossen wurde.
- Tagung „Ingestion of Spent Lead Ammunition: Implications for Wildlife and Humans“ in Boise, Idaho, 12. bis 15. August.2008, Closing Remarks von Prof. Ian Newton.