Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit – an der Havel wird sie gestillt. Wir wollen nun 90 Flusskilometer der Natur zurückgegeben. Werden Sie Teil dieses einmaligen Unterfangens!
Machen Sie die Havel wieder lebendig!Krabben und Brassen
Zu Besuch bei Havelfischer Wolfgang Schröder
Schröder ist Abkömmling einer traditionsreichen Fischerfamilie in der vierten Generation und Fischer aus Leidenschaft. Sein Revier liegt nordwestlich von Rathenow am letzten Stück des Rhins zwischen Havel und Gülper See. Schröders Terminplan ist straff. Wir sind gegen 14 Uhr mit ihm verabredet, zuvor ist er mit einer Gruppe Alkoholkranker fischen, die ein Entzugsprogramm absolvieren, am späten Nachmittag kocht Wolfgang Schröder in einem Restaurant in der Nähe Wollhandkrabben.
Fischfang als Therapie
Außer der Hofkatze ist zunächst alles still, aber man erkennt gleich, dass dies der Hof eines Fischers ist. Netze hängen zum Trocknen auf Stangen, neben dem Schlachthaus stehen zwei große, grüne Kunststoffwannen, in denen Fische schwimmen, quer darüber ein abgelegter Kescher. Über allem liegt ein deutlicher Fischgeruch.
Motorengeräusch ertönt und kurz darauf kommt Fischer Schröder samt der Therapiegruppe in einem großen Kutter um die Biegung gefahren. Sie haben jede Menge Fisch gefangen, mit Zugnetzen, wie Wolfgang Schröder erzählt. Solche Aktionen wie heute macht er immer wieder gerne, nicht nur des Geldes wegen. Schröder strahlt Ruhe aus, wirkt gleichzeitig jedoch wach und tatkräftig. Wenn er spricht, merkt man ihm die Liebe zu seinem Beruf an. Er sei darin hineingeboren und von klein auf mit seinem Vater mit dem Boot hinaus gefahren, sagt er.
In vierter Generation
Vor über hundert Jahren, war der Gülper See noch Eigentum der Familie. Urgroßvater Julius Schröder kaufte ihn drei Jahre nach der Gründung des Betriebes im Jahr 1907. Doch nur wenig später wurde die Familie enteignet, der See ging in den Besitz Preußens über, eine Wasserstraße sollte von der Havel über den Gülper See bis nach Berlin gebaut werden. Der Familie blieben lediglich die Fischereirechte.
Heute gehört der See dem NABU, die Fischerei Schröder hat die Fischereirechte über zwei Drittel des Sees. Der Sohn und die Tochter haben leider kein Interesse an dem Beruf. Dass er der letzte Fischer der Familie sein könnte, befürchtet Wolfgang Schröder dennoch nicht: „Wer weiß, vielleicht setzt die Tradition ja nur eine Generation aus und eines der Enkelkinder übernimmt das Unternehmen eines Tages. Vielleicht kann man den Betrieb auch auf andere Weise fortführen. Als Naturschutzzentrum etwa, mit einer Pension und einem Imbiss.“
Schröder ist flexibel und vielseitig. Bereits jetzt verleiht er Paddelboote und bietet Bootstouren im Fischerkahn an, hat auch schon Politiker wie Sigmar Gabriel oder Matthias Platzeck über die Havel geschippert.
Nehmen, was kommt
Was er denn außer Fischen sonst noch gerne tut, frage ich. Er muss überlegen. „Reisen“, sagt er schließlich. Nach Norwegen zum Beispiel oder nach Polen. Auf die Frage, was er denn dort tue, antwortet er allerdings „na, fischen.“
Er tischlert auch, zeigt uns seine weiträumige, gut ausgestattete Werkstatt. In so einem Betrieb fällt ja immer was an. Im Raum nebenan steht eine große Tafel. Hier haben bereits Politiker des Landtags und andere Entscheider getagt und die Havelrenaturierung in Gang gebracht.
Ob er sich erhofft, dass die Havel nach der Renaturierung fischreicher wird? Dass Arten zurückkommen? Wolfgang Schröders Reaktion ist verhalten. „Sowas dauert“, sagt er. Der Fischer spekuliert nicht gerne darüber, was kommen könnte. Er ist ein Mann der Gegenwart, der gelassen jeden Tag nimmt wie er kommt.
Schröder zeigt uns einen dicken Ordner voller Erinnerungen. Fotos, Bilder von Kindern, die ihn gemalt haben und unzählige Zeitungsberichte. Seine Bekanntheit und die Anerkennung für ihn sind hoch in der Region. Bei jedem größeren Naturereignis scheint er zu Rate gezogen und abgelichtet zu werden. Besonders viele Artikel gibt es über das Elbehochwasser vor einigen Jahren. Damals lief die Gülle der umliegenden Felder in den See. Der Rhin brachte nicht genügend Frischwasser nach und so kippte der See um und durfte drei Jahre überhaupt nicht befischt werden. „Das Jahr danach, 2006, war richtig gut“, erinnert er sich. „Da gab es viele Fische.“
Wie vor 100 Jahren
Während sich die meisten Berufe im Laufe von 100 Jahren stark wandeln, geht das Fischen heute noch beinahe genauso wie damals, erzählt Wolfgang Schröder und er zeigt uns wie. Wir fahren mit einem kleinen Boot auf den Gülper See, wo er ebenso wie in Havel und Elbe Reusen ausgelegt hat, die täglich kontrolliert werden.
Ungefähr 30 Stöcke, die senkrecht aus dem Wasser ragen, tauchen aus dem Nebel auf. Hier sind die Reusen ausgelegt. Schröder zieht die erste aus dem Wasser und wir warten gespannt auf den Fang. Ein Aal, eine kleine Wollhandkrabbe und Brassen landen in der mit Wasser gefüllten Wanne, das Meiste wirft der Fischer wieder zurück, es ist zu klein. Seine Vorfahren seien die Strecke über den See gesegelt, sagt er. „Und die Netze bestanden damals aus Baumwolle oder Hanf, heute aus Nylon. Aber ansonsten ist es das Gleiche wie immer schon.“
Britta Hennigs
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