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Mehr Informationen zur Patenschaft!Oder-Fischsterben: Katastrophe kann sich 2023 wiederholen
Wieder erhöhter Salzgehalt und gefährliche Algenblüte
21. Juni 2023 - An der Oder droht sich die Katastrophe des vergangenen Sommers zu wiederholen: Der Grenzfluss zwischen Polen und Deutschland weist bereits jetzt im Frühsommer einen zu hohen Salzgehalt auf, die giftige Goldalge (Prymnesium parvum) breitet sich aus. Tote Fische sind in einigen Nebenkanälen der Oder bereits vermehrt gesichtet und eine Tonne Fischkadaver geborgen worden.
Der NABU hatte die Oder wegen der verheerenden Katastrophe 2022 mit dem Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“ ausgezeichnet und schon damals gewarnt: Die Katastrophe kann sich wiederholen. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger mahnt deswegen: „Die Oder braucht jetzt eine umfassende Renaturierung, um sie resilienter zu machen. Der ökologische und in der Folge wirtschaftliche Schaden auf beiden Seiten der Oder ist jetzt schon immens.“ Tourismus und die Fischerei seien im vorigen Jahr bereits komplett zum Erliegen gekommen. Der Oderausbau muss deswegen sofort gestoppt werden, „damit sich das Ökosystem erholen kann“, so Krüger weiter.
Salzgehalt, Algenblüte: Die Probleme sind geblieben
Trotz der Katastrophe im Vorjahr hat sich seitdem der Salzgehalt in der Oder kaum reduziert. Hinzu kommen wieder steigende Temperaturen und ein niedriger Wasserstand durch die lange Trockenheit. Beides setzt dem Fluss in Verbindung mit hoher UV-Strahlung zu, die erneute Blüte der Brackwasseralge könnte zu einer neuen Katastrophe führen, vor allem in den oberen Stauhaltungen und Nebenkanälen. Die Algenblüte ist sogar in der gleichen Region wie im Vorjahr zu beobachten.
Nach Informationen der polnischen Behörden wurden zwar viele kleinere Salz-Einleitungen gestoppt. Vieles deutet aber darauf hin, dass weiterhin zu viel Salz in die Oder fließt, die Hauptmenge stammt wahrscheinlich von einer großen, legalen Quelle.
Aus Sicht des NABU können auf lange Sicht nur Renaturierungsmaßnahmen die Oder gegen solche Katastrophen resilient machen. Dadurch kann unter anderem die Wassertemperatur gesenkt, die Wassermenge gesteigert und der Rückhalt des Wassers in der Fläche verbessert werden. „Die Oderkatastrophe ist keine Ausnahme, sondern muss als Warnung verstanden werden”, mahnt NABU-Gewässerexpertin Diana Nenz. Sie sieht die Gewässersysteme insgesamt an der Grenze ihrer Resilienz. Auch in Deutschland würden große Mengen Salz in die Flüsse geleitet, daher gebe es auch hier ein Potenzial für eine ähnliche Katastrophe. „Deshalb müssen Genehmigungen überprüft und eine Strategie zur schrittweisen Minderung der Salzfrachten erarbeitet werden.”
Wie es im Sommer 2022 zu der Oder-Katastrophe kam:
Umweltkatastrophe an der Oder 2022
Hoher Salzgehalt verursachte Fischsterben
30. September 2022 – Das massive Fischsterben in der Oder im August 2022 ist eine menschengemachte Katastrophe. Das geht aus dem heute veröffentlichten Bericht der deutschen Expertengruppe hervor. Demnach gilt als wahrscheinlichste Ursache ein sprunghaft gestiegener Salzgehalt. Dieser führte zur Algenblüte der Brackwasseralge Prymnesium parvum, die für Fische und andere Wasserorganismen tödliche Substanzen erzeugte. Allerdings mussten die Expert*innen offenlassen, wie es zu diesem deutlichen Anstieg kam – aufgrund von fehlenden Informationen. Unklar ist laut Bericht auch, wie die Brackwasseralge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten ist.
Klar ist allerdings: Das Ausmaß der Katastrophe ist das Ergebnis der extremen Wetterlage in diesem Sommer mit hohen Temperaturen und niedriger Pegelstände. Dadurch wurden Schadstofffrachten noch stärker konzentriert, die auf ein geschwächtes Flussökosystem trafen. Solch eine verheerende Konstellation könnte jederzeit an jedem anderen Fluss in Deutschland auftreten. „Der Vorfall zeigt eindringlich, dass wir unsere Gewässer fit für die Zukunft machen müssen“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Der NABU begrüßt das vom Bundesumweltministerium vorgeschlagene Maßnahmenpaket zur Regeneration der Oder. Ein weiterer Ausbau des Flusses muss vorerst verhindert werden. Dafür setzt sich der NABU mit anderen Umweltverbänden im „Aktionsbündnis lebendige Oder“ ein.
Dramatisches Fischsterben in der Oder
Folgen der Umweltkatastrophe noch jahrelang spürbar
15. August 2022 - Seit dem 11. August werden entlang der Oder massenhaft tote Fische gemeldet. Trotz intensiver Ermittlungen steht weiterhin nicht fest, was genau die ökologische Katastrophe ausgelöst hat. Klar ist jedoch, dass ein Straftatbestand vorliegt. Zur Aufklärung der Umweltkatastrophe hat die polnische Regierung bereits eine Belohnung von mehr als 200.000 Euro ausgesetzt.
„Die Folgen für die Oder sind dramatisch“, zeigt sich NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller bestürzt. Er ist überzeugt: Die Folgen für das Ökosystem und die Region werden noch über Jahre, vielleicht Jahrzehnte, hinwegzusehen sein. „Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen.“
Parallelen zur Sandoz-Katastrophe 1986 am Rhein
Erinnerungen werden wach an eine ähnliche Katastrophe am Rhein. Im November 1986 kam es in Basel zu einem verheerenden Chemieunfall, der auf rund 400 Kilometer Länge des Flusses ein Fischsterben verursachte. Die Auswirkungen auf das Ökosystem waren für mehrere Jahrzehnte messbar. In der Folge wurde ein Jahr später das „Aktionsprogramm Rhein“ gestartet. Mit ihm sollten die Wasserqualität und das Ökosystem Rhein nachhaltig verbessert werden.
NABU fordert Aktionsplan für die Oder
Wie am Rhein muss nun ein umfassendes Wiederherstellungsprogramm zur Renaturierung und Sanierung von Fluss und seinen Auen folgen. Unter der Federführung der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (IKSO) müssen die drei Anrainer Polen, Deutschland und Tschechien beteiligt werden. Das Programm muss dafür sorgen, dass die Schäden behoben und Wasserqualität und der Trinkwasserschutz verbessert werden. Auch das Ökosystem muss widerstandsfähiger gemacht und bereits verschwundene, aber früher heimische Arten, wie der Stör, wieder angesiedelt werden.
Stopp für die Ausbaupläne der Oder
Der NABU fordert zudem, den von polnischer Seite forcierten Ausbau der Oder auf Eis zu legen – mindestens so lange, bis das ökologische Sanierungskonzept vorliegt. Gegen die Ausbaupläne der polnischen Regierung klagt der NABU in einem Aktionsbündnis mit DNR und BUND Brandenburg. Im Juni 2022 hatten die Umweltverbände einen Meilenstein erreicht: Die zuständige polnische Umweltbehörde wurde gerichtlich dazu verpflichtet, die grenzüberschreitenden Auswirkungen des Projektes auf geschützte Arten und Lebensräume zu berücksichtigen und sich ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Biodiversitätskrise zu stellen. Auch die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, die Auenlandschaft der Oder zu schützen. Im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition heißt es: „Das bestehende Naturerbe an Oder und Mittelelbe schützen wir.“
Wichtige Rolle von Auen für Klima und Artenvielfalt
Auenlandschaften, wie die an der Oder, sind für uns Menschen extrem wichtige Ökosysteme – nicht nur im Zusammenhang mit Klima- und Biodiversitätsschutz, sondern auch als Krisenvorsorge. Bei Hochwasser etwa helfen sie als Puffer, um das überschüssige Wasser aufzunehmen und so die Gefahren für angrenzende Städte und Dörfer zu senken, das heißt, sie spielen für den natürlichen Hochwasserschutz eine große Rolle. Bedingt durch die Klimakrise werden solche Extremwetterereignisse stark zunehmen. Auch für die Artenvielfalt sind Auen ein wichtiger Lebensraum.
Hinweise der Behörden ernst nehmen
Anwohner*innen werden dringend gebeten, sich an die Hinweise der zuständigen Landkreise zu halten. Dazu zählt, derzeit weder im Fluss zu schwimmen noch Fische oder andere Pflanzen oder Tiere aus der Oder zu verzehren oder Haustiere ans Wasser zu lassen.
- Eckpunktepapier Aktionsprogramm Oder des „Aktionsbündnis lebendige Oder“
- Neue Analyse: Satellitendaten bestätigen massive Algenblüte in der Oder (Leibniz Institut für Gewässerökologie)
- Verdacht erhärtet sich: Algengift einer Brackwasser-Art in Oderwasser nachgewiesen - natürliche Ursachen unwahrscheinlich (Leibniz Institut für Gewässerökologie)
Polens Oberstes Verwaltungsgericht hat die Genehmigung des Oder-Ausbaus vorläufig gestoppt. Damit darf die Oder auf polnischer Seite vorerst nicht weiter ausgebaut werden. Mehrere Umweltverbände, darunter auch der NABU, hatten gemeinsam zuvor geklagt. Mehr →
Inzwischen ist klar, wie es zu dem dramatischen Fischsterben in der Oder kommen konnte: Es war menschengemacht. Erhöhter Salzgehalt führte zum Wachstum einer Alge, die giftige Substanzen erzeugte. Die Uhr tickt, denn so eine Katastrophe kann sich an jedem anderen Fluss in Deutschland wiederholen. Mehr →
Der Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“ geht im Jahr 2022 an das Fischsterben in der Oder. Ähnliche Umweltkatastrophen drohen allerdings auch an vielen anderen Gewässern, denn unseren Flüssen geht es dreckig. Der NABU fordert Gegenmaßnahmen. Mehr →
Die Oder ist ein besonderer Fluss, im Sommer wie im Winter. Ausbaupläne bedrohen die deutsch-polnische Lebensader. Am Mittellauf soll eine Kette von Staustufen entstehen, damit die Oder durchgehend für große Binnenschiffe befahrbar wird. Mehr →