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Ausbau- und Staustufenpläne an der Oder
Je strenger der Frost und je höher das Wasser in den Auenwiesen steht, desto mehr geflügelte Wintergäste zieht das Odertal an. Neben Gänsen und Enten sind es vor allem die eindrucksvollen nordischen Singschwäne, die einen Besuch lohnen.
Gänse ohne Flügel
Nur alle paar Jahre zu sehen sind die Brieger Gänse, auch sie mögen es besonders kalt. Brieger Gänse können nicht fliegen, sie lassen sich treiben. Es handelt sich nämlich um besondere Eisschollen, ihren Namen haben sie von der niederschlesischen Oderstadt Brieg – heute Brzeg – und den Geräuschen beim Zusammenstoßen im Wasser. Andernorts ist das Phänomen als Grundeisschollen oder Pfannkucheneis bekannt. Die Schollen entstehen aus Eiskristallen, die sich über dem kiesigen Flussgrund bilden und drehend nach oben steigen. Durch die andauernde Kollision der „Pfannkuchen“ erhalten sie einen wulstigen Rand.
Ob Brieger Gänse oder gewöhnliche Schollen, kritisch wird es, wenn sich diese zu Eisbarrieren zusammenschieben und damit den Fluss versperren. Das stoppt die Schifffahrt und fördert das Hochwasser. Deshalb tut auf der Oder eine kleine Flotte deutscher und polnischer Eisbrecher zusammen Dienst.
Hunderte Kilometer barrierefrei
Die in Tschechien entspringende Oder fließt zunächst gut 500 Kilometer durch Polen, bevor sie ab der Mündung der Lausitzer Neiße 160 Kilometer lang die Grenze zwischen Polen und Deutschland bildet. Zwar ist die Oder längst kein natürlicher Fluss mehr, auch hier gibt es Begradigungen und Buhnen. Als Grenzfluss verlor sie aber an Bedeutung, die Eingriffe waren spärlich. Sie ist einer der letzten Flüsse in Europa, den Fische und andere Tiere noch über hunderte Kilometer barrierefrei bis zum Meer durchwandern können. Immer wieder finden wir hier gut erhaltene große Waldkomplexe, artenreiche Auen und Wiesen, sowie für Flusstäler typische Altwasser. Das könnte sich nun ändern. Bereits 2015 haben Deutschland und Polen weitgehend unbeachtet ein „Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet“ geschlossen.
Angeblich damit die Eisbrecher besser arbeiten können, soll der Fluss deutlich vertieft werden. Dabei ist bisher kein einziger Eisbrechereinsatz an Untiefen gescheitert. Entscheidend für das Abkommen sind denn auch wirtschaftliche Interessen. Die Bundesrepublik möchte den Binnenhafen in Schwedt für Küstenmotorschiffe zugänglich machen und Polen will die Häfen Stettin und Swinemünde für Hochseeschiffe ausbauen.
Die deutsche Seite behauptet zwar, ein „Ausbau der Oder für den Schiffsverkehr“ werde „nicht angestrebt“. Doch auch unsere Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung will die Grenzoder gemäß dem Abkommen von 2015 regulieren – das sei aber kein Ausbau, sondern nur „Unterhaltung“, heißt es. Die alten Buhnen seien eben in die Jahre gekommen und müssten ersetzt werden.
Wird der Fluss zum Kanal?
Die polnischen Pläne gehen noch weiter. Am Mittellauf soll eine Kette von Staustufen entstehen, damit die Oder durchgehend für große Binnenschiffe befahrbar wird. Zusammen mit Tschechien träumt man gar von einem Donau-Oder-Elbe-Kanal, der die Nord- und Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbindet. Die gigantische „E30“-Wasserstraße wäre für Schiffe mit einer Länge von mehr als 80 Metern ausgelegt. Die kanalisierte Oder müsste dafür mindestens 2,5 Meter tief sein, der Fluss, wie wir ihn heute kennen, würde zerstört.
Durch den Ausbau würde die Oder in ein engeres Flussbett gepresst. Und das würde das Hochwasserrisiko erhöhen. Schnellere und steilere Hochwasserwellen seien möglich, warnt das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Auch Dürreperioden würden aufgrund von Sohlerosion und sinkendem Grundwasserspiegel begünstigt. Sohlerosion bedeutet, dass sich der Fluss immer tiefer eingräbt.
Gegen den Ausbau haben sich Flussschützer*innen aus Tschechien, Polen und Deutschland im Bündnis „SaveOder“ zusammengeschlossen. In Deutschland sprechen sich Politiker*innen aus fast allen Parteien gegen den Oderausbau aus. Das Brandenburger Umweltministerium legte sogar Widerspruch gegen die polnische Umweltverträglichkeitsprüfung ein, weil diese wichtige Aspekte außer Acht ließ.
Helge May (Artikel aus „Naturschutz heute“ 4/21)
Weitere Infos unter www.saveoder.org
Ausflugstipp
Besonders artenreich ist der Unterlauf der Oder. Im 10.000 Hektar großen Nationalpark Unteres Odertal nahe Schwedt lassen sich unter anderem Fischotter, Trauerseeschwalbe und Rohrdommel erleben, dazu kommen zahlreiche Wintergäste. Info: www.nationalpark-unteres-odertal.eu
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