Unterstützen Sie uns bei dieser Arbeit und sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass wir den faszinierenden Lebensraum Fluss bewahren können. Übernehmen Sie jetzt eine Fluss-Patenschaft!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Ein Fluss auf der Kippe
Der NABU klagt gegen die Elbvertiefung
Weser, Ems und Elbe – der Schaden ist derselbe. Dass wirtschaftliche Interessen und der Erhalt von Natur und Umwelt immer wieder kollidieren, zeigt sich eindrucksvoll am desolaten Zustand europäischer Flussmündungen. Das Gebot, Flüsse und Lebensräume wieder in einen „guten Zustand“ zu bringen, wird dabei allzu oft missachtet. So verhandelt das Bundesverwaltungsgericht ab 15. Juli die geplante neunte Vertiefung von Unter- und Außenelbe. Oder am Ende doch der Europäische Gerichtshof?
Von 2 auf 15 Meter Tiefe
Vor rund 200 Jahren bot das Flussmündungsgebiet der fischreichen Elbe zwischen Hamburg und dem schleswig-holsteinischen Wattenmeer eine malerische Kulisse. Kleine flache Lastkähne, Fischerboote und Handelsschiffe mit imposanten Segeln und wenig Tiefgang befuhren Deutschlands zweitlängsten Fluss. An den Elbufern erstreckten sich vielfältige Auen und bis zum Horizont sattes, vogelreiches Grünland, das bei Sturmfluten weitläufig überschwemmt werden konnte. Der Fluss war gesund, flach und hatte Raum.
Seither hat sich viel verändert. Abgesehen von stetig zunehmender Besiedlung und Eindeichung beiderseits der Elbe, wuchs die rund 120 Kilometer im Binnenland gelegene Hansestadt – und mit ihr der Hafen. Um den immer größer werdenden Schiffen den Zugang zu ermöglichen, musste das Flussbett der Elbe stetig ausgebaggert werden. War die Elbe um 1800 noch rund zwei Meter tief, wurde sie in den vergangenen beiden Jahrhunderten bereits acht Mal vertieft – letztmals 1999 auf nun rund 15 Meter.
Teurer Egoismus
Dass dieser Weg endlich sein würde, dämmerte den politisch Verantwortlichen offenbar zu Beginn des Jahrtausends. Doch anstatt, wie vereinbart, mit den Bundesländern Bremen und Niedersachsen beim über eine Milliarde Euro teuren Tiefwasserhafen „Jade-Weser-Port“ in Wilhelmshaven zu kooperieren, beantragte Hamburg trotzdem die nächste Elbvertiefung. „Hätten wir einen Nordstaat, gäbe es keine Doppelfinanzierung. Föderale Egoismen sind ungesund für das Steuersäckel, vor allem aber Gift für Natur und Umwelt“, meint der Hamburger NABU-Landesvorsitzende Alexander Porschke.
Auch andere bedeutende europäische Flussmündungen wie die von Weser, Ems, Loire Schelde oder Humber erleiden ähnliche Schicksale. „Durch eine eng am Flussbett verlaufende Deichlinie und zahlreiche unnatürliche Vertiefungen sind viele der tidebeeinflussten, sensiblen Lebensräume europäischer Flussmündungen mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna in einem ökologisch schlechten Zustand. Oder, wie bei Ems und Loire, bereits über viele Monate im Jahr faktisch biologisch tot“, beschreibt Porschke, ehemals Hamburger Umweltsenator, die teilweise dramatische Situation.
Renommierte Wissenschaftler sehen auch die Elbe auf der Kippe. Durch das extrem vertiefte Flussbett schießt der Flutstrom wie durch eine Röhre Richtung Hamburg. Tonnenweise werden Sedimente mitgerissen, Nebenarme der Elbe verlanden und attraktive Uferzonen verschwinden vielerorts durch die Wucht des Wassers. Dagegen kann der seichtere Ebbstrom das eingebrachte Material nicht wieder Richtung Elbmündung transportieren. Fachleuten bezeichnen den Effekt als „Tidal Pumping“. Für Porschke ist klar: „Eine weitere Vertiefung wird so zum unkalkulierbaren Risiko für Mensch und Natur. Und sie widerspricht europäischer Umweltgesetzgebung.“
Rechtmäßigkeit zweifelhaft
Auch bei Richtern scheinen Zweifel zu wachsen, ob solche Eingriffe sowohl dem „Verschlechterungsverbot“ als auch dem „Verbesserungsgebot“ im europäischen Wasserrecht entsprechen. Beim parallelen Verfahren zur Vertiefung der Weser überwies das Bundesverwaltungsgericht (BVG) deswegen jüngst die dortige Klage des BUND an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Um das beim Elbe-Verfahren unbedingt zu verhindern, haben die Vorhabenträger – die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes sowie die Hamburg Port Authority (HPA) – die Planunterlagen erneut ergänzt. „Seit 2006 wurden insgesamt sechs Anläufe unternommen, um das Projekt wenigstens rechtskonform zu machen“, resümiert Porschke. Seiner Ansicht nach hat die ignorante Haltung der Vorhabenträger gegenüber Natur und Umwelt maßgeblich dazu beigetragen, dass das BVG dem vom WWF unterstützten Eilantrag der klagenden Naturschutzverbände NABU und BUND stattgegeben und einen Baustopp verhängt hat.
In der Nachspielzeit
Dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit sechs festen und drei optionalen Verhandlungstagen ab Mitte Juli bemerkenswert viel Zeit nehmen will, um den komplexen Zusammenhängen des sensiblen Ökosystems Tideelbe noch tiefer auf den Grund zu gehen, zeigt die unter Umständen wegweisende Bedeutung des Verfahrens. „Es geht nicht um ein Kavaliersdelikt. Ob Deutschland mit einem ökologisch derart riskanten Vorhaben seiner vertraglichen Verpflichtung nachkommen kann, lassen wir gerichtlich überprüfen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger“, erklärt Alexander Porschke. Das ist Sinn und Zweck der so genannten „Verbandsklage“, bei der Naturschutzverbände uneigennützig zum Anwalt der Natur werden.
Bleiben den deutschen Richtern wie an der Weser Zweifel, können sie den Fall ebenfalls nach Straßburg zum Europäischen Gerichtshof überweisen.
Malte Siegert
Gegen eine weitere Vertiefung der Unter- und Außenelbe sprechen sowohl ökologische, ökonomische und rechtliche Argumente. Hier finden Sie die zehn wichtigsten im Überblick. Mehr →
Das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ entlarvt die Mythen, die sich rund um die Elbvertiefung spannen: Wird Hamburg ohne Elbvertiefung zu einem Regionalhafen? Müssen wir mit einem Heer von Arbeitslosen rechnen? Mehr →
Der NABU stellte auf dem Symposium "Integration von verkehrlicher Nutzung und Umweltzielen an der Tideelbe" der Hamburg Port Authority (HPA) seine Zielvorstellungen für ein nachhaltiges Management der Tideelbe vor. Mehr →