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Flussaktionen an der Aller
Die Aller und ihre Aue sind vielgestaltige wertvolle Lebensräume, die durch den Menschen zwar stark verändert wurden, aber nach wie vor für Pflanzen, Fische, Vögel, Säugetiere und nicht zuletzt für den Menschen eine hohe ökologische Bedeutung und einen enormen Erholungswert haben.
Mit Flussaktionen - Veranstaltungen auf und an der Aller - will der NABU die Allerniederung erlebbar machen. Welche Kostbarkeiten bieten die Aller und ihre Aue für Pflanzen, Tiere und Menschen? Warum und wo braucht die Aller unsere Hilfe, um sich wieder zu einem naturnäheren Fließgewässer entwickeln zu können und Tieren und Pflanzen einen intakten Lebensraum zu bieten? Und welche Herausforderungen von Naturschutz und Nutzung sind dabei zu beachten?
Wasser, Wald und Wiese – vier Flussaktionen führen in das Gebiet der schiffbaren Aller zwischen Celle und Verden. Es geht in besondere Lebensräume, die aufgrund ihres Artenreichtums unter europäischem Schutz stehen. Viele Naturschätze kommen nur noch relikthaft vor und müssen vor dem völligen Verschwinden bewahrt werden. Deshalb setzt sich der NABU im Akteursdialog Aller mit Vertretern aus Verwaltung, Verbänden und Politik an einen Tisch, um zusammen das Projekt „AllerVielfalt“ zu entwickeln.
Erlebnisberichte vergangener Aktionen
Wanderung im Naturschutzgebiet Hornbosteler Hutweide (April 2017)
„Durch Beweidung nachhaltig genutzte Kulturlandschaft bedeutet Artenvielfalt." Das konnten die Exkursionsteilnehmer in der Hornbosteler Hutweide hautnah erleben. Der NABU Bundesverband hatte in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wietze und dem NABU Kreisverband Celle zu einer Wanderung rund um das in der Alleraue gelegene Naturschutzgebiet Hornbosteler Hutweide eingeladen.
Einen Blick in die Vergangenheit gewährte Ulrich Pittius vom NABU Kreisverband Celle den knapp 30 Interessierten, ist die Hutweide doch ein Zeugnis der in den vergangenen Jahrhunderten üblichen Beweidung der Wälder. Schlehen können sich mit ihren langen Dornen sehr gut vor Verbiss schützen und wachsen daher in mehr oder weniger großen Gruppen in der Hutweide, wusste Ulrich Pittius zu berichten. Sie bieten Vogelarten wie Nachtigall, Dorngrasmücke, Neuntöter, Gelbspötter und Schwarzkehlchen Nahrung und sind Ansitzwarte, während sich im Inneren geschützt Bäume entwickeln können.
Durch das Wälzen der heute dort lebenden Heckrinder und Przewalskipferde entstehen immer wieder offene Bodenbereiche, die neuen Lebensraum für sogenannte Pionierarten wie Silbergras, Bruchkraut, Bauernsenf und Acker-Hornkraut bieten. So entstehen viele verschiedenartige Biotope auf kleinstem Raum. Zusammen mit dem Dung der Tiere ist immer wieder für eine Vielzahl von Insekten und Vögeln der Tisch reich gedeckt. Trotz ihrer unterschiedlichen Ansprüche und Nahrungsvorlieben kommen beispielsweise alle Spechtarten im Gebiet vor und sind damit Beleg für die Verschiedenartigkeit des Lebensraums.
So bieten die mit Gras bewachsenen Ameisenhügel, die es in der Hutweide in großer Anzahl gibt, z.B. Wendehals und Grünspecht eine hervorragende Nahrungsquelle. Der Mittelspecht mit seinem kleinen Schnabel andererseits ist bei der Nahrungssuche auf grobborkigen Bäumen mit viel stehendem Totholz angewiesen, das die im Gebiet vorkommenden Uralt-Eichen reichlich bieten.
Die Teilnehmer waren sich am Ende der Wanderung einig: Eine schonende Bewirtschaftung und der Erhalt einer kleinteiligen Landschaft trägt zu einer bunten Vielfalt an Pflanzen und Tieren und ist für viele Lebewesen lebensnotwendig.
Unterwegs im größten Auwaldgebiet an der Aller (Mai 2017)
Auwälder sind ganz besonders artenreiche Lebensräume. Diese Botschaft vermittelte Gerd Jülke von den Niedersächsischen Landesforsten den Exkursionsteilnehmern in die Ahldener Schlenke.
Mit etwa 80 Hektar ist die Schlenke zusammen mit der Ahldener Ahe das größte noch verbliebene Auwaldgebiet an der Aller. Wie wertvoll und für die Tier- und Pflanzenarten bedeutsam dieser Wald ist, belegen eindrucksvoll die über 80 Vogel- und Feldmausarten, die dort kartiert wurden. Eine kleine Überraschung wurde den Teilnehmern gleich zu Beginn der Exkursion bereitet, flogen doch gleich zwei Seeadler gut sichtbar vor den Augen der Naturinteressierten auf. Mit Kennerblick konnte der Seeadler-Beauftragte Peter Görke, der als Überraschungsgast mit von der Partie war, das Alter der Vögel benennen und informierte über die Lebensgewohnheiten der stattlichen Greife sowie die Entwicklung der Population in Niedersachsen.
Durch den Verzicht der Bewirtschaftung sind noch beeindruckende alte Eichen, vereinzelt knorrige Feldahorne und viel stehendes Totholz in diesem Hartholzauwald erhalten geblieben, das für verschiedene Käfer und Vögel als Wohnstätte und Nahrung dient. Der seltene 2-griffelige Weißdorn wächst hier und wird als Samenspender für andere Gebiete genutzt. Hartholzauwälder wie die Schlenke und die Bierder Koppel auf der gegenüberliegenden Allerseite werden natürlicherweise unregelmäßig vom Hochwasser überflutet, wusste Förster Gerd Jülke zu berichten. Eichen und Eschen, die häufigsten Baumarten dieses Waldtyps, haben sich an die teilweise lange währende Überflutung angepasst.
Dass auch die Ahldener Schlenke bereits nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand ist, wurde deutlich, als die Wanderer an die Aller gelangten. Ein Deich trennt seit Anfang der 70er Jahre den Wald von den natürlichen Hochwässern ab, so dass ein bedeutendes Hochwasser nur noch selten wie zuletzt 2004 den Deich übersteigt und damit den Auwald erreicht. Durch die fehlenden Überflutungen haben sich mittlerweile Pflanzenarten angesiedelt, die unter natürlichen Bedingungen hier nicht vorkommen würden. Wie wichtig der Erhalt wertvoller Lebensräume ist, erklärte Förster Jülke zum Abschluss der Wanderung: insbesondere die Vögel der Feuchtwiesen und Agrarlandschaft sind stark bedroht und in den letzten Jahrzehnten um teilweise über 80 Prozent zurückgegangen, wie beispielsweise das Rebhuhn. Ein Schutz der letzten Refugien naturnaher Lebensräume ist daher dringend geboten, so Förster Gerd Jülke.
Seeadler, Schwarzstörche und viel Wasser von oben und unten (August 2017)
„Das Highlight des Tages waren für uns der Seeadler und die Schwarzstörche!“ schwärmten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der Kanutour, die der NABU-Bundesverband im Rahmen des Akteursdialogs auf der Aller Mitte August angeboten hatte. Bis zum letzten Moment stand die Fahrt von Westen nach Verden auf der Kippe, da der Wetterbericht durchgehend Regen angesagt hatte. Doch die die 14-köpfige Gruppe ließ sich davon nicht abschrecken und stieg in die zwei großen Kanadier, die die Kirchengemeinde Dörverden zur Verfügung gestellt hatte. Problemlos bewältigten sie die gut 13 Flusskilometer unter der kundigen Führung der Steuermänner des Landeskanuverbands Niedersachsen (LKV).
Bei einem kurzen Zwischenstopp an der Lehrde-Mündung erläuterte der Biologe Thomas-Ols Eggers vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) das große Potenzial der Aller und ihrer teils noch sehr naturnahen Nebengewässer. Die Aller sei das wichtigste Verbindungsgewässer Richtung Südosten. Wanderfische wie Meerforellen und Neunaugen schwimmen hier teils mehrere Hundert Kilometer von der Nordsee über die Weser und die Aller Richtung Harz und Drömling, um gute Laichplätze zu finden. Auf der Fahrt konnte die Gruppe nicht nur seltene Vögel wie Seeadler und Schwarzstorch beobachten, sondern auch Spuren des Bibers entdecken. Immer wieder sah man die typischen Nagespuren an den Weiden am Ufer und die sogenannten Rutschen. „Früher hat die Wasserstraßenverwaltung die Aller intensiv unterhalten, da war das Ufer kahl. Seit einigen Jahren lassen sie das Weidengebüsch und andere Ufervegetation aufwachsen“, berichtete der ortskundige Jens Quade vom LKV. „Im Fachjargon heißt das `beobachtende Unterhaltung´, das heißt, es wird nur eingegriffen, wenn wirklich Probleme auftauchen. Das sieht dann nicht nur naturnäher aus, sondern spart auch Kosten“, ergänzte Julia Mußbach, NABU-Referentin für Gewässerpolitik.
Ziemlich durchnässt, aber trotzdem bester Laune kam die Gruppe nach gut zwei Stunden am Anleger des Wassersportvereins Verden an. Hier wurde gerade das 90-jährige Bestehen gefeiert und die tapferen Kanuten wurden mit heißer Suppe, Kaffee, Kuchen und Gegrilltem in Empfang genommen. In geselliger Runde im Vereinshaus wurden gleich Pläne für eine weitere Fahrt im nächsten Jahr geschmiedet. Sylke Bischoff, die für den NABU diese Tour und auch die anderen Flussaktionen an der Aller organisierte, war rundum zufrieden: „Die Unterstützung vom LKV und vom NLWKN war wirklich toll und macht Lust auf weitere gemeinsame Aktionen!“
Die Aller - Lebensader seit 2000 Jahren (September 2021)
Reges Treiben an der Aller gab es bereits zur Zeitenwende. Dies belegen umfangreiche archäologische Funde und Spuren, die vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NIhK) und der Kreisarchäologie des Landkreises Verden an der Aller bei Eissel und Bremen-Mahndorf zutage gefördert wurden.
Eingeladen vom NABU-Bundesverband im Rahmen einer Flussaktion, berichteten Dr. Annette Siegmüller vom NIhK und Dr. Jutta Precht vom LK Verden im Alten Schulhaus in Verden-Dauelsen über die in einem Forschungsprojekt erworbenen Kenntnisse. Zusammen mit dem Landkreis Verden bringt der NABU derzeit ein Fluss-Renaturierungsprojekt an der Aller im Landkreis Verden über das Förderprogramm Blaues Band Deutschland auf den Weg.
Grundlage der germanischen Lebensweise war die Landwirtschaft, mit der die einheimische bäuerliche Bevölkerung ihren Lebensunterhalt bestritt. Doch Fibeln, römische Münzen und Pferdegeschirr geben Aufschluss über Kontakte bis in das Römische Reich. Auf Ufermärkten und Umschlagplätzen wurde damit Handel getrieben, so Dr. Precht. Die Aller war zu dieser Zeit noch ein ungezähmter Fluss, der regelmäßig über die Ufer trat und die Bevölkerung zwang, sich dem jahreszeitlichen Rhythmus des Flusses anzupassen. Die Menschen hielten saisonale Märkte ab, nutzten im Sommer die Uferbereiche und zogen sich winters auf die höher gelegenen, hochwassersicheren Kuppen zurück. Die Aller wurde als natürlicher Verkehrsweg genutzt, um Handel mit entfernten Regionen zu treiben. Mit den regelmäßigen Überschwemmungen wurden Schlamm und damit Nährstoffe in der Aue abgelagert, die es den ersten Bauern ermöglichte, höhere Ernteerträge zu erzielen.
Durch Holzkohle und organische Abfälle schwarz gefärbte Horizonte belegen die hohe menschliche Aktivität entlang der Ufer. Dabei dürfe, so führte Dr. Siegmüller aus, nicht der Eindruck entstehen, dass die frühen Germanen immer im Einklang mit der Natur lebten. Anhand von Bodenuntersuchungen konnte beispielsweise fossiler Auenwald entdeckt werden, der bereits zur Zeitenwende großflächig dem menschlichen Bedarf an Holz zum Heizen und der Metallverarbeitung zum Opfer fiel.
Eindrucksvoll erläuterte Dr. Siegmüller, wie heute mit Hilfe moderner Technik, der sogenannten Geomagnetik, historische Flussläufe sichtbar gemacht werden. Insbesondere im Mündungsbereich von Aller und Weser können zudem Bodenanalysen Auskunft geben über die Zugehörigkeit von Altarmen oder Flussläufen zu Aller oder Weser. So wird die Mündung der ursprünglichen Aller deutlich weiter nördlich als heute bei Bremen-Mahndorf vermutet. Wie dynamisch die Aller einstmals gewesen ist und mit welcher Kraft sie die breite Niederung gestaltet hat, lässt sich anhand der vielen historischen, teilweise heute noch erkennbaren Flussläufe erahnen. Altarme liegen teilweise sieben Meter unter der heutigen Geländeoberkante und belegen die hohe Sedimentation der Aller.
Beim Anschluss der Alten Aller, der voraussichtlich ersten Renaturierungsmaßnahme des AllerVielfalt-Projektes, über das Sylke Bischoff, Mitarbeiterin des NABU-Bundesverbandes, informierte, werden sich Archäologie und Naturschutz wieder begegnen: Schon vor Jahrhunderten wurde der Versuch unternommen, den ursprünglichen Flusslauf der Aller der Stadt Verden anzunähern, lange Zeit jedoch vergeblich. Beim Wiederanschluss der Alten Aller wird der Fund alter Pfosten und Rammhölzer erwartet, mit denen das Gerinne umgelenkt werden sollte. Die Zuschauer zeigten sich begeistert über die Fülle von Erkenntnissen, die mit Hilfe moderner Technik das Leben früherer Jahrhunderte lebendig werden lässt.
Die Aller ist das wichtigste Verbindungsgewässer zwischen Nordsee und Harz. Mit dem Projekt „AllerVielfalt Verden“ wird ein Biotopverbund von nationaler Bedeutung entwickelt. Dafür ist bis 2031 ein Gesamtbudget von rund 17 Millionen Euro vorgesehen. Mehr →
Einst eine wichtige Schifffahrtsstraße, ist die Aller heutzutage die wichtigste Verbindung zwischen Nordsee und Harz. Auf ihren etwa 260 Kilometer langen Weg ist sie vielfältiger und herausragender Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Mehr →