Angriff erfolgreich abgewehrt
Ein Aktionsplan für biologische Vielfalt soll die bessere Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien vorantreiben.
Na endlich: Am 7. Dezember 2016 beschloss die Europäische Kommission die EU-Naturschutzrichtlinien in ihrer jetzigen Form beizubehalten. „Die EU-Naturschutzrichtlinien sind unverzichtbar für Europas Naturschutzpolitik.“, so die Kommission in ihrer Pressemitteilung.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seine Kommissare haben dem Vorschlag von EU-Umweltkommissar Karmenu Vella zugestimmt, die EU-Naturschutzrichtlinien zu erhalten und von einer Änderung der bestehenden Regelungen abzusehen. „Die Naturschutzrichtlinien sind relevant und zweckmäßig. Sie werden nicht geöffnet!“, kommentierte Vella die Entscheidung. Die im Zuge des vorausgegangenen Fitness-Checks ermittelten Herausforderungen und Probleme lägen nicht in der Gesetzgebung selbst, sondern in der mangelhaften Umsetzung und Finanzierung der notwendigen Maßnahmen begründet. Das ist das Ergebnis eines aufwändigen, zweijährigen Verfahrens, in dem die EU ihre beiden wichtigsten Naturschutzinstrumente, die EU-Vogelschutz- und die Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie, überprüft hatte.
Damit schloss sich die Kommission dem Votum der EU-Umweltminister, des Europäischen Parlaments, mehr als einer halben Million Bürgerinnen und Bürgern, zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen und den Umweltverbänden an, dass die Richtlinien wirksam sind und die wichtigsten Instrumente des europäischen Naturschutzes darstellen.
Anstelle einer Änderung der Richtlinien legte die EU-Kommission im April 2017 einen Aktionsplan vor. Dieser soll in den kommenden Jahren dabei helfen die bestehenden Defizite in der Richtlinienumsetzung zu beseitigen. Der Aktionsplan, der von der EU-Kommission als Mitteilung an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen verabschiedet wurde, trägt den verheißungsvollen Titel „Ein Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft“.
„Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft“
Der Aktionsplan enthält vier Schwerpunktbereiche und 15 konkrete Maßnahmen, die im Zeitraum von 2017-2019, also noch vor Ende der laufenden Amtszeit der jetzigen Kommission, abgearbeitet werden sollen. Den Überblick über die geplanten Maßnahmen ergänzt die Kommission mit sogenannten "Factsheets" (zip).
Folgende Schwerpunktbereiche legt die Kommission im Aktionsplan fest:
- Verbesserung von Leitlinien und Wissen sowie der Vereinbarkeit mit allgemeinen sozio-ökonomischen Zielen
- Übernahme politischer Eigenverantwortung und Verbessserung der Rechtseinhaltung
- Förderung von Investitionen in Natura-2000-Projekte und Verbesserung der Synergien mit Finanzierungsinstrumenten
- Bessere Kommunikation und Sensibilisierung, Einbindung von Bürgern, Interessenträgern und Gemeinschaften
Die gute Nachricht ist, dass der Aktionsplan die wichtigen Umsetzungslücken, z.B. die Vervollständigung des Natura 2000-Netzwerks und die Notwendigkeit verbindliche Managementmaßnahmen in allen Gebieten festzulegen, tatsächlich adressiert. Weiterhin will die Kommission die Leitfäden aktualisieren und das Monitoring mit Hilfe von Fernerkundung vorantreiben und die Kommunikation und Sensibilisierung, Einbindung von Bürgern, Interessenträgern und Gemeinschaften verbessern.
Die EU-Kommission schafft es in ihrem Aktionsplan leider nicht, die wichtigsten limitierenden Faktoren bei der Umsetzung der Richtlinien und der Biodiversitätsziele der EU progressiv zu adressieren: die Gemeinsame EU-Agrarpolitik und das systematische Versagen des EU-Haushaltes bei der Finanzierung des Naturschutzes. Wie die eklatante Unterfinanzierung des Naturschutzes beseitigt werden soll, dazu enthält der Aktionsplan keine konkreten und langfristig angelegten Maßnahmen. Der NABU schätzt, dass momentan höchstens 50 Prozent des Finanzierungsbedarfs durch den EU-Haushalt und die nationalen Haushalte gedeckt werden. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen (besonders Maßnahmen 8 und 9) werden lediglich einen kleinen Beitrag zu besseren Naturschutzfinanzierung leisten und den voranschreitenden Rückgang der biologischen Vielfalt in der EU nicht aufhalten können.
Der Aktionsplan der EU-Kommission ist somit nur erster Schritt in die richtige Richtung. Ob dieser wirklich ein Aktionsplan für die Natur sein wird, bleibt abzuwarten. Die EU-Kommission muss sich im Rahmen der Verhandlungen zum EU-Hauhalt und zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 für eine deutliche Erhöhung des Budgets für den Naturschutz einsetzen.
Forderungen der Umweltverbände
Die deutschen Umweltverbände fordern die Etablierung eines eigenen EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro, der durch die Mitgliedstaaten kofinanziert werden muss. Diese Gelder stünden für die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien und zusätzlicher Naturschutzmaßnahmen dann nach 2020 zur Verfügung. Zusätzlich soll das höchst effektive LIFE-Programm der EU beibehalten und weiter aufgestockt werden, um innovative Projekte zu fördern und den Naturschutzfonds zu ergänzen. Weiterhin muss die Konnektivität der Schutzgebiete durch die Förderung transeuropäischer Netze für Grüne Infrastruktur (TEN-G) vorangetrieben und ähnlich wie die TEN-E und TEN-T über die Connecting Europe Facility finanziert werden, so die Forderungen der Verbände.
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