Unterstützen Sie uns bei dieser Arbeit und sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass wir den faszinierenden Lebensraum Fluss bewahren können. Übernehmen Sie jetzt eine Fluss-Patenschaft!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Für ein „Blaues Band“
Wir brauchen naturnahen Hochwasserschutz
Nach der Flutkatastrophe 2002 sollte alles besser werden. Mehr und höhere Deiche, ein effizientes Frühwarnsystem, weniger Baugebiete und landwirtschaftliche Nutzflächen in potenziellen Überschwemmungsgebieten und vor allem mehr Raum für Flüsse und Bäche sollten die Folgen anhaltender Starkregenereignisse in Grenzen halten. Nun hatten wir im Juni erneut ein Jahrhunderthochwasser.
Immerhin, das Vorwarnsystem hat gut funktioniert. Da die Wetterdienste schon frühzeitig auf die extremen Regenmengen hinwiesen, konnten sich viele Menschen an Donau oder Elbe rechtzeitig auf die Fluten vorbereiten. Dennoch sind die Folgen gewaltig. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf zwölf bis 15 Milliarden Euro geschätzt. Dabei sind die Kosten für die Erneuerung von Verkehrswegen und sonstiger Infrastruktur nicht eingerechnet. Alleine die Deutsche Bahn rechnet mit Folgekosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro.
Worten müssen Taten folgen
Bund und Länder haben sich auf die Einrichtung eines Fluthilfe-Fonds mit einem Volumen von rund acht Milliarden Euro verständigt. Darüber hinaus möchten die Länder EU-Mittel aus dem Strukturfonds sowie dem Fonds für den ländlichen Raum zur Hilfe für die Flutopfer einsetzen. Notwendige Maßnahmen, keine Frage. Noch sinnvoller allerdings wäre es, den Sonntagsreden nach Hochwasserkatastrophen endlich nachhaltige wie vorbeugende Taten folgen zu lassen.
Heldengeschichten wie die des Oberst Claus Körbi, Kommandeur des Bundeswehr-Landeskommandos Sachsen-Anhalt, der bei Fischbeck drei Lastkähne versenken ließ und so ein 90 Meter großes Loch im Elbdeich stopfte, gehen am Kern des Problems vorbei. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat in seinem 2009 erarbeiten Auenzustandsbericht belegt, dass über zwei Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen an den Flüssen in Deutschland vernichtet wurden. Zudem befinden sich nur noch zehn Prozent der Auen in einem naturnahen Zustand.
Natürliche Rückhaltebecken
BfN-Präsidentin Beate Jessel hat nach dem Hochwasser in Sachsen 2010 Klartext geredet: „Technischer Hochwasserschutz wird auch in Zukunft allein nicht ausreichen, um mögliche Hochwasserkatastrophen abzuwenden. Nur ausgedehnte Flussauen können als natürliche Rückhaltebecken den Abfluss großer Wassermassen stetig verlangsamen und damit das Hochwasserrisiko im gesamten Flusslauf verringern.“ Zumal sich 2013 an der Elbe wieder einmal gezeigt hat, dass funktionierende Deiche im Oberlauf eines Flusses die Probleme flussabwärts – etwa in Magdeburg – noch verschärfen können.
Nach Ansicht des NABU sollte sich der Deichausbau künftig auf Siedlungen und wichtige Infrastruktur konzentrieren. Gleichzeitig müssten mindestens 500.000 Hektar, langfristig sogar 80 Prozent der heute landwirtschaftlich genutzten Auen an Flüssen wieder naturnah gestaltet werden. NABU-Naturschutzexperte Till Hopf weiß allerdings, dass so etwas bei größtenteils bewirtschafteten Flächen in Privatbesitz nicht von heute auf morgen geht: „Flächen müssen gekauft oder getauscht und dabei Entschädigungsvereinbarungen für die betroffenen Landbesitzer getroffen werden.“
Gutes Beispiel Havel
Retentionsflächen an der Unteren Havel haben bereits in diesem Jahr viel Hochwasser aus der Elbe aufgenommen und so zur Entlastung der Elbanlieger beigetragen. Im Zuge des NABU-Renaturierungsprojektes werden an der Unteren Havel durch den Rückbau von Deichen und Dämmen weitere 500 Hektar Überflutungsfläche zurückgeholt. Auch der Anschluss von Flutrinnen trägt zur Verbesserung des Hochwasserschutzes bei. „Nach Abschluss der Renaturierung werden die Pegel in Rathenow künftig mindestens zehn Zentimeter niedriger ausfallen als heute“, prognostiziert Rocco Buchta, Leiter des NABU-Havelprojektes.
Das Bundesverkehrsministerium will mit einer Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung das Wasserstraßennetz in Deutschland erhalten und modernisieren. Diese Reform bietet aus NABU-Sicht die Chance, den Gewässer- und Naturschutz deutlich stärker als bislang in die Verkehrsnutzung der Flüsse zu integrieren. Bitter notwendig, denn der von der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderte „gute Zustand“ für alle Flüsse bis 2015 ist noch sehr weit weg. Und neben dem Eintrag von Nährstoffen, vor allem aus der Landwirtschaft, ist dafür in erster Linie „die Veränderung der Gewässerstruktur durch Begradigung, Uferbefestigungen und Wehre verantwortlich“, so NABU-Experte Hopf.
Im Rahmen der Wasserstraßenreform sollten daher alle Bundeswasserstraßen auf ihre volkwirtschaftliche Effizienz und ihre Umweltverträglichkeit getestet werden. Sinnvoll wäre es zudem, ineffiziente Bundeswasserstraßen aus der Nutzung zu nehmen, findet NABU-Präsident Tschimpke: „Die Renaturierung dieser Flüsse kann dann über ein neu aufzulegendes Bundesprogramm ‚Blaues Band‘ erfolgen, das von der Bundeswasserstraßenverwaltung in Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden und Umweltverbänden umgesetzt wird.“
Bernd Pieper
Die Renaturierung von Fließgewässern hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Nun ist schnelles Handeln gefragt. Denn vor allem Flussauen sind ein wichtiger Lebensraum und Beitrag zum Hochwasserschutz, doch laut aktueller NABU-Studie in einem schlechten Zustand. Mehr →