Volltransparente Glasfassade - Foto: Klemens Steiof
Vogelfalle Glas
Warum Fensterscheiben und Co. für Vögel so gefährlich sind
Allein in Deutschland sterben jedes Jahr möglicherweise 100 Millionen Vögel durch den Aufprall gegen Glasscheiben. Das ergeben Hochrechnungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW). Denn Vögel erkennen Glasflächen nicht als Hindernis. Sie sehen nur die Landschaft, die durch das Glas scheint oder sich darin spiegelt. Dann prallen sie mit hoher Geschwindigkeit gegen die gläsernen Fronten, brechen sich das Genick oder ziehen sich eine tödliche Gehirnerschütterung zu. Da immer mehr Glas verbaut wird, steigt die Zahl der verunglückten Vögel höchstwahrscheinlich weiter.
Glasklare Eigenschaften
Glas besitzt zwei optische Eigenschaften, die Vögeln zum Verhängnis werden.
Die Durchsicht oder Transparenz gaukelt einem Vogel einen scheinbar freien Flugweg vor. Der Vogel erkennt hinter der Scheibe den freien Himmel oder den nächsten Baum und will sein Ziel auf direktem Wege anfliegen.
Beispiele für diese Gefahrensituationen sind Verglasungen über Eck, wie beispielsweise bei Wintergärten oder verglaste Bushaltestellen, Lärmschutzwände, Verbindungsgänge oder Treppenhäuser.
Die Spiegelung oder Reflexion von Glasscheiben täuscht dem Vogel die Fortsetzung einer Landschaft oder des wolkigen Himmels vor. Er erkennt lediglich die sich im Glas spiegelnde Umgebung und setzt zum Flug in den vermeintlich nächsten Baum an.
Deshalb können Glasfassaden, wie zum Beispiel von Schwimm- oder Sporthallen, Fenster von Wohnhäusern oder verglaste Bushaltestellen gefährlich sein.
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100 Millionen Vögel sterben allein in Deutschland jedes Jahr durch Kollisionen mit Glasscheiben. Damit ist der Glastod die größte menschengemachte Todesursache für Vögel. Bitte helfen Sie uns jetzt, das sinnlose Vogelsterben zu beenden!
Problem: Beleuchtung
Abends und nachts sind vor allem zur Zugzeit von innen beleuchtete Glasscheiben eine Gefahr. Vögel orientieren sich auf ihren Zugwegen an Mond und Sternen sowie am Erdmagnetfeld, welches sie mithilfe ihrer Augen wahrnehmen. Gerade nachts ziehende Vögel können durch künstliche Lichtquellen und die starken Lichtemissionen großer Städte ihre Orientierung verlieren und von ihren Zugwegen abkommen.
Sie fühlen sich vom Lichtkegel angezogen und fliegen in Städten umher. Als Folge dessen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit Glasscheiben kollidieren. Lichtemissionen sollten nicht nur aus Vogelschutzperspektive, sondern auch zum Schutz von Insekten reduziert werden. Angesichts steigender Energiekosten schont man damit auch den eigenen Geldbeutel.
Gefährliche Gebäude für Vögel
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Die Spiegelungen dieses Schulgebäudes können für Vögel lebensgefährlich werden. - Foto: Klemens Steiof
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Vogelgefährliche Gebäudefassade - Foto: Klemens Steiof
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Für Vögel ist die Glasfront nicht zu erkennen - Foto: Catherina Schlüter
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„Cube“ Berlin bei Nacht. Abends und nachts sind von innen beleuchtete Glasscheiben eine Gefahr. - Foto: Catherina Schlüter
Glasklare Folgen
Nicht jede Glasscheibe ist gleich gefährlich. Generell gilt: Je größer die Glasflächen desto größer das damit verbundene Risiko für Vogelanprall. Besonders gefährlich sind blank geputzte Glasfronten und solche in der Nähe von Gärten, Waldrändern und Flüssen – dort, wo sich besonders viele Vögel aufhalten und sich attraktive Vegetation in den Scheiben spiegeln kann.
Die Dunkelziffer der an Glas verunglückten Vögel ist vermutlich noch höher als die Hochrechnung der LAG VSW ergeben hat. Denn Katzen, Marder, Krähen oder Füchse machen sich schnell über die verunglückten Vögel her, so dass kaum Spuren zurückbleiben.
Außerdem wirken nicht alle Kollisionen direkt tödlich. Manche Vögel sterben erst dann an inneren Verletzungen oder Schädel-Hirn Traumata, wenn sie den unmittelbaren Fensterbereich bereits verlassen haben. Hin und wieder zeugt noch ein Puderabdruck des Federkleids oder hängengebliebene Federn auf den Scheiben von einer Vogelkollision.
Glasklares Gesetz? Fehlanzeige!
Tatsächlich gibt es bislang keine Rechtsvorschriften, die eine vogelsichere Gestaltung von Glasflächen regeln. Das Tötungsverbot nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) besagt immerhin, dass alle besonders geschützten Arten, zu denen auch heimische Vogelarten zählen, nicht getötet oder verletzt werden dürfen. Dieses Tötungsverbot umfasst auch Handlungen, die das Töten wissentlich billigen, wie im Straßenverkehr oder an Glasflächen.
Doch Vögeln wird ein „allgemeines Lebensrisiko“ zugeschrieben, wodurch Vogelopfer bis zu einem bestimmten Schwellenwert, nämlich dem „signifikant erhöhten Tötungsrisiko“ quasi als Kollateralschaden verbucht werden. Das Tötungsverbot kann nur greifen, wenn diese signifikante Erhöhung vorliegt und keine Ausnahmeregelung durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses oder Fehlen von zumutbaren Alternativen nach § 44 Abs.7 BNatSchG eintreten.
Damit Vogelfreund*innen die signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos nachweisen können, braucht es stichhaltige Nachweise, zum Beispiel durch ein Monitoring: Ist über einen bestimmten Zeitraum an einem Gebäude festzustellen, dass das normale Lebensrisiko für Vögel signifikant erhöht ist, liegt ein Tötungsverbot und somit rechtlicher Handlungsbedarf nach § 44 BNatschG vor.
Dieses Verfahren übersieht allerdings erstens vogelgefährliche Neubauten, da ein Monitoring immer erst im Nachhinein stattfinden kann. Zweitens setzt es voraus, dass jede bereits bestehende Glasscheibe von Gebäuden, Lärmschutzwänden und Co. von aufmerksamen Vogelfreund*innen entdeckt und das jeweilige Tötungsrisiko ermittelt wird. Dies ist aber glasklar Aufgabe der Politik, eine entsprechende Rechtsvorschrift ist längst überfällig.
Wie berechnet sich die Zahl von 100 Millionen Vogelopfern?
Untersuchungen aus den USA, die sich auch auf Deutschland übertragen lassen, führen zu einer Schätzung von etwa zwei Glasopfern pro Jahr bei Einfamilienhäusern. Wesentlich mehr Vögel sterben an größeren Gebäuden mit häufig großen Glasflächen, wie Turnhallen, Schulen, Büro- und Verwaltungsgebäuden. Dazu kommen einige besonders gefährliche verglaste Hochhäuser wie etwa der Post-Tower in Bonn, die für eine hohe Zahl an Vogelkollisionen bekannt sind.
Zusammengenommen ergeben sich daraus schätzungsweise 100 Millionen Glasopfer pro Jahr in Deutschland.
Welche Vogelarten sind besonders betroffen?
Durch Vogelkollisionen an Glas sterben nicht nur häufige, sondern mitunter auch seltene Vogelarten, die auf ihren Zugwegen Siedlungsbereiche kreuzen und dort mit Glas in Berührung kommen. Auch ortserfahrene Vögel, die sich an die menschliche Umgebung angepasst haben, werden Opfer von tödlichen Glaskollisionen.
Betroffen sind auch Jungvögel, denen die urbane Umgebung noch völlig neu ist. Häufig aufgefundene Arten sind unter anderem Eisvogel, Drosseln, Sperber, Turmfalke und Waldschnepfe.
Sind einzelne Vogelarten durch den Glastod in ihrem Bestand gefährdet?
Der Faktor Glas hat für die Vogelpopulationen Deutschlands und Europas eine sehr hohe Relevanz als Sterblichkeitsfaktor und führt möglicherweise jedes Jahr zum Tod von fünf bis zehn Prozent aller Vögel. Betroffen sind meist individuenstarke Kleinvogelarten und auch Jungvögel, die kurz nach dem Ausfliegen ohnehin eine hohe Sterblichkeit besitzen.
Dennoch gibt es Vogelarten, die durch Vogelschlag an Glas möglicherweise einer überproportional starken Sterblichkeit unterliegen. Bei ohnehin abnehmenden Vogelarten ist jeder zusätzliche Gefahrenfaktor relevant.
Wieso können Vögel Glas nicht erkennen?
In der freien Natur gibt es für Vögel keine harten und zugleich durchsichtigen Strukturen. Vögel sind, mit Blick auf die Entwicklungsgeschichte, nicht auf derartige Hindernisse in ihrem Flugraum eingestellt.
Hinzu kommt, dass sie wegen ihrer seitlich sitzenden Augen mit einem guten Rundumblick ausgestattet sind, während das zielgerichtete Sehen nach vorne bei den meisten Vogelarten stark eingeschränkt ist.
Wann spricht man von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko?
Der Schwellenwert für ein normales Lebensrisiko, den die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten ermittelt hat, beträgt im Jahr zwei Vögel auf 100 Meter Fassadenlänge. Ab fünf Vögeln handelt es sich um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko, wodurch rechtlicher Handlungsbedarf im Sinne des § 44 BNatschG besteht.
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