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Jetzt informieren!Kohlekraftwerke sind nicht die Lösung
Stromversorgung ohne CCS-Technologie klimaverträglich umbauen
13. April 2011 -
Wer für einen schnellen Atomausstieg ist, muss dafür sorgen, dass genügend Energie aus anderen Quellen verfügbar ist. Aktuell wird hier auch über Kohle diskutiert. „Neue Kohlekraftwerke, deren CO2-Ausstoß unter die Erde gepumpt wird, braucht Deutschland nicht. Daran ändert auch ein deutlich beschleunigter Atomausstieg nach Fukushima nichts“, kommentierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller den für heute erwarteten Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf über die Abtrennung und unterirdische Deponierung von Kohlendioxid.
Beim Verbrennen von fossilen Rohstoffen wie Braunkohle, Steinkohle und Erdgas sowie bei manchen Produktionsprozessen in der Industrie wie der Herstellung von Stahl oder Zement entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Die nach bisherigem Kenntnisstand einzige Möglichkeit, diesen CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren, besteht in der Abtrennung, Transport und dauerhaften Speicherung des Kohlendioxids im geologischen Untergrund. Mithilfe verschiedener Verfahren kann das entstehende Kohlendioxid weitgehend vom restlichen Abgasstrom abgetrennt werden. In den weiteren Prozessschritten muss es dann – meist per Pipeline – zu einem geeigneten Speicherort transportiert und in unterirdische Gesteinsformationen gepresst werden, um dort hoffentlich langfristig und sicher zu lagern. Im Fachjargon werden die verschiedenen Verfahren und Technologien, die dafür benötigt werden, unter dem Kürzel CCS – Carbon Dioxide Capture and Storage – zusammengefasst.
Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Anwendung der CCS-Technologie in Deutschland regeln soll. Darin geht es vor allem um die Erkundung, Genehmigung und Überwachung von möglichen unterirdischen Speichern für das abgetrennte Kohlendioxid. Außerdem wird geregelt, wie die Betreiber von Speichern für mögliche Schäden vorsorgen sollen und ab wann sie die Haftung für die Risiken der Kohlendioxid-Deponierung auf die Allgemeinheit übertragen dürfen.
Risiken nicht auf Steuerzahler abwälzen
Der NABU hat die Verabschiedung durch das Bundeskabinett kommentiert und den beteiligten Ministerien seine Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Verfügung gestellt. Darin fordert der NABU, den Schutz von Mensch und Natur in den Mittelpunkt zu stellen. „Wenn CO2 zunächst durch kilometerlange Pipelines befördert und dann tief in die Erde gepumpt wird, müssen die Sicherheit der Bevölkerung und der Schutz der Natur an erster Stelle stehen“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Zudem fordert der NABU, dass diejenigen Energie- und Klimaschutztechnologien im Untergrund, von denen wir wissen, dass sie funktionieren – wie Erdwärmenutzung und Druckluftspeicherung – klaren Vorrang haben vor der Kohlendioxid-Deponierung, von der noch niemand weiß, ob sie sicher und dauerhaft funktioniert. Die Vermeidung und Verminderung von Kohlendioxid muss gegenüber der Deponierung von bereits entstandenem Kohlendioxid bevorzugt werden und nicht umgekehrt.
Außerdem hält es der NABU für völlig inakzeptabel, dass die Haftung für alle künftigen Risiken, die von Millionen Tonnen Kohlendioxid unter der Erde ausgehen, bereits maximal 30 Jahre nach Schließung eines Kohlendioxid-Speichers an die Allgemeinheit – sprich die Steuerzahler – übergehen kann. Die Energiekonzerne räumen selbst ein, dass erst nach 100 bis 300 Jahren verlässliche Aussagen über das Verhalten des Klimagases im Untergrund gemacht werden können. Daher fordert der NABU eine längere Haftungsfrist, und dass die Betreiber auch für nach Ende dieser Frist auftauchende Schäden vorsorgen müssen.
Wenn CCS, dann nur für Industrieanlagen
Die CCS-Technologie ist noch weit von der kommerziellen, großtechnischen Umsetzbarkeit entfernt. Dies wird mindestens bis zum Jahr 2025 dauern. Und selbst eine dann ausgereifte Technologie wird so hohe Mehrkosten mit sich bringen, dass Strom aus Erneuerbaren Energien günstiger sein dürfte als aus CCS-Kohlekraftwerken. Denn Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid erhöhen den Energieverbrauch der jeweiligen Kraftwerke deutlich. Daher geht der NABU auch davon aus, dass CCS – wenn überhaupt – eher dazu gebraucht wird, damit die beispielsweise bei der industriellen Produktion von Zement oder Stahl unvermeidbaren Treibhausgasemissionen das Klima nicht weiter aufheizen.
Das größte Risiko der CCS-Technologie ist die ungeklärte Frage der langfristigen Speichersicherheit. So gibt es noch keinerlei Erfahrungen darüber, was passiert, wenn hunderte Millionen Tonnen Kohlendioxid in tiefe Gesteinsschichten gepresst werden. Dabei muss gewährleistet sein, dass das deponierte Klimagas keine unterirdischen Wasservorkommen verdrängt, Gesteinsschichten angreift oder Schadstoffe ins Grundwasser transportiert, sondern über tausende Jahre sicher in der vorgesehenen geologischen Formation verbleibt. Ob es dafür genügend geeignete unterirdische Speicherstätten gibt, ist ebenfalls noch offen.
Pragmatische Abwägung
Angesichts dieser Nachteile sollten Potenziale und Perspektiven der CCS-Technologie nüchtern und realistisch betrachtet werden. Dass sie in Deutschland einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten wird, ist angesichts der langen Vorlaufzeit bis zur großtechnischen Einsatzfähigkeit, der hohen Kosten und der unklaren Speicherverfügbarkeit eher unwahrscheinlich. Dennoch wäre es aus NABU-Sicht klimapolitisch unklug, frühzeitig auf diese Option komplett zu verzichten. Kohlereiche, schnell wachsende Volkswirtschaften wie Indien und China werden höchstwahrscheinlich die Kohleverstromung nicht so frühzeitig reduzieren, wie dies klimapolitisch geboten wäre. Es erscheint derzeit sinnvoll, für diesen Fall die hochkomplexe Technologie weiterzuentwickeln und zu erproben.
Wenn CCS funktioniert, kann es eine unterstützende Klimaschutzoption sein – vor allem in Ländern wie Indien und China. In Deutschland könnte CCS dann zum Einsatz kommen, um die nach bisherigen Kenntnissen unvermeidbaren Treibhausgasemissionen der Industrie aus der Atmosphäre fernzuhalten. Außerdem könnte CCS dazu beitragen, bei der Verstromung von Biomasse Netto-Senken für Kohlendioxid zu schaffen, um der Atmosphäre so CO2 zu entziehen.
Der NABU befürwortet daher die weitere Erforschung und vorsichtige Erprobung der CCS-Technologie – außerhalb der Kohleverstromung. Denn sonst würden Deutschland und die EU kopflos in eine „Kohle-CCS-Sackgasse“ rennen, wenn neue Kohlekraftwerke gebaut werden – in der bloßen Hoffnung, dass CCS bald einsetzbar sein wird. Und was passiert, wenn sich herausstellen sollte, dass die Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung technisch nicht funktioniert oder die Nachrüstung bestehender Kraftwerke mit CCS zu teuer ist? Alle gerade gebauten Kohlekraftwerke mit ihren dann viel zu hohen Kohlendioxid-Emissionen werden zu teuren Investitionsruinen – oder die Klimaschutzziele werden zu Politikruinen.