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Zugluft im Stall
Noch gehören Rauchschwalben zu den häufigen Singvögeln
Dass es gefährlich sein könnte, im Rinderstall auf einer Leiter zu balancieren und Schwalbennester zu inspizieren, hat Katharina Philipp vorher gewusst. Doch der Bulle, der bei einem ihrer Kontrollgänge die Leiter rammte, kam überraschend von hinten. Glücklicherweise ist der 18-Jährigen nichts passiert - sieht man von den blauen Flecken ab, die sie sich beim Sturz geholt hat. Der Zusammenprall mit dem Jungbullen hat ihren Elan bei der Erforschung der Rauchschwalben nicht gebremst. Beim rheinland-pfälzischen Landeswettbewerb "Jugend forscht" belegte die Arbeit der Gymnasiastin aus Rüscheid bei Koblenz den zweiten Platz, doch wichtiger ist Katharina die Anerkennung der Vogelwarte Radolfzell, wo sie inzwischen als Mitarbeiterin bei deutschlandweiten Forschungsprojekten akzeptiert ist.
Kulturfolger in altmodischen Ställen
Im Stall von Hof Kaisereiche, einem Milchhof auf einer Anhöhe nahe Dierdorf: Den Blick suchend an die Decke geheftet, stiefelt Katharina durch die Stallgasse. Aus den Boxen angeln die Rinder mit rosigen Zungen nach der jungen Frau und hinterlassen Flecken auf ihrer verschlissenen Regenjacke. Es riecht streng. Immer wieder zeigt Katharina nach oben: Gut 50 Schwalbennester schmiegen sich dort an die verwitterten Deckenbalken. Als Kulturfolger, die sich über Jahrhunderte an das Leben in den Dörfern angepasst haben, lieben Rauchschwalben altmodische Ställe wie diesen. Hier haben sie es warm und Insekten finden sie im Überfluss. Moderne, nahezu offene Kaltställe, die eine artgerechtere Rinderhaltung ermöglichen, meiden sie dagegen.
Katharina deutet hinüber zum Kaltstall, den der Bauer erst kürzlich hat errichten lassen: "Die Schwalben mögen den ständigen Durchzug nicht", erläutert sie. "Außerdem gibt es dort kaum Insekten." Infolge der Modernisierung sei die Zahl der Brutpaare auf Hof Kaisereiche innerhalb von drei Jahren von 26 auf 12 zurückgegangen. Die Schwalben haben zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Nistplätze zu finden, denn es werden immer mehr moderne Kaltställe gebaut und kleine, ältere Höfe geschlossen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist einer von mehreren Faktoren, die Katharina im Laufe ihrer Forschungen klar gemacht haben, dass das langfristige Überleben der gesamten Spezies auf Messers Schneide steht: "Obwohl Rauchschwalben noch häufig anzutreffen sind, ist die Situation bedrohlich."
Standorttreu und monogam
Wenn Katharina so redet, spürt man das Feuer, das sie für ihr Thema hat. Dabei war sie anfangs nur mäßig angetan von der Idee, ihre Freizeit den Rauchschwalben zu opfern. Angestachelt von ihrer Biologie-Lehrerin nahm sie dennoch im Frühjahr 2005 ihre dreijährige Intensivstudie in Angriff: Auf einem klapprigen Fahrrad oder chauffiert von der Mutter fuhr sie über hundert Bauernhöfe ab, inspizierte Ställe, nummerierte Nester, notierte die Gelege und zählte Schwalben. Am Schluss hatte sie die gesamte Population der Region erfasst und kartiert. Nach und nach wuchs auch das Interesse an dem sperlingsgroßen Sänger mit dem tief gegabelten Schwanz und steigerte sich mit dem Beringen der Vögel zur Begeisterung: "Es ist toll und faszinierend, den Herzschlag eines Vogels in der Hand zu spüren", schwärmt die junge Frau mit den nach hinten gebundenen schwarzen Locken.
Um die Brutbiologie der Rauchschwalben zu erforschen, hat Katharina Philipp Farbringe eingesetzt. Farbig beringte Vögel muss man nicht mehr fangen, um sie individuell zu identifizieren. Katharina konnte auf diese Weise belegen, dass Rauchschwalben ihren Partnern treu bleiben; zwischen den zwei bis drei Bruten, die sie pro Jahr haben können, jedoch die Nester wechseln. Im Frühjahr, wenn sie aus den Winterquartieren im westlichen und südlichen Afrika zurück sind, suchen Rauchschwalben immer wieder den angestammten Hof auf. Eindeutige Aussagen über die Entwicklung der Population lassen sich aus ihrer Forschungsarbeit allerdings nicht ableiten: "Dazu sind drei Jahre eindeutig zu kurz", räumt Katharina ein. Deshalb will sie dranbleiben, um präzisere Aussagen treffen zu können. Bald wird sie also nochmals Viehställe inspizieren und Schwalben zählen.
Angewiesen auf menschliche Hilfe
Ein bedenklicher Trend lässt sich jedoch bereits jetzt klar belegen: Weil optimale Nistplätze langsam rar werden, bauen die Tiere ihre Nester immer öfter in Garagen und Waschküchen. "Nicht jeder mag dort brütende Rauchschwalben", sagt Katharina. Der Lebensraum der Art sei akut bedroht: "Kleine Höfe verschwinden nach und nach, große werden immer intensiver bewirtschaftet und damit als Brutgebiet zunehmend uninteressant." Ein übriges tue der Klimawandel mit tendenziell mehr verregneten Sommern: "Die Brut erfriert oder verhungert. Künftig werden Rauchschwalben auf die Hilfe des Menschen angewiesen sein." Es steht also nicht zum Besten um die Zukunftschancen der Spezies. Bislang gehört der Anblick von Rauchschwalben, die bei nahenden Gewittern dicht über die Wasserfläche von Teichen jagen, zum Sommer wie Eis am Stiel. Nur: wie lange noch?
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