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Naturkorken in der Defensive
Zwei Männer, ein Baum. Es ist Sommer im Alentejo, Hochsaison für die Entrinder. Mit langstieligen Beilen rücken die Männer der Korkeiche zuleibe, schneiden die zentimeterdicke Borke bis zur rotbraunen Bastschicht ein. Abwechselnd mit Schneide und Stiel ansetzend, wird der Kork nun in möglichst großen Stücken abgelöst.
Helfer sammeln die noch feuchten und deshalb schweren Korkplatten ein und laden sie auf einen Transporter. Sind Stamm und Hauptäste entrindet, wird der Baum mit einer weißen „17“ markiert. So ist klar, dass diese Eiche zuletzt 2017 geerntet wurde. Acht bis zehn Jahre hat der Baum nun Ruhe bis zum nächsten Eingriff.
Marktführer Portugal
Eine Autostunde östlich der Hauptstadt Lissabon gelegen, ist das Alentejo Portugals wichtigste Korkeichenregion. Und Portugal ist der größte Korkerzeuger und -exporteur weltweit – noch weit vor Spanien. Rund 900 Millionen Euro jährlich setzt die heimische Branche um (2016 = 937 Millionen Euro), jeder zweite Korken stammt aus dem kleinen Land am Atlantik.
Doch der Kork ist in die Defensive geraten. Während Kork als Rohstoff zur Wärmedämmung und anderen industriellen Anwendungen gut nachgefragt wird, gehen die Absätze bei den Flaschenkorken nach unten. Wird dieser Trend nicht gestoppt, gerät die gesamte Korkwirtschaft in Gefahr. „Gegenüber Flaschenkorken lässt sich mit Granulat oder Platten pro Baum nur ein Bruchteil des Umsatzes erzielen“, erläutert Carla Silva vom Korkverband APCOR. Ohne Flaschenkorken würden sich die Korkeichenwälder vielerorts nicht mehr lohnen. Die Landbesitzer sähen sich gezwungen, auf Kiefern- oder Eukalyptusplantagen umzusatteln; ein einmaliger Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ginge verloren.
Kampf dem Korkgeschmack
Bis vor wenigen Jahren war Kork als Verschluss konkurrenzlos. Doch heute gibt es mit Glasstopfen, Plastik- und Schraubverschlüssen reichlich Alternativen. Alle werben sie damit, dass unerwünschte Fehltöne im Wein, der berüchtigte muffige „Korkgeschmack“, nun der Vergangenheit angehörten. Hauptauslöser des Korkgeschmacks ist Trichloranisol, kurz TCA. Es entsteht in Reaktion mit Pilzen aus im Boden oder am Baum enthaltenen natürlichen Stoffen. Empfindliche Naturen schmecken TCA bereits bei einer Konzentration von drei Millardstel Teilen in Weißwein und zehn Milliardstel in Rotwein.
Inzwischen geht die Korkindustrie in die Offensive. Im Vordergrund steht der Kampf gegen TCA. Neue Qualitätsstandards wurden eingeführt und zahlreiche Fabriken modernisiert. Sechs Mal wird der Kork heutzutage auf dem Weg vom Baum bis zum fertigen Flaschenkorken auf TCA hin analysiert. Die sechsmonatige Vortrocknung des Rohkorks unter freiem Himmel geschieht jetzt ohne Bodenkontakt auf Stahlpaletten. In geschlossenen Behältern wird der Kork dann mit 110 Grad Celsius heißem Dampf gewaschen, flüchtige Bestandteile werden abgesogen. „Geschlossene Wasserkreisläufe sind dabei Standard“, betont Carla Silva. „Die Energie zur Dampferzeugung wird aus Korkabfällen gewonnen, die Pressrückstände aus der Abwasserklärung gehen als Dünger zurück in die Landwirtschaft.“
Augen auf im Supermarkt
Ob der Kork verlorenes Terrain wieder zurückerobern kann, bleibt abzuwarten. Im Schlagabtausch der Gutachten und Statistiken fällt der Durchblick schwer. Fünf bis zehn Prozent der Weine zeigten Korkgeschmack, behauptet die eine Seite. Um 80 Prozent sei die Kontaminierung mit TCA in den letzten Jahren zurückgegangen, sagt dagegen die Korkindustrie. Aus Umwelt- und Naturschutzsicht jedenfalls lohnt es sich, beim Winzer und im Supermarkt gezielt nach Naturkorkverschlüssen zu fragen. Gerade in Deutschland werden immer mehr einfache Prädikats- und Kabinettweine mit Plastik verschlossen, ohne dass dies beim Kauf erkennbar wäre.
Helge May
Kleine Korkologie
Die durchschnittliche Korkeiche erreichen eine Höhe von rund 15 Metern. Im Alter von 25 Jahren wird sie zum ersten Mal geschält. Der dabei anfallende „Jungfernkork“ ist allerdings sehr hart und eignet sich nicht für Flaschenverschlüsse. Erst bei der dritten Ernte wird eine korkenfähige Qualität erreicht. Korkeichen lassen sich alle neun Jahre schälen, ohne dass die Bäume dabei Schaden nehmen. Im Laufe des Korkeichenlebens sind so 15 bis 16 Ernten möglich.
Kork besteht aus unzähligen winzigen Zellen – 40 Millionen pro Kubik-Zentimeter –, die hermetisch dicht mit einem luftähnlichen Gasgemisch gefüllt sind. Das Gas macht etwa 85 Prozent des Volumens aus. Kein Wunder also, dass Kork ein so leichter und elastischer Stoff ist.
Je nach Qualität und Machart kostet ein Korken zwischen fünf Cent und einem Euro. Am wertvollsten sind aus einem Stück gefertigte Korken mit einer besonders regelmäßigen Porenstruktur. Solche Spitzenkorken halten Flaschen über Jahrzehnte dicht. Die untere Güteklasse der Einstück-Korken bilden sogenannte kolmatierte Korken. Bei ihnen werden Unregelmäßigkeiten der Poren außen mit Korkstaub verfüllt.
Daneben gibt es eine breite Palette von „technischen Korken“, bei denen man Korkgranulat unter Zusatz von Lebensmittelkleber zu langen Korkstangen presst und diese dann auf die gewünschte Korkenlänge zuschneidet. Die billigsten Presskorken eignen sich für Weine, die bereits nach einem Jahr getrunken werden. Gut für zwei bis drei Jahre Lagerung sind Presskorken mit zusätzlichen Korkscheiben an einem oder beiden Enden. Sekt- und Champagnerkorken haben das gleiche Bauprinzip.
Lebensraum Korkeichenwald
Korkeichen kommen ausschließlich im westlichen Mittelmeerraum vor, insgesamt bedecken die Korkeichenwälder rund 2,3 Millionen Hektar. Meist sind dies keine geschlossenen Wälder, sondern eine mehr oder minder dicht baumbestandene Savanne, eine Weidelandschaft mit Schafen, Rindern oder auch Schweinen.
Die größten Korkeichenwälder gibt es in Spanien – unter dem Namen Dehesas – und in Portugal, wo sie Montado genannt werden. Die jahrhundertealte Nutzung hat einen besonders artenreichen Lebensraum entstehend lassen. Zu den 160 Brutvogelarten gehören Spanischer Kaiseradler und Mönchsgeier, Raubwürger, Steinkauz und Schwarzstorch. Die iberischen Korkeichenwälder sind außerdem Winterquartier für nahezu alle nordwesteuropäischen Kraniche und bis zu 60.000 Graureiher.
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Der NABU ruft die Bevölkerung auf, Korken zu sammeln und an einer der Sammelstellen abzugeben. Finden Sie über die bundesweite PLZ-Suche die nächste Sammelstelle in Ihrer Nähe! Mehr →