Vorverpackungen bei Cocktailtomaten - Foto: NABU/K. Istel
Über 103.000 Tonnen Verpackungsmüll für frisches Obst und Gemüse
NABU-Studie zeigt: 60 Prozent sind bereits vorverpackt
In Deutschland fällt immer mehr Verpackungsmüll an, inzwischen sind es knapp 19 Millionen Tonnen jährlich (Umweltbundesamt 2020). Einer der Gründe für das zunehmende Verpackungsaufkommen ist, dass auch frische Lebensmittel immer öfter abgepackt angeboten und Portionsgrößen kleiner werden. So wird auch frisches Obst und Gemüse in Deutschland zu 60 Prozent (nach Gewicht) beispielsweise in Pappschalen, Plastik-Klappdeckelschalen, Folien oder Netzen vorverpackt verkauft. Im Jahr 2019 verursachte dies 103.069 Tonnen Verpackungsmüll, darunter rund 66.000 Tonnen Kunststoff und über 32.000 Tonnen Papier, Pappe, Karton (PPK).
Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des NABU: Die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung hatte für den NABU bereits für 2014 und 2016 Daten zum Verpackungsaufkommen durch vorverpacktes Obst und Gemüse sowie dessen Entwicklung in den letzten Jahren erhoben. Die Daten wurden für das Jahr 2019 aktualisiert. Hier zeigt sich, dass der Anteil vorverpackter Ware im Vergleich zu 2016 leicht zurückgegangen ist: von 63 auf 60 Prozent.
Leider folgt daraus keine absolute Reduktion der Verpackungsabfälle, stattdessen stiegen diese zwischen 2016 und 2019 sogar von 93.380 Tonnen auf 103.069 Tonnen an. Der Grund dafür ist, dass die vorverpackte Ware in kleineren Portionsgrößen oder auch aufwändigeren Verpackungen angeboten wird, was einen höheren Verbrauch an Verpackungsmaterial pro Kilogramm Obst oder Gemüse bedeutet.
Der größte Anteil an Obst und Gemüse ist inzwischen vorverpackt
Obst und Gemüse, das private Haushalte im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt kaufen, wurde 2019 zu 60 Prozent vorverpackt verkauft, wobei es Unterschiede gibt: Während Obst zu 55 Prozent industriell vorverpackt ist, sind es bei Gemüse sogar 67 Prozent. Das heißt, die Kunden haben hier nicht die Möglichkeit, einen Servicebeutel zu nutzen oder sogar ganz auf eine Einwegverpackung zu verzichten, beispielsweise durch mitgebrachte Mehrwegbeutel.
Kunststoff ist das dominierende Packmittel
Die Studie zeigt, dass Kunststoff sowohl bei Gemüse als auch bei Obst das dominierende Packmittel ist. Der Anteil von Kunststoff an den Verpackungsabfällen für vorverpacktes Obst und Gemüse liegt - Obst und Gemüse zusammen betrachtet - bei 64 Prozent. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Kunststoff im Vergleich zu Papier und Pappe ein sehr leichtes Packmaterial ist und daher deutlich weniger davon benötigt wird, um ein Kilogramm Ware zu verpacken als mit PPK. Deren Anteil am Verpackungsaufkommen lag im Jahr 2019 bei 31 Prozent. Andere Materialien wie Holz oder Baumwolle spielen mit fünf Prozent nur eine unbedeutende Rolle.
Die folgende Grafik zeigt, dass es allerdings durchaus Unterschiede bei der Relevanz von Kunststoff und PPK zwischen Obst und Gemüse gibt. Kunststoffverpackungen spielen mit einem Anteil von 71 Prozent bei Gemüse eine noch größere Rolle als bei Obst mit 57 Prozent.
Am meisten Verpackungsabfall für Tomaten und Beeren/Trauben
Tomaten haben mit 33 Prozent den größten Anteil am Verpackungsaufkommen für frisches Gemüse. Gleichzeitig haben sie jedoch nur einen Gewichtsanteil am haushaltsnahen Frischgemüse-Konsum von circa 15 Prozent. Das zeigt, dass Tomaten sehr verpackungsintensiv sind, vor allem durch kleine Packgrößen und materialintensive Schalenverpackungen. Im Jahr 2019 fielen für frische Tomaten knapp 4.500 Tonnen PPK und rund 12.000 Tonnen Kunststoff an.
Dasselbe gilt für Beeren/Trauben, für die zunehmend mehr Verpackungsabfall anfällt: im Jahr 2019 bereits 42 Prozent der gesamten Vorverpackungen für frisches Obst. Für Beeren und Trauben fallen inzwischen sogar mehr Kunststoffabfälle an als für Tomaten: knapp 16.000 Tonnen Kunststoff im Jahr 2019 - seit 2016 bedeutet dies eine Steigerung um 85 Prozent. Dazu kamen über 4.600 Tonnen PPK-Verpackungsabfälle.
Vorverpackungen sind viel materalintensiver als Serviceverpackungen
Der Materialaufwand bei vorverpackter Ware ist deutlich höher als bei den so genannten Knotenbeuteln aus Kunststoff oder Papiertüten (Serviceverpackungen). Dies zeigt der durchschnittliche Packmittelverbrauch pro Kilogramm Ware: Um ein Kilogramm Obst und Gemüse einzupacken, braucht man durchschnittlich siebenmal mehr Material für eine Vorverpackungen, das heißt „Industrieverpackung“ (23 g), als für einen Knotenbeutel aus Kunststoff (2,8 g).
Gerade PPK-Vorverpackungen sind extrem materialintensiv mit 60,8 Gramm Verpackungsmaterial für ein Kilogramm Obst oder Gemüse – daher haben diese in der Regel keine ökobilanziellen Vorteile gegenüber einer materialeffizienteren Kunststoffverpackung. In die in der folgenden Grafik dargestellten Durchschnittswerte fließen sowohl vergleichsweise materialeffiziente Netze oder Beutel mit ein als auch sehr materialintensive Kunststoffschalen mit Deckel oder Pappschalen.
Weniger vorverpackt und dennoch mehr Verpackungsmüll
Zwischen 2016 und 2019 ist das Verpackungsaufkommen für frisches Obst und Gemüse angestiegen, sowohl bei Kunststoff als auch bei PPK. Bis 2016 war der PPK-Verbrauch noch zurückgegangen, seit 2016 ist er aber gestiegen.
Vergleicht man die Entwicklung des Verpackungsaufkommens mit der Entwicklung der Füllgutmenge (siehe Infokasten), zeigt sich, dass sich die sogenannten Packmittelstrukturen geändert haben müssen. Die folgende Tabelle veranschaulicht, dass im Jahr 2019 tatsächlich 3,5 Prozent weniger frisches Obst und Gemüse vorverpackt verkauft wurden als 2016, gleichzeitig aber das Verpackungsaufkommen um 10,5 Prozent anstieg. Das muss daran liegen, dass die Portionsgrößen kleiner und die Verpackungen materialintensiver wurden (d.h. Änderung der „Packmittelstruktur“ wie Schalen statt Folien, Kunststoffhenkel, materialintensive Pappschalen). Diese Trends hatten auch bereits die GVM-Datenerhebungen zum Verpackungsaufkommen 2014 und 2016 gezeigt.
Info: Füllgutmenge
Die sogenannte Füllgutmenge gibt an, wie viel Tonnen Obst oder Gemüse industriell vorverpackt gekauft wurden. Ein Beispiel: Die Füllgutmenge bei Tomaten ist zwischen 2010 und 2016 um 17 Prozent gestiegen. Das meint, dass 2016 17 Prozent mehr Tomaten vorverpackt verkauft wurden als 2010. Gleichzeitig ist aber der Kunststoffbedarf für Tomatenverpackungen um 42 Prozent gestiegen und der Bedarf an Papier, Pappe, Karton um 28 Prozent. Daher ist davon auszugehen, dass die Packgrößen kleiner wurden, beispielsweise durch Cocktailtomaten und/oder dass die Packmittel materialintensiver wurden, z.B. durch Schale mit Deckel statt mit Folie.
Exkurs Salatgurke
Die Salatgurke in Folie stand lange Zeit im Fokus der medialen Öffentlichkeit als überflüssige Plastikverpackung in der Obst- und Gemüseabteilung. Viele Anbieter haben die große Salatgurke inzwischen „ausgepackt“. Die folgende Grafik zeigt, dass 2019 tatsächlich 43 Prozent weniger Salatgurken vorverpackt verkauft wurden als 2016 (nach Gewicht). Gleichzeitig stieg aber das Verpackungsaufkommen für Salatgurken stark an: Kunststoff um 18 Prozent und PPK um 253 Prozent. Die Plastikeinsparung durch das „Auspacken“ der großen Salatgurken wurde zunichte gemacht durch den zunehmenden Verkauf vorverpackter Mini-Salatgurken.
NABU-Forderungen
Verpackungsmüll: Große Einsparpotenziale im Supermarkt
Insgesamt kamen 2019 über 103.000 Tonnen Verpackungsmüll zusammen, obwohl nach Meinung des NABU Obst und Gemüse nur selten eine Vorverpackung brauchen. Der Packmittelverbrauch für diese Vorverpackungen ist um ein Vielfaches höher als bei Serviceverpackungen, das heißt Papiertüten oder Plastik-Knotenbeutel. Und selbst letztere sind nur die zweite Wahl, da es das Ziel sein muss, auch diese zu reduzieren. Viele Supermärkte bieten inzwischen Mehrwegnetze und Mehrwegbeutel an. Allerdings muss Obst und Gemüse erst einmal radikal ausgepackt werden, damit Kund*innen diese Mehrwegalternativen auch nutzen können.
Der NABU fordert den Handel daher auf, die Ankündigungen, weniger Verpackungen nutzen zu wollen auch in die Praxis umsetzt und Obst und Gemüse standardmäßig lose anzubieten. Sehr kritisch sieht der NABU, dass viele Unternehmen unter dem Motto „Plastikvermeidung“ nur umpacken statt auspacken: PPK statt Kunststoff ist die Devise. Dieser neue Trend muss gestoppt werden, da Papierverpackungen einen enormen Einsatz von Energie, Wasser, Chemikalien und natürlichen Rohstoffen bedeuten. Entgegen dem irreführenden Öko-Image sind Papierverpackungen keine Alternativen zu loser Ware.
Hinweis:
Alle Zahlen beziehen sich auf frisches Obst und Gemüse, das Privathaushalte im Einzelhandel oder auf dem Wochenmarkt kaufen, einschließlich vorgeschnittenem Obst und Gemüse (ohne Nebensortimente wie Nüsse, Kerne, Trockenobst und Trockengemüse). Gewerblich, z.B. in der Gastronomie erworbenes oder in Kantinen verarbeitetes Obst und Gemüse wird nicht berücksichtigt. Nicht berücksichtigt ist auch der Bedarf an Kunststoff und PPK für die Serviceverpackungen, das heißt Papiertüten oder Knotenbeutel aus Kunststoff.
Die Daten beruhen auf folgender Studie sowie eigenen Berechnungen auf Basis dieser Studie:
GVM 2019/2020: „Der deutsche Markt der Verkaufsverpackungen von Frischobst und Frischgemüse 2019“ (Dezember 2019/April 2020)
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