Karte: Biotonnen-Angebot in Deutschland 2023 (999.38 KB)
Bioabfallsammlung: mangelhaft
Zu viele Haushalte haben keine Biotonne
Die getrennte Sammlung und Verwertung von Bioabfällen ist echter Klima- und Ressourcenschutz. Die Vergärung der Abfälle bildet einen Baustein der Energiewende. Durch die Kompostierung können torffreie Kompost- und Erdenprodukte hergestellt werden. Diese ersetzen konventionelle Dünger und torfhaltige Erden und tragen aktiv zum Schutz der Moore bei.
Seit 2015 sind Städte und Gemeinden in Deutschland über das Kreislaufwirtschaftsgesetz (§20) verpflichtet, ihren Bürger*innen ein System zur Getrenntsammlung von Bioabfällen, also von Küchen- und Gartenabfällen, bereitzustellen. Diese Pflicht ist notwendig, damit das wertvolle Biogut nicht in der Restmülltonne landet, sondern getrennt gesammelt wird. Das beste Sammelsystem ist die Biotonne, doch eine Erhebung des NABU von 2023 zeigt, dass diese bei weitem nicht überall in Deutschland verbreitet ist.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 5,6 Millionen Tonnen Abfälle über die Biotonne getrennt gesammelt. Dies entspricht einer Pro-Kopf-Sammelmenge von 67 Kilogramm. Hier ist viel Luft nach oben, denn noch immer landen jährlich etwa vier Millionen Tonnen Bioabfälle in der Restmülltonne statt in der Biotonne und somit in der Müllverbrennung.
Zentrale Ergebnisse der NABU-Analyse:
- In 16 Prozent der deutschen Landkreise und kreisfreien Städte gibt es kein flächendeckendes Biotonnen-Angebot. In weiteren 14 Prozent wird lediglich eine freiwillige Biotonne angeboten.
- Kreise und Städte mit Pflicht-Biotonne weisen durchschnittlich signifikant niedrigere Restmüllmengen auf als Gebiete mit freiwilliger Biotonne oder Bringsystem.
- Die bundesweite Anschlussquote an die Biotonne beträgt etwa 63 Prozent. Pflicht-Biotonnen führen zu signifikant höheren Anschlussquoten (76 Prozent) als freiwillige Tonnen (46 Prozent).
- Kreisfreie Großstädte mit Müllverbrennungsanlage sammeln durchschnittlich deutlich weniger Abfälle über die Biotonne und mehr Abfälle über die Restmülltonne als kreisfreie Großstädte ohne Verbrennungsanlage.
Zahlreiche Kreise und Städte mit mangelhafter Bioabfallsammlung
Die Biotonne ist die Grundvoraussetzung dafür, dass große Mengen Biogut getrennt gesammelt werden können. NABU-Berechnungen gehen jedoch von einer Anschlussquote an die Biotonne von nur etwa 63 Prozent aus. Das bedeutet, dass nach wie vor Millionen Haushalte keine Biotonne haben, um Küchen- und Gartenabfälle richtig zu entsorgen.
Die NABU-Analyse zeigt, dass 284 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland eine Pflicht-Biotonne eingeführt haben. Pflicht-Biotonne bedeutet, dass in der kommunalen Abfallsatzung ein Anschluss- und Benutzungszwang festgeschrieben ist. In den meisten Fällen ist eine Befreiung von dieser Pflicht möglich, wenn die Bioabfälle im eigenen Garten kompostiert werden.
In 116 Kreisen und Städten gibt es hingegen keine flächendeckende und verbindliche Biotonne. Stattdessen finden sich dort folgende Sammelsysteme:
- Freiwillige Biotonne: In 54 Kreisen und kreisfreien Städten wird eine freiwillige Biotonne ohne Anschluss- und Benutzungszwang angeboten.
- Teilweise Biotonne: In 16 Kreisen und kreisfreien Städten ist eine Pflicht- oder freiwillige Biotonne eingeführt, nicht jedoch flächendeckend im gesamten Entsorgungsgebiet.
- Sonstiges Holsystem: Drei Kreise sammeln die Abfälle statt über Biotonnen über Biobeutel/-säcke.
- Bringsystem: 28 Kreise und kreisfreie Städte bieten ein wenig nutzerfreundliches Bringsystem an. Bei diesem müssen die Bürger*innen ihre Bioabfälle aus Küche und Garten zu einer zentralen Sammelstelle bringen.
- Sammlung in Planung: Drei Kreise haben zugesichert, eine Getrenntsammlung zeitnah einzuführen, wobei teilweise noch nicht entschieden ist, ob dies über eine Biotonne oder über ein Bringsystem erfolgen wird.
- Keine Getrenntsammlung: In 11 Landkreisen und einer kreisfreien Stadt gibt es trotz gesetzlicher Pflicht nach wie vor keine Getrenntsammlung der Bioabfälle aus den Haushalten.
In knapp dreißig Prozent aller deutschen Landkreise und kreisfreien Städte gibt es somit keine flächendeckende Pflicht-Biotonne. In jedem zehnten Kreis findet sich sogar keinerlei Biotonne.
Kreise und Städte mit freiwilliger Biotonne oder Bringsystem erfüllen zwar die gesetzliche Pflicht, den Bürger*innen zu ermöglichen, Bioabfälle getrennt zu sammeln. Die Abfallsammlung funktioniert dort jedoch deutlich schlechter. Mit freiwilligen Biotonnen oder Bringsystemen werden signifikant weniger Bioabfälle und deutlich mehr Restmüll gesammelt als mit der Pflicht-Biotonne.
Der Einfluss von Siedlungsstruktur und Müllverbrennung
Auch ist die Anschlussquote an die Biotonne in freiwilligen Systemen deutlich niedriger. Die Zahlen zeigen, dass bei einem freiwilligen Angebot die Biotonne offensichtlich seltener genutzt wird und bei einem Bringsystem der Aufwand zu groß ist, die Bioabfälle zu einem Sammelort zu transportieren. In der Folge landen mehr Abfälle im Restmüll.
Zwar gibt es einzelne Kreise oder Städte, die auch ohne Pflicht-Biotonne relativ gute Sammelerfolge erzielen. Im bundesweiten Durchschnitt schneiden Gebietskörperschaften mit freiwilliger Tonne oder Bringsystem jedoch erheblich schlechter ab als jene mit Pflicht-Biotonne, so dass dieses System das effektivste ist, um Bioabfälle getrennt zu sammeln.
Je nach räumlicher Struktur unterscheiden sich die Sammelsysteme. Es sind vorrangig ländliche Kreise, die lediglich Bringsysteme oder trotz gesetzlicher Pflicht keinerlei Sammelsystem anbieten. Freiwillige Biotonnen finden sich hingegen häufig in Großstädten. Betrachtet man die Abfallmengen in Kommunen mit Biotonnenangebot, zeigt sich, dass in kreisfreien Großstädten pro Kopf am wenigsten Abfälle über die Biotonne und am meisten Restmüll gesammelt werden. Städtische Kreise zeichnen sich hingegen durch die höchsten Bioabfall- und die niedrigsten Restmüllmengen aus.
Die NABU-Analyse weist außerdem nach, dass in kreisfreien Großstädten mit Müllverbrennungsanlagen (MVA) pro Kopf deutlich mehr Restmüll (204 Kilogramm) anfällt und deutlich weniger Abfälle über die Biotonne gesammelt werden (39 Kilogramm) als in Großstädten ohne MVA (173 bzw. 55 Kilogramm). Auch findet sich in knapp der Hälfte der Kreise und Städte mit MVA keine Pflicht-Biotonne. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass MVAs zu finanziellen und infrastrukturellen Abhängigkeiten der Kreise und Städte führen und das kommunale Engagement für eine getrennte Abfallsammlung einschränken.
Die Bundesländer sind für den Vollzug der Abfallgesetze in Deutschland zuständig. Sie müssen daher auf jene Städte und Kreise, die sich noch immer einer Getrenntsammlung von Bioabfällen verweigern, Druck ausüben, damit Biotonnen flächendeckend eingeführt werden. Auch sollten die Länder ambitionierte Abfallwirtschaftspläne verabschieden. In Rheinland-Pfalz wurden Zielwerte für die Menge an Bioabfall im Restmüll festgelegt. Je nach Siedlungsstruktur muss diese bis 2030 auf maximal 20 bis 28 Kilogramm pro Kopf und Jahr reduziert werden. Alle fünf Jahre sind hierfür Analysen des Restmülls durchzuführen. Die anderen Bundesländer und die Bundesebene sollten sich an diesem Positivbeispiel orientieren und entsprechende Zielvorgaben festschreiben.
Vorbehalte gegenüber der Biotonne entkräften
Die Gründe dafür, dass Kommunen ihrer Pflicht zur Getrenntsammlung nicht nachkommen, sind vielfältig. Es kursieren zahlreiche Vorbehalte gegenüber der Biotonne, die sich jedoch allesamt entkräften lassen:
„In unserem Landkreis brauchen wir keine Biotonne, wir kompostieren selbst.“
Auch wenn man im eigenen Garten selbst kompostiert, ist eine Biotonne als Ergänzung meist sinnvoll. Denn oftmals stehen die Menge an Kompost und die Größe des Gartens in keinem passenden Verhältnis zueinander, was zu Überdüngung führen kann. Hier gilt: Qualität kommt vor Menge! Das heißt, man sollte nur so viel kompostieren, wie die Beete tatsächlich brauchen. Berechnungen im Auftrag des Umweltbundesamts zeigen, dass pro Haushaltsmitglied eine Mindestfläche von 70 Quadratmetern notwendig ist, um den Garten nicht zu überdüngen. Das bedeutet, ein Vier-Personen-Haushalt benötigt eine Ausbringungsfläche im Garten von mindestens 280 Quadratmetern. Einzelne Kommunen schreiben daher eine Mindestgröße des Gartens für die Kompostierung vor. Diese liegt jedoch in der Regel zwischen 20 und 50 Quadratmetern und somit unter der Empfehlung von 70 Quadratmetern.
Da in der Küche also meist mehr Bioabfall anfällt, als im Garten benötigt wird, ist eine Biotonne sinnvoll. Auch sind einige Küchenabfälle wie Knochen- oder Fleischreste sowie Zitrusfrüchte häufig nicht auf dem Kompost gewünscht. Die Biogas- oder Großkompostierungsanlage kann viele Abfälle besser verwerten. Vergärungsanlagen gewinnen aus dem Biogut außerdem wertvolles Biogas.
Biotonne und Komposthaufen widersprechen sich also nicht, sondern ergänzen sich vielmehr. Das melden auch Landkreise, die trotz hohem Anteil an Eigenkompostierern die Biotonne erfolgreich eingeführt haben.
„Die Biotonne bringt ökologisch nicht viel und ist teuer.“
Die getrennte Sammlung und Verwertung von Bioabfällen ist ökologisch sinnvoll. Durch die Kompostierung der Abfälle werden torffreie Kompost- und Erdenprodukte hergestellt. Dadurch werden Nährstoffkreisläufe geschlossen, konventionelle Dünger und torfhaltige Erden ersetzt und Moore aktiv geschützt. Das ökologische Potenzial wird optimal genutzt, wenn energiereiches Biogut wie Küchenabfälle zunächst vergoren wird und später die flüssigen und festen Reststoffe zu Dünger und Komposterden aufbereitet werden.
Die Biotonne reduziert somit die ökologischen Kosten unseres Abfallsystems und leistet einen wirkungsvollen Beitrag zu Ressourcen-, Klima- und Naturschutz sowie zu einer dezentralen Energiewende und lokalen Nährstoff- und Humusversorgung der Landwirtschaft.
Das Biogas aus der Vergärung oder den Humus aus der Kompostierung kann der Landkreis bzw. Anlagenbetreiber für die eigene Infrastruktur nutzen oder verkaufen. Sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Ökobilanz der Biotonne verbessern sich für gewöhnlich mit einer höheren Anschlussquote.
Bedenken Sie auch: Wer Bioabfälle getrennt sammelt, hat viel weniger Restmüll. Mit einer Biotonne kann daher oft eine kleinere und günstigere Restmülltonne bestellt werden. Bei vielen Kommunen ist die Bestellung der Biotonne außerdem nicht mit Mehrkosten verbunden. Fragen Sie einfach direkt vor Ort nach.
„Die Biotonne macht nur Ärger: Sie stinkt und lockt Ungeziefer an.“
Manche Kommunen zeigen auch deswegen eine Abneigung gegen die Biotonne, weil sie wegen des Gestanks oder Ungeziefers bei den Bürger*innen unbeliebt ist. Auch in diesem Fall belegen praktische Erfahrungen, wie durch stetige Öffentlichkeitsarbeit diese Bedenken entkräftet werden können. Wem bewusst ist, warum der Abfall getrennt wird und warum man damit einen wichtigen Beitrag für die Umwelt leistet, der trennt mit Überzeugung. Wie Sie die Biotonne möglichst geruchsarm halten und viele weitere Praxistipps zur Biotonne finden Sie hier.
Das fordert der NABU:
Bundesebene
- Pflicht-Biotonne als bundesweiten Standard festlegen: Von diesem Standard können Kommunen nur abweichen, wenn sie mit ihrem Sammelsystem einen gesetzlich festgelegten Maximalanteil an Bioabfall im Restmüll oder einen Maximalwert an Restmüllaufkommen nicht überschreiten.
- Überdüngung von Privatgärten vermeiden: Die Eigenkompostierung darf nur dann zur Befreiung von der Biotonne führen, wenn die Haushalte über eine Ausbringungsfläche größer 70 Quadratmeter pro Haushaltsmitglied verfügen. Ansonsten gilt die Pflicht-Biotonne als Ergänzung zur Eigenkompostierung.
- Einheitliche Berechnungsmethoden entwickeln: Die Methodik zur Berechnung von Anschlussquoten und Restmüllmengen sowie zur Bestimmung des Bioabfallanteils im Restmüll muss bundesweit vereinheitlicht werden.
Bundesländer
- Getrenntsammelpflicht konsequent vollziehen: Die Bundesländer müssen den Druck auf die Kommunen mit mangelhafter Bioabfallgetrenntsammlung erhöhen, um die Sammelsysteme zu verbessern und die Erfassungsmengen zu steigern.
- Ambitionierte Abfallwirtschaftspläne mit quantitativen Zielen verabschieden: Landesweite Zielvorgaben zur Bioabfall- und Restmüllmengen sowie zum Bioabfallanteil im Restmüll dienen als Orientierung für die Kommunen.
Kreise, Städte und Kommunen
- Flächendeckende Biotonne einführen: Alle Grundstücke müssen mit einer Biotonne ausgestattet werden. Eine Abweichung hiervon ist bei Einhaltung der gesetzlichen Zielvorgaben (s.o.) möglich.
- Abfallgebührensystem zielgerichtet gestalten: Eine über das Restmüllgefäß quersubventionierte Biotonne führt zu einer besseren Getrenntsammlung. Die Eigenkompostierung sollte nicht mit einer Gebührenreduktion einhergehen.
- Abfallberatung ausbauen: Eine stetige und umfassende Beratung der Bürger*innen ist die Grundlage für eine verbesserte Mülltrennung und eine Reduktion der Lebensmittelabfälle.
- Kontrollen einführen: Zielgerichtete Kontrollen der Biotonnen sind wichtig, um die Qualität der Bioabfälle sicherzustellen und Fehlwürfe zu minimieren. Vor-Ort-Beratungen in den Privatgärten können zu einer fachgerechten Kompostierungspraxis beitragen.
Beitrag vom März 2023, aktualisiert August 2023; die Angaben zum Bioabfall-Sammelsystem beziehen sich auf 2023, die Daten zu den Abfallsammelmengen auf 2020 und zu den Anschlussquoten auf die Jahre 2020, 2021 und 2022 (je nach Datenverfügbarkeit).
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