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Jetzt NABU-Mitglied werden!Deutsche Wölfe fressen am liebsten Rehe
Nutztiere machen dagegen weniger als ein Prozent der Beute aus
12. März 2012 - Wissenschaftler des Senckenberg-Forschungsinstituts haben die Fressgewohnheiten von Wölfen in den ersten acht Jahre nach ihrem Erscheinen in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse sind beruhigend: Der Anteil von Nutztieren auf dem Speiseplan liegt bei unter einem Prozent. Die zugehörige Studie ist im Fachjournal „Mammalian Biology“ erschienen.
Lange Zeit waren Wölfe in Deutschland ausgerottet, nun werden sie langsam wieder heimisch. Doch nicht alle freuen sich über die Rückkehr des Wildtieres. Besonders um das Fressverhalten von Canis lupus ranken sich viele Fabeln und Legenden. Wölfe, die Schafe reißen, Haustiere fressen oder sogar Menschen angreifen – die Rückkehr der Raubtiere in deutsche Gebiete weckt alte Ängste und birgt Konflikte mit der Bevölkerung, Jägern und Landwirten.
„Die Ernährungsgewohnheiten von Wölfen sind der größte Streitpunkt bei deren Wiederbesiedlung in Deutschland, das hat uns dazu veranlasst, das Fressverhalten der vor gut zehn Jahren in die Lausitz eingewanderten Wölfe genauer zu untersuchen“, erläutert Hermann Ansorge, Abteilungsleiter Zoologie am Senckenberg-Forschungsinstitut in Görlitz. „Wir haben geschaut, was auf dem Speiseplan der Wölfe stand und wie sich dieser seit dem Erscheinen der Wölfe in Ostdeutschland verändert hat.“
Hierfür sammelten die Wissenschaftler über 3000 Kotproben von Wölfen und untersuchten sie auf unverdaute Hinterlassenschaften wie Haare, Knochen, Hufe oder Zähne der Beutetiere. Über diese Hinweise, ergänzt durch Funde von Resten erlegter Beute, konnten die Zoologen die Ernährung der Raubtiere detailliert erfassen. Wilde Huftiere stellen laut der Auswertung mehr als 96 Prozent der Beutetiere. Dabei dominieren Rehe (55,3 Prozent), gefolgt von Rotwild (20,8 Prozent) und Wildschweinen (17,7 Prozent). Einen geringen Anteil am Speiseplan hat der Hase mit knapp drei Prozent.
„Weniger als ein Prozent der analysierten Beutetiere waren Nutztiere“, ergänzt Ansorge und fährt fort: „Solange Schafe und Co. gut geschützt werden und es genug Auswahl unter den Wildtieren gibt, gehen Wölfe nicht die Gefahr ein, mit Elektrozäunen oder Herdenschutzhunden konfrontiert zu werden.“
Nicht nur was auf der Speisekarte der Wölfe steht, sondern auch wie sich das Fressverhalten über die Jahre hinweg geändert hat, haben die Görlitzer Wissenschaftler untersucht. Wölfe sind bezüglich ihrer Ernährung extrem anpassungsfähig. Aus Kanada ist beispielsweise bekannt, dass sich die dortigen Wolfsrudel im Herbst bevorzugt von Lachs ernähren. Die Wölfe in der Lausitz kamen aus Polen nach Deutschland. Dort ernähren sich die Rudel im Gegensatz zu den deutschen Wölfen überwiegend von Rotwild. In den ersten Jahren der Studie lag der Anteil des erlegten Rotwildes deutlich höher und der Prozentsatz der Rehe war dafür niedriger als in den folgenden fünf Jahren.
Im Vergleich zu den polnischen Wäldern sind die der Lausitz eher kleinräumig und von Wegen und Feldern durchzogen. Sie bieten Rehen und Wildschweinen ein ideales, weitflächiges Lebensumfeld, während sich das Rotwild eher in die wenigen großräumigen Waldgebiete zurückzieht. Rehe sind folglich aus der Sicht der Wölfe einfache und überall anzutreffende Beutetiere. Der Wandel in den Fressgewohnheiten ergab sich demnach durch eine Veränderung der Umweltbedingungen. Dabei passten sich die Wölfe schnell an. Sie brauchten weniger als zwei Generationen, um sich an die neuen Verhältnisse in der Kulturlandschaft im Osten Deutschlands zu gewöhnen.