Ein echter Europäer
Verbreitung und Bestand des Grünspechts
Der Grünspecht ist in Europa zuhause. Hier besiedelt er fast den ganzen Kontinent mit Ausnahme von Irland, dem mittleren und nördlichen Skandinavien und den nördlichen und östlichen Teilen des europäischen Russlands. Außerdem brütet er im Kaukasus, in Bergregionen der Türkei und des nördlichen Iran und Irak. Dabei nimmt seine Häufigkeit mit der Strenge der Winter von West nach Ost ab. Mit seiner weitgehend auf unseren Kontinent beschränkten Verbreitung tragen wir als Europäer die wesentliche Verantwortung für den Schutz dieser Art.
Bestandsentwicklung
Der europäische Bestand des Grünspechts wurde im Jahr 2004 auf gut 860.000 Brutpaare geschätzt. Der Weltbestand ist nur unwesentlich größer. Für den Zeitraum 2005 bis 2009 wurden in Deutschland 42.000 bis 76.000 Brutpaare ermittelt. Sechs bis sieben Prozent des Weltbestandes dieser Art leben damit in Deutschland. Hierzulande ist der Grünspecht die zweithäufigste Spechtart. Der Bestand des häufigsten Spechtes, des Buntspechtes, ist allerdings gleich zehnmal größer.
Positive Ausnahme
Laut des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten (DDA) hat der bundesweite Bestand des Grünspechts zwischen 1991 und 2011 um 105 Prozent zugenommen. Europaweit ist er im gleichen Zeitraum um etwa 50 Prozent gewachsen. Dies ist die deutlichste Zunahme unter allen häufigen Vogelarten Deutschlands und eine sehr positive Ausnahme unter den besorgniserregenden Trends der meisten anderen Arten. Der Grünspecht hat derzeit tatsächlich gut lachen.
Der Bestand des Grünspechtes ist jedoch nur bis 2008 kontinuierlich angestiegen. In den drei Folgejahren bis 2011 nahm er wieder um 17 Prozent ab. Vorhandene Daten zeigen, dass der Grünspecht in den letzten zwei Jahrzehnten im Siedlungsraum, in Gärten und Parks zugenommen hat, während sein Bestand im Wald konstant geblieben ist. Interessant ist die unterschiedliche Bestandsentwicklung in verschiedenen Teilen der Republik. So hat der Grünspecht nach dem kalten Winter im Osten 2010/2011 stark abgenommen, während die Bestände im Nordwesten angestiegen sind.
Ausblick in die Zukunft
Die Zunahme des Grünspechts in den letzten zwei Jahrzehnten folgt einer großflächigen Abnahme in den 1970er und 1980er Jahren. Die Bestandsentwicklung des Grünspechts wird auch zukünftig stark vom Winterklima, aber auch vom Angebot an Höhlenbäumen und dem Pestizideinsatz abhängen. Wird es milder, nimmt er zu, gibt es kalte und schneereiche Winter, nimmt er ab. Die Entwicklungen in unserer Kulturlandschaft werden zudem entscheidend dazu beitragen, ob der Grünspecht sich weiter vermehren oder nach harten Wintern erholen kann.
Was ihm schadet
Derzeit erleben wir einen rapiden Rückgang von Grünland. Da ein Großteil des Viehs dauerhaft in Ställen gehalten und mit importiertem Futter gefüttert wird, werden Wiesen und Weiden nicht mehr gebraucht. Viele Flächen werden zu Ackerland, beispielsweise für Maisanbau zur Energieerzeugung. Verbleibende Flächen werden intensiver genutzt, stärker gedüngt und häufiger gemäht. In beiden Fällen verliert der Grünspecht sie zur Nahrungssuche. Zudem werden in Streuobstwiesen immer wieder Halbstämme gepflanzt, in die der Grünspecht keine Höhlen baut. Vogelarten nehmen aus diesem Grund stark ab.
Negativ wirkt sich auch der Verlust von alten Bäumen aus, die der Grünspecht zum Höhlenbau braucht. Wegen intensiver Holznutzung und übertriebener Vorsichtsmaßnahmen in der Verkehrssicherungspflicht werden alte Bäume beim ersten Faulen gefällt. Andere Spechtarten sind dadurch noch stärker beeinträchtigt, da sie ihre Nahrung ausschließlich an alten Bäumen suchen.
Was ihm hilft
Während sich die Lebensraumbedingungen in der freien Landschaft für den Grünspecht eher verschlechtern, findet er zunehmend geeignete Reviere in unseren Siedlungsräumen. Hier entstehen neue Parks auf ehemaligen Industrieflächen und aufgrund knapper öffentlicher Kassen werden manche Stadtparks nur minimal gepflegt. Hier kann der Grünspecht neue Lebensräume besiedeln.
Gefährdete Streuobstwiesen
Besonders im Südwesten Deutschlands lebt der Grünspecht oft auf Streuobstwiesen. Diese sind jedoch stark gefährdet. Seit 1950 verschwanden rund 70 Prozent der Bestände Deutschlands. Mittlerweile sind nach Schätzungen des NABU nur noch 300.000 Hektar erhalten. Das Interesse am Streuobst sinkt, denn die Äpfel im Supermarkt sind günstig, so dass sich das Selberpflücken nicht lohnt. Dabei birgt das Streuobst viele Vorteile und macht den Konsumenten zum Naturschützer: Es wird nicht mit synthetischen Pestiziden behandelt und ist wegen des hohen Phenolgehalts, der bei neuen Markensorten weggezüchtet ist, selbst für Allergiker besser, häufig sogar problemlos verträglich.
Nicht nur für den Grünspecht sind Streuobstwiesen wichtig: Auch andere Spechtarten wie Bunt-, Mittel-, Kleinspecht und Wendehals kommen hier vor. Streuobstwiesen, die zwei- bis dreimal im Jahr gemäht werden, beherbergen mehr Ameisennester pro Fläche im Vergleich zu häufiger
gemähten oder gemulchten Wiesen.
So können Sie Streuobstwiesen erhalten:
- Pflanzen Sie neue Streuobstwiesen mit Hochstamm-Obstbäumen und ergänzen Sie neue Bäume, wo alte wegfallen.
- Erhalten Sie alte Bäume mit natürlichen Höhlen.
- Verzichten Sie auf Pestizide.
- Mähen Sie Obstwiesen etappenweise und kleinflächig.
- Kaufen Sie Produkte aus dem Streuobstbau, insbesondere Apfelsäfte und -schorle. Achten Sie dabei auf das NABU Qualitätszeichen für Streuobstprodukte.
Mehr zum Grünspecht
Der NABU und sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz (LBV), haben den farbenprächtigen Grünspecht zum „Vogel des Jahres 2014“ gekürt. Auf den „Meckervogel“ 2013, die Bekassine, folgt damit der „Lachvogel“. Mehr →
Im Gegensatz zu den Vorjahren wurde mit dem Grünspecht ein Vogel gekürt, dessen Bestand nicht bedroht ist. Sein Bestand hat zwischen 1991 und 2010 erheblich zugenommen. Mit der Wahl wollen wir auf diese positive Entwicklung aufmerksam machen. Mehr →
Grünspechte leben in den Höhlen alter und dicker Bäume und ernähren sich am liebsten von Ameisen. Charakteristisch ist ihr Gesang, der dem Lachen von Menschen ähnelt. Zwischen April und Mai beginnt die Brutzeit, wobei sich Männchen und Weibchen abwechseln. Mehr →
Haben Grünspechte einmal ein Revier besetzt, können sie dort ihr Leben verbringen. Die Größe ihrer Reviere schwankt sehr, je nach Ergiebigkeit des Lebensraums von nur etwa drei Hektar bis zu mehreren hundert Hektar. Mehr →
Der Grünspecht ist ein echter Europäer. Mehr als 90 Prozent seines weltweiten Verbreitungsgebietes befinden sich in Europa. Hier besiedelt er mit einigen Ausnahmen fast den ganzen Kontinent. Mehr →
NABU und LBV führen in vielen Regionen Projekte durch, die auch dem Grünspecht zugute kommen. Auch Sie können helfen, indem Sie beim Gärtnern auf Pestizide verzichten, Altholz im Garten erhalten und sich in Ihrer Gemeinde für naturnahe Grünflächen einsetzen. Mehr →
Im Gegensatz zur Bekassine – dem Vogel des Jahres 2013 – gehört der Grünspecht nicht zu den akut bedrohten Vogelarten. Warum die Wahl im Jahr 2014 trotzdem auf ihn fiel, erklärt NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann im Interview. Mehr →
Der Grauspecht ist die Zwillingsart des Grünspechts und der zweite bei uns lebende „Erdspecht“. Er ist bis nach Asien verbreitet. Von Osten her ist er vor langer Zeit verstärkt nach Westen gewandert, während der Grünspecht stets ein „echter Europäer“ war. Mehr →