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Eine Streuobst-Landschaft für den „Vogel des Jahres 2011“
Wenn die Gartenrotschwänze singen, ist der Frühling da. Dann erfüllt morgens ihr wehmütiger Gesang die blühenden Obstbaumwiesen am Fuße des Strombergs. Erfreulicherweise sind Gartenrotschwänze im Natura-2000-Gebiet Stromberg, das sich im Dreieck zwischen den Großräumen Heilbronn, Karlsruhe und Stuttgart erstreckt, noch in großer Häufigkeit und Dichte anzutreffen.
Bruthöhlen und Nahrung
Eine spezielle Geologie, mildes Klima und bestimmte Vegetationsstrukturen bilden in diesem Naturraum die Grundlage und zusammen mit der Nutzung durch den Menschen die Rahmenbedingungen für besondere Pflanzen- und Tierarten.
Stromberg und Heuchelberg erheben sich als wärmegeprägte, überwiegend waldbedeckte Keuperinseln aus der flachwelligen Lößlandschaft des Kraichgaus und des Neckarbeckens. Charakteristisch für das Gebiet sind vor allem an den Südhängen eine bestimmte Abfolge von Lebensräumen: Auf den vom Stubensandstein gebildeten Höhenzügen thronen Buchen- und Eichenwälder. An ihrem Rand schließt sich auf den mergeligen Südhängen ein Magerrasenband an. Ihm folgen Weinbauflächen und in den Tallagen Ackerbau und Grünlandnutzung.
Höchste Rotschwanzdichte in Obstwiesen
In den für Weinbau und Grünland nicht optimalen Bereichen sowie an den Ortsrändern prägen Streuobstgebiete mit einem Mosaik junger, mittelalter und sehr alter Bäume das Landschaftsbild. Etwa 80 Apfel- und Birnenbäume stehen dort je Hektar. Diese Streuobstwiesen sind es, die für den Gartenrotschwanz eine vortreffliche Heimat abgeben. Bruthöhlen und Nahrung finden sich hier in idealer Kombination. Im Südwesten Deutschlands wird die Brutverbreitung des Jahresvogels 2011 wesentlich von der Ausdehnung des Streuobstbaus bestimmt. In Obstgärten erreicht er hohe Bestände und das ist wohl ein Grund für den deutschen Namen Gartenrotschwanz.
2010 durchgeführte Bestandserhebungen in dem über 10.000 Hektar umfassenden Gebiet (siehe PDF-Download unten) unterstreichen die herausragende Bedeutung der Streuobstgebiete für Gartenrotschwänze: Durchschnittlich gibt es auf zehn Hektar drei, in Kleingärten mit altem Obstbestand sogar acht bis zehn Revierpaare. Damit liegen die Brutdichten hier höher als sonst im Ländle und weisen in den letzten 15 Jahren entgegen dem allgemeinen Trend sogar einen leicht ansteigenden Bestand auf. Selbst auf Kleinflächen von nur einem Hektar ist der farbenfrohe Vogel zuhause. Dagegen finden sich in den Wäldern keine, im Bereich der Lichtungen sowie in den flurbereinigten Weinbergen und dem Steppenheidengürtel zwischen Wald und Reben nur wenige Reviere.
Auf 800 Hektar Streuobst wird der aktuelle Brutbestand aufgrund von Hochrechnungen mit etwa 500 Revierpaaren angenommen. Damit sind der vielfältig strukturierte Naturraum Stromberg und vor allem seine Obstwiesen für den Gartenrotschwanz in Baden-Württemberg von überregionaler Bedeutung. Der entscheidende Faktor dafür ist das Bewirtschaftungsmosaik durch wechselnde Mahd oder Beweidung auf vielen Grundstücken. Denn für die Nahrungssuche benötigen Gartenrotschwänze den Wechsel von niedriger und hoher Vegetation, je vielfältiger umso besser. Außerdem treffen am Stromberg günstige klimatische Bedingungen und ein großes Höhlenangebot zusammen: alte Bäume mit ausgefaulten Astlöchern oder alten Spechthöhlen sind ideale Nistplätze.
Obstwiesen überaltern
Leider führt das abnehmende Interesse am Obst in großen Teilen der Streuobstflächen zur Überalterung der Bestände. Im zentralen Stromberg ist mittlerweile von 15 Prozent abgängigen und drei Prozent toten Bäumen auszugehen. In ortsnahen Lagen kommt die Umwandlung von Baumgrundstücken in Wochenend- und Freizeitgelände oder die Beweidung mit Pferden hinzu.
Intensive Grünlandnutzung und der Verlust hochstämmiger Bäume hat in ganz Baden-Württemberg mit dazu beigetragen, dass 60 Prozent der landschaftsprägenden Streuobstbestände verschwunden sind. Da immer weniger Menschen die aufwändige Baumpflege und Obsternte an Hochstämmen auf sich nehmen wollen, werden viele Obstwiesen nicht mehr „in Schuss“ gehalten – vorerst noch zum Vorteil des Gartenrotschwanzes. Als Höhlen- und Halbhöhlenbrüter wird er durch das im ungepflegten Zustand zunächst wachsende Höhlenangebot vorübergehend profitieren. Dann wird es mit dem „Abgang“ der Bäume aber innerhalb kurzer Zeit zu einem drastischen Verlust der Brutmöglichkeiten kommen.
Bewirtschaftung und Pflege
Neben dem Gartenrotschwanz ist das Streuobst im Stromberg auch wegen größeren Vorkommen weiterer, europaweit bedeutsamer oder gefährdeter Arten wie Halsbandschnäpper, Grauspecht und Wendehals bemerkenswert. Um die einmaligen Streuobstgebiete auf Dauer zu erhalten, sind Ideen, Tatkraft und langer Atem gefragt. Förderprogramme unterstützen die Pflanzung neuer Obstbäume und wirtschaftlich attraktive Vermarktungsstrategien unter anderem von Apfelsaft machen die Betreuung und Bewirtschaftung der Obstflächen wieder interessant.
Neben den Obstwiesen, in denen zwei Drittel des Bestandes brütet, müssen auch die floristisch und vegetationskundlich bedeutsamen Mergelhänge mit den Steppenheiden durch Dauerpflegemaßnahmen vor der Verbuschung freigehalten werden. Die aufwändige Pflege der Hangbereiche ist für den Gartenrotschwanz wichtig, denn ein Drittel der Vögel brütet dort.
Kein Grund zur Entwarnung
In Südwestdeutschland und gerade im Stromberg brütet ein bedeutender Anteil des deutschen Gartenrotschwanz-Bestandes, dem wir verpflichtet sind. Obwohl der Gartenrotschwanz aus der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands entlassen wurde und in Baden-Württemberg nicht akut gefährdet ist, besteht angesichts der großflächig zu erwartenden Veränderungen in seinem Schwerpunkt-Lebensraum Streuobstwiese kein Grund zur Entwarnung. Jüngste Erhebungen im Rahmen des Brutatlas-Projektes ADEBAR zeigen gegenüber den bisherigen Bestandsschätzungen in der aktuellen Roten Liste nun nahezu eine Halbierung. Dies sollte Anlass sein, sich wieder stärker mit dieser für Streuobstwiesen charakteristischen Art zu beschäftigen – die Wahl zum „Vogel des Jahres“ ist dafür eine große Chance.
Klaus Vowinkel und Stefan Bosch