Grüne Dächer
Dachbegrünung schafft Lebensraum und senkt die Heizkosten
In Skandinavien oder Island sind Grassodendächer Jahrhunderte alte Tradition. Harmonisch fügen sie sich in hügelige grüne Landschaften, bieten im Sommer angenehme Kühle und im Winter wohlige Wärme. Die allerersten Behausungen der Menschheit waren zwei Meter tiefe Wohngruben mit Grassodenabdeckung. Mammutjäger bauten sie vor 30.000 Jahren in nördlichen Regionen, wo Eiszeitgletscher das Klima stark abgekühlt hatten, als winterliche Jagdquartiere. Ihre Dächer aus Stangenwerk und Grasbrocken lagen direkt auf der Erdoberfläche auf. Die stehenden Luftpolster im Graspelz wärmten wie ein Bärenfell.
Das Wissen unserer Urahnen erlebt jetzt ein Comeback. Waren es in den 70er Jahren nur einige probierfreudige Umweltschützer, die vereinzelt mit Dachbegrünungen begannen, sind sich heute Architekten und Stadtplaner, Ökologen und Industrieverbände über die Vorteile einig. Würden in den deutschen Städten alle Dächer nachträglich bepflanzt, könnten der Natur bis zu zwei Drittel der versiegelten Flächen zurückgegeben werden.
Grüne Dächer speichern Regenwasser - bis zu 80 Prozent - und verdunsten es langsam wieder. Das entlastet die Kläranlagen und sorgt für ein ausgeglicheneres Klima. Sie produzieren Sauerstoff, filtern verschmutzte Luft, absorbieren Strahlung und verbessern dadurch insgesamt das Klima. Sie wirken temperaturausgleichend durch Wärmedämmung, dämpfen Lärm und schützen das Dach vor Witterungseinflüssen und mechanischem Verschleiß. Sie lohnen sich finanziell besonders auch für Industrie- und Verwaltungsgebäude, Großhallen und Schulen. Leistungen von Großklimaanlagen können nämlich erheblich gedrosselt werden.
Vorab Belastbarkeit des Daches prüfen
Wer ein Gründach plant, sollte sich vorher gründlich über die Standortbedingungen informieren (Statik, Entwässerung, Windsog, Brandschutz, An- und Abschlüsse). In jedem Fall muss ein Architekt oder Dachdecker zurate gezogen werden. Vor allem bei Flachdächern ist die Frage der Belastbarkeit zu klären. Je nach Bewuchs lastet ein Gewicht von 25 bis 165 Kilogramm auf jedem Quadratmeter. Begrünung ist kein Mittel gegen vorhandene Undichte, hilft aber, solche Schäden dauerhaft zu vermeiden.
Weil Dachbegrünungen keinen Anschluss an den Nährstoffkreislauf haben, müssen verschiedene Funktionsschichten künstlich auf das Dach aufgetragen werden. Es gibt heute schon viele Betriebe, die sich darauf spezialisiert haben. Man unterscheidet je nach Stärke der Substrat- oder Vegetationsschicht die intensive von der extensiven Begrünung. Intensive Schichten sind 25 bis 35 Zentimeter hoch, extensive nur 3 bis 15 Zentimeter.
Als erstes kommt eine wurzelfeste Schutzlage (Dichtungsbahnen) auf das Dach. Sie besteht aus verrottungsfesten Synthesefasern, die eine Beschädigung des Daches verhindern. Darauf folgt die Dränschicht aus mineralischem Schüttstoff wie Tonziegel oder Bims, die überschüssiges Wasser abführt, so dass keine Pfützen unter dem Bewuchs entstehen. Ganz obenauf kommt die Substrat- oder Vegetationsschicht, die durch Dicke und Zusammensetzung die Vegetationstypen bestimmt. Im so genannten Zweischichtaufbau kommt auf Mineralien noch eine dünne Mulchlage als Nährstoffspeicher. Auf diese Substratschicht wird gesät und nach dem Walzen des Bodens erstmals gewässert. Bei stärker geneigten Dächern können Rutschschwellen auf der Dachhaut ein Abrutschen der Substrate verhindern. Nach einem halben Jahr sollte ein gründlicher Check durch einen kundigen Dachdecker erfolgen. Kahle Stellen lassen sich jetzt noch ausbessern. Es ist sicher auch spannend zu beobachten, welche Pflanzen sich mit der Zeit von selbst noch als Dauergäste dazu gesellen.
Bunt blühende Hungerkünstler
Extensive Begrünung ist pflegeleichter und wegen des geringeren Gewichts vor allem für dünnere Dächer wie Garagen oder Hallen mit leichten Dachkonstruktionen zu empfehlen. Sie isoliert aber deutlich weniger. Ihre Schichtung bietet den Überlebenskünstlern unter den Pflanzen eine Heimat: Moosen und verschiedene Sukkulenten (Sedum- und Sempervivumarten). Sukkulenten sind Pflanzen, die Wasser in ihren Sprossen und Blättern speichern können und deshalb sehr sonnige Standorte vertragen. Zu ihnen gehören Mauerpfeffer, Krustensteinbrech und Dachwurz. Moos- und Sedumdächer sind in der Pflege anspruchslos. Moose brauchen nur ein bis zwei Zentimeter Substratdicke.
Auf Intensivschichten können anspruchsvollere, höher wachsende Pflanzen und Gräser gedeihen. Solche Gras- und Staudendächer sind etwas pflegeaufwendiger, bringen aber gute Isoliereffekte. Staudendächer müssen in regenarmen Zeiten gegossen werden. Auch brauchen sie im Herbst meist einen Schnitt. Bergaster, Waldschmiele, Roter Sonnenhut, Fackellilie, Margerite, Bergenie, Rittersporn, Mädchenauge oder Flockenblume sehen schön aus und locken zudem Bienen und Schmetterlinge an. Grasdächer können durch hohe Blattmasse und dichten Bewuchs sehr viel Wasser speichern. Zwischen niedrigen Gräsersorten haben auch Kräuter noch eine Chance (als Samenmischung kaufen). Die Kräuterwiese auf dem Dach sollte zweimal im Jahr gemäht werden.
Quadratmeterkosten von 30 bis 100 Euro
Die Materialkosten für eine Intensivbegrünung liegen bei Komplettangeboten zwischen 50 und 100 Euro je Quadratmeter, bei extensiver Begrünung zwischen 30 und 50 Euro. Die Arbeitskosten sind gleich hoch wie beim Kiesdach, da der Arbeitsaufwand in etwa gleich ist. Aufgerechnet gegen die Minderkosten durch Energiespareffekte ergeben sich mittelfristig sicher gute Gewinne.
Extensiv begrünte Dächer ab einer Auflagenstärke von 15 Zentimetern halbieren die sonst üblichen Temperaturschwankungen auf etwa 40 Grad Celsius. Intensiv begrünte Dächer weisen sogar nur noch Temperaturdifferenzen von 20 bis 30 Grad auf. Sie schirmen also hervorragend Wärme und Kälte ab. Eine Aufbauhöhe von 30 Zentimetern senkt die Kosten für eine Wärmedämmschicht um rund 10 Euro je Quadratmeter. Der Ersatz der herkömmlichen Dachdichtung aus Bitumen durch die Wurzelschutzbahn bringt nochmals eine Ersparnis von 25 Euro je Quadratmeter. Bei Intensivbegrünungen fallen jährliche Pflegekosten von 1,50 bis 3 Euro je Quadratmeter. Städtische Zuschüsse tun ein übriges, damit auch finanziell alles im grünen Bereich bleibt.
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