Einatmen. Ausatmen. Noch einmal einatmen.
Diesen zweiten Atemzug verdankst du einem Lebewesen, das du noch nie gesehen hast
... und zwar der Kieselalge. Das ist das Prinzip der biologischen Vielfalt: Die Natur ist ein Netzwerk, in der jeder Organismus eine wichtige Rolle spielt, egal wie klein oder unbekannt. Es ist stabil durch die Vielfalt. Doch die ist akut bedroht. Wir erleben aktuell eine Naturkrise. Wir müssen jetzt gemeinsam handeln, um sie zu stoppen.
Das Sterben der Anderen? Wofür wir vielfältige Natur brauchen
Doch genau diese Vielfalt ist bedroht: Nur noch etwa ein Viertel der für Deutschland typischen Biotope gilt als ungefährdet. In nur 50 Jahren sind die weltweiten Bestände an Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien um fast 70 Prozent geschrumpft. Die Vielfalt der Lebensräume, der Arten, und ihre genetischen Variationen verschwinden aktuell so schnell, dass es als das sechste Massenaussterben auf unserem Planeten bezeichnet wird – verursacht durch den Menschen.
Das Beispiel der Kieselalge zeigt: Diese Krise trifft nicht nur Tiere und Pflanzen. Auch unser Leben beruht auf den überraschenden Zusammenhängen der biologischen Vielfalt. Die zentralen Bauteile sind:
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Vielfalt der Lebensräume
Moore, Wälder, Flussauen – jede Art braucht ihr passendes Umfeld: Jeder Schmetterling seine Futterpflanze, jeder Moorfrosch seinen Unterschlupf. Je vielfältiger und vernetzter die Lebensräume sind, umso besser entwickelt sich das Leben darin.
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Artenvielfalt
Verschiedene Tiere und Pflanzen bilden Lebensgemeinschaften und sind aufeinander angewiesen. Es braucht viele unterschiedliche Arten mit jeweils vielen Individuen, damit das System stabil bleibt.
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Genetische Vielfalt
… bringt verschiedene Individuen innerhalb einer Art hervor. Sie sorgt dafür, dass sie resilienter gegen Krankheitserreger sind und sich besser an veränderte Bedingungen, zum Beispiel in der Klimakrise, anpassen können.
Es ist ein so komplexes System, dass wir nie genau wissen können, ob wir auf ein Element ohne verheerende Verluste verzichten können. Aber wir wissen genug, um zu erkennen: Es ist ein System, das wir nicht weiter aufs Spiel setzen können, ohne uns selbst zu schaden. Wir wissen genug, um zu handeln.
Dadurch, dass wir natürliche Lebensräume für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft intensiv nutzen, umwandeln und zerschneiden, verlieren wir jede Sekunde biologische Vielfalt. Neben der Zerstörung der Lebensräume führen auch Handel und Konsum bestimmter Tier- und Pflanzenarten dazu, dass viele Arten vom Aussterben bedroht sind. Die Verschmutzung der Umwelt ist ein weiteres Problem: Zu viele Nährstoffe und Pestizide aus der Landwirtschaft belasten Wasser und Böden. Plastikmüll hat mittlerweile sogar die tiefsten Schichten des Ozeans erreicht. All dies wird verstärkt durch die Klimakrise: Häufigere und stärkere Waldbrände, längere Dürreperioden, oder die Übersäuerung der Meere setzen Tiere und Pflanzen unter Druck.
Fünf Dinge, die wir sofort tun können
1. Austauschen & reden: Ja, die Beschäftigung mit diesem Thema kann belastend sein und Sorge oder sogar Verzweiflung auslösen. Angesichts der bedrohlichen Lage sind solche Gefühle angemessen, und du bist nicht allein damit. Erst, wenn wir anfangen, uns zu informieren und mit anderen darüber sprechen merken wir, wie viel Wille etwas zu verändern bereits da ist.
2. Anpacken: Du hast Lust, draußen in der Natur mit anzupacken? Engagiere dich in einer NABU-Gruppe in deiner Nähe und hilf zum Beispiel bei der Pflege von Streuobstwiesen, Flussauen oder anderen Lebensräumen!
3. Sich einmischen: Es würde dich überraschen, wie sehr Abgeordnete von der Landes- bis zur EU-Ebene auf Nachrichten aus ihrem Wahlkreis achten: Schreibe sie persönlich an, weise darauf hin, wie wichtig der Schutz unserer natürlichen Ressourcen ist und fordere mehr Einsatz. Oder engagiere dich direkt in deiner Partei für den Schutz der Natur. Dabei kannst du gerne unsere Argumente und Forderungen nutzen.
4. Bewusst konsumieren: Produkte, die ressourcenschonend und klimafreundlich hergestellt werden, schonen auch die Natur. Die Formel ist einfach: regionale, saisonale, ökologische und faire Produktion, sowie wenig, recycelte oder sogar gar keine Verpackung. Es hilft auch, sich vor jedem Einkauf die Frage zu stellen: Brauche ich das wirklich? Und wenn ja, muss es neu sein oder kann ich es auch gebraucht finden?
5. Es blühen lassen: Ob im eigenen Garten, auf dem Balkon oder im Nachbarschaftsprojekt – jede Blüte, jeder Stängel zählt! Schon kleinste Flächen können Insekten Nahrung und Schutz bieten. Sie sind Oasen zwischen versiegelten Flächen, und ein Trittstein zum nächsten Lebensraum. Dass so eine Mini-Wildnis zu pflegen einfach Spaß macht und gut aussieht, kommt als Bonus noch dazu.
Mit diesen Dingen kann fast jede*r von uns sofort loslegen. Und es ist gut, das zu tun. Gleichzeitig ist klar, dass die Verantwortung für eine der größten Krisen unserer Zeit nicht auf uns Individuen abgeladen werden darf.
Drei Dinge, die die Politik sofort tun muss
Die Bundesregierung muss jetzt bereits vereinbarte Zielsetzungen wie das Weltnaturabkommen und die EU-Biodiversitätsstrategie in konkrete Schritte und politische Entscheidungen übersetzen:
1. Schutzoasen ausweiten: Wir brauchen großflächige und miteinander vernetzte Schutzgebiete auf 30 Prozent der Land- und Meeresflächen. Diese bieten nicht nur Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum, sondern auch uns Menschen Orte der Erholung, frisches Wasser und saubere Luft. Als zentralen Schritt zur Umsetzung dieses Ziels muss die Bundesregierung zeitnah ein wirksames Natur-Flächen-Gesetz verabschieden.
2. Klare Regeln für Schutzoasen: Schutzgebiete dürfen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern müssen der Natur Vorrang vor wirtschaftlicher Nutzung geben. Eine Nutzung der Fläche im Einklang mit den Schutzzielen kann erlaubt sein, naturschädigende Praktiken sollten aber streng reglementiert werden. Dazu gehören beispielsweise Kahlschläge, der Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln oder Überfischung. Um den Schutz zu sichern, braucht es ausreichend Personal und Geld.
3. Zerstörte Lebensräume wiederbeleben: Knapp 80 Prozent der natürlichen Lebensräume in Europa sind bereits geschädigt. Meere, Moore, Wälder, Flüsse und Auen müssen wiederhergestellt werden, damit sie uns vor Dürre, Hitze und Überschwemmung schützen und Kohlenstoff binden können. Deutschland muss deshalb schnell einen rechtsverbindlichen Plan zur Wiederherstellung der Natur vorlegen.
Der NABU und seine Ehrenamtlichen unterstützen die Bundes- und Landesregierungen sowie lokale Behörden mit Wissen, Erfahrungen und den zur Verfügung stehenden Flächen, soweit dies möglich ist.